II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 313

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16.1. Lebendige Stungen- Zyklus


ist denn deine ganze Schreiberei, und wenn du das größte Genie der vielleicht weniger werth war al
Gu ((Feuilleion.
bist, was ist sie denn gegen so eine Stunde, so eine lebendige Stunde, Er muß sterben, und jener lebt im
in der deine Mutter hier auf dem Lehnstuhl gefessen ist und zu ihm noch jetzt, in seinen letzten Auge
Gastspiel des Deutschen Theakers.
uns geredet hat, oder auch geschwiegen — aber da ist sie gewesen eitel sein Glück ist, wie sein Weib i
da' und sie hat gelebt, gelebt!“ antwortet der Junge: „Levendige schaut hat und durch zwei Jahre sein
Gestern begann im Carl=Theater das heurige Gast¬
Stunden? Sie leben doch nicht länger als der Letzte, der sich ihrer
Geliebte gewesen ist — eine Art
des „Deutschen Theaters“ aus Berlin. Es brachte
erinnert. Es ist nicht der schlechteste Beruf, solchen Stunden Dauer
uns gleich am ersten Abend unseres Landsmannes Arthur
doch. Und der Arzt thut ihm den
zu verleihen, über ihre Zeit hinaus.“
Schnitzlers „Lebendige Stunden“. Vier Einakter.
Und da er, der Lebenstrotzende, am
In der „Frau mit dem Dolche“ sehen wir
Eigentlich ist es nicht schön, daß erst ein Berliner Ensemble uns
überkommt diesen unsägliche Verachtn
einen jungen Mann bei einem Rendezvous mit einer verheirateten
mit den neuesten Erzeugnissen eines Wiener Dichters bekannt
mit den Leuten zu schaffen, die m
Frau in einer Gemäldegalerie. Sie stehen vor einem Bilde eines
werden?“ Er sagt nichts und stirbt.
machen muß. Und dieser Dichter ist einer unserer besten. Die vier
alten unbekannten Meisters, der 1530 gestorben ist. Eine Frau
Einakter, deren erster dem ganzen Zyklus den Namen gegeben hat,
Das letzte Stück heißt „Liter
steht da mit gezücktem Dolche. Frau Pauline ist noch unent¬
sind in Berlin freundlich ausgenommen worden und liegen auch
Lustspiel. Die junge Frau Marg#
schlossen, ob sie dem Wunsche des jungen Mannes Leonhard ent¬
Scheidung von ihrem Manne nach
schon längere Zeit in einer Buchausgabe (Berlin, S. Fischer) vor.
sprechen, ob sie am Abend zu ihm kommen soll. Sie wird von
Der Gesammttitel kann in mannigfaktigen Beziehungen zu den
ein Bohlmeleben durchgemacht. M
dem Bilde, vor dem sie stehen, förmlich hypnotisirt. Die Frau
Handlungen gebracht werden, und es liegt Reiz darin, na## en,
Gilbert, hat sie sich ziemlich weit eing
auf dem Bild, sagt sie, das bin ich. Und der todte Jüngling, der
in welchem Sinne der Autor ihn in jedem einzelnen Falle wohl
den Hof gemacht und sich gegenseitigh
dort in der Ecke liegt, das bist du, Leonhard. Rasch verändert
gemeint haben könnte.
T#ist der Aristokrat Clemens in
sich die Szene. Wir sind in einem italienischen Maleratelier des
die Margarethe erobert. Er ist m
Das erste Stück „Lebendige Stunden“ ist ein schönes
16. Jahrhunderts: Nach einer glückseligen Nacht soll Lionardo
Stimmungsbild. Ein alter Mann hat das Weib eines Anderen
will sie heiraten. Aber von ihrer D
Paola verlassen. Paolas Gatte, der Maler Remigio, ist sern.
geliebt, die, von ihrem Manne verlassen, bei ihm neues Glück
Als sie ihm gesteht, daß sie einen R#
So hat sie sich dem Lionardo ergeben, aus Liebe? Nein, er ist
gefunden hat. Vielleicht nur das Glück echtester Freundschaft. Ihr
schon gedruckt und soll nächstens her
ihr so gleichgiltig. Unvermuthet kommt Remigio. Lionardo wird
Junge, der zwischen seiner Mutter und ihrem Herzensfreunde auf¬
kommt auf der Durchreise zu Besuch
ihn tödten. Um das zu verhindern, sticht sie ihn nieder. Remigio,
gewachsen ist, hat das Verhältniß durchschaut und geachtet. Er ist
entspinnt sich, in dessen Verlauf wir
in diesem Augenblick nur Maler, sieht in seinem Weibe jetzt nur
ein Dichter. Er liebt seine Mutter, aber ihre stete Kränklichkeit, die
dichterischen Dioskurenpaares erfahren
das Modell des Bildes, das er in Arbeit hat, der Frau mit
sich immer mehr steigert und qualvoll wird, bedrückt und beengt
sie beide den Roman ihrer Liebe gesch
dem Dolche. Rasche Verwandlung. Wir sind wieder in der
zwischen ihnen gewechselten Briefe
ihn Seine gute Mutter sieht das, und in ihrer Liebe zu ihrem
Gemäldegalerie. Leonhard und Pauline trennen sich. Und als
Sohne und in ihrer Angst um ihn und um seine künstlerische
kommt zurück. Er war bei Marg
Leonhard fragt: „Und heut Abend?“ sagt sie: „Ich komme.“
ganze Auflage aufgekauft. Alles w
Entwieklung, die vielleicht neben ihr, der Siechen, für immer
Von allen vier Stücken ist dieses das nachdenksamste. Man
Exemplar hat er mitgebracht. Das m
stockt, trinkt sie eines Abends das Fläschchen Morphium aus und ist
könnte vieles hineingeheimnissen. Doch auch als reines Spiel der
auch ein Exemplar seines Romanes
am anderen Morgen todt. Der Junge hat es nicht gewußt. Er
Phantasie ergötzt es.
gut werden. Doch Margarethe ent
hat sich durch Reisen zu zerstreuen gesucht. Zurückgekehrt, erfährt
Das wirksamste Stück ist das dritte: „Die letzten
er den Zusammenhang von dem Freu.“ seiner Mutter, dem sie
wirft ihn in den Ofen. Dadurch gib
Masken.“ Ein dem Tobe naher Inwohner des allgemeinen
Beweis ihrer Liebe! Die Farce ist
in einem Abschiedsbrief alles erzählt hat. Sie ist für ihren Sohn
Krankenhauses, der Jourualist Rademacher, erinnert sich seines
Bevor ich von der Darstellung
gestorben. Sie hätte noch, nach dem Ausspruche des Arzies, einige] Jugendfreundes, des jetzt angesehenen Schriftstellers Alexander
Wort von und an Schnitzler selbst
Jahre leben können. Auf den Vorwurf des alten Freundes: „Was Weihgast. Während er im Elend verkommen muß, ist der andere, diesen vier Einaktern bietet, das ist