II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 314

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16.1. Lebendige Stunden zyklus
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ist denn deine ganze Schreiberei, und wenn du das größte Genie
der vielleicht weniger werth war als er, in die Höhe gekommen.
euilleton.
bist, was ist sie denn gegen so eine Stunde, so eine lebendige Stunde,
Er muß sterben, und jener lebt im Glücke. Und doch, wenn er
in der deine Mutter hier auf dem Lehnstuhl gesessen ist und zu
ihm noch jetzt, in seinen letzten Augenbüicken sagen könnte, wie
uns geredet hat, oder auch geschwiegen — aber da ist sie gewesen
des Deutschen Theaters.
eitel sein Glück ist, wie sein Weib ihn in seiner Hohlheit durch¬
da! und sie hat gelebt, gelebt!“ antwortet der Junge: „Lebendigeschaut hat und durch zwei Jahre seine, des armen Journalisten
im Carl=Theater das heurige Gast¬
Stunden? Sie leben doch nicht länger als der Letzte, der sich ihrer] Geliebte gewesen ist — eine Art von Erleichterung wäre (8
Theaters“ aus Berlin. Es brachte
erinnert. Es ist nicht der schlechteste Beruf, solchen Stunden Dauer
doch. Und der Arzt thut ihm den Gefallen, er ruft Weihgast.
ten Abend unseres Landsmannes Arthur
zu verleihen, über ihre Zeit hinaus.“
Und da er, der Lebenstrotzende, am Bette des Sterbenden sitzt, da
Ebendige Stunden". Vier Einakler.
In der „Frau mit dem Dolche“ sehen wir
überkommt diesen unsägliche Verachtung: „Was hat unsereiner
schön, daß erst ein Berliner Ensemble uns
einen jungen Mann bei einem Rendezvous mit einer verheirateten
mit den Leuten zu schaffen, die morgen noch auf der Welt sein
Erzeugnissen eines Wiener Dichters bekannt
Frau in einer Gemäldegalerie. Sie stehen vor einem Bilde eines
werden?“ Er sagt nichts und stirbt.
eser Dichter ist einer unserer besten. Die vier
alten unbekannten Meisters, der 1530 gestorben ist. Eine Frau
Das letzte Stück heißt „Literatur“ und hat die Bezeichnung
dem ganzen Zuklus den Namen gegeben hat,
steht da mit gezücktem Dolche. Frau Pauline ist noch unent¬
Lustspiel. Die junge Frau Margarethe hat sich nach ihrer
dlich aufgenommen worden und liegen auch
schlossen, ob sie dem Wunsche des jungen Mannes Leonhard ent¬
Scheidung von ihrem Manne nach München begeben und dort
einer Buchausgal (Berlin, S. Fischer) vor.
sprechen, ob sie am Abend zu ihm kommen soll. Sie wird von
ein Bohimeleben durchgemacht. Mit einem von der Bande,
in in mannigfaltigen Beziehungen zu den
dem Bilde, vor dem sie stehen, förmlich hypnotisirt. Die Frau
Gilbert, hat sie sich ziemlich weit eingelassen. Beide haben einander
werden, und es liegt Reiz darin, nachzuspüren,
auf dem Bild, sagt sie, das bin ich. Und der todte Jüngling, der
den Hof gemacht und sich gegenseitig für große Dichter gehalten.
er Autor ihn in jedem einzelnen Falle wohl
dort in der Ecke liegt, das bist du, Leonhard. Rasch verändert
Da ist der Aristokrat Clemens in diesen Kreis getreten und hat
sich die Szene. Wir sind in einem italienischen Maleratelier des
die Margarethe erobert. Er ist mit ihr nach Wien gereist und
k „Lebendige Stunden“ ist ein schönes
16. Jahrhunderis: Nach einer glückseligen Nacht soll Lionardo
will sie heiraten. Aber von ihrer Dichterei will er nichts wissen.
alter Mann hat das Weib eines Anderen
Paola verlassen. Paolas Gatte, der Maler Remigio, ist sern.
Als sie ihm gesteht, daß sie einen Roman geschrieben hat (er ist
emn Manne verlassen, bei ihm neues Glück
So hat sie sich dem Lionardo ergeben, aus Liebe? Nein, er ist
schon gedruckt und soll nächstens heraus), da stürzt er ab. Gilbert
t nur das Glück echtester Freundschaft. Ihr
ihr so gleichgiltig. Unvermuthet kommt Remigio. Lionardo wird
kommt auf der Durchreise zu Besuch. Ein köstliches Zwiegespräch
einer Mutter und ihrem Herzensfreunde auf¬
ihn tödten. Um das zu verhindern, sticht sie ihn nieder. Remigio,
entspinnt sich, in dessen Verlauf wir di ganze Verlogenheit dieses
Verhältniß durchschaut und geachtet. Er ist
in diesem Augenblick nur Maler, sieht in seinem Weibe jetzt nur
dich erischen Dioskurenpaares erfahren. Zuletzt kommt heraus, daß
seine Mutter, aber ihre stete Kränklichkeit, die
das Modell des Bildes, das er in Arbeit hat, der Frau mit
sie beide den Roman ihrer Liebe geschrieben und dem Roman die
ert und qualvoll wird, bedrückt und beengt
dem Dolche. Rasche Verwandlung. Wir sind wieder in der
zwischen ihnen gewechselten Briefe einverleibt haben. Clemens
ter sieht das, und in ihrer Liebe zu ihrem
Gemäldegalerie. Leonhard und Pauline trennen sich. Und als
kommt zurück. Er war bei Margarethes Vertiger und hat die
Angst um ihn und um seine künstlerische
Leonhard fragt: „Und heut Abend?“ sagt sie: „Ich komme.“
ganze Auflage aufgekauft. Alles wird eingestampft. Nur ein
lleicht neben ihr, der Siechen, für immer
Von allen vier Stücken ist dieses das nachdenksamste. Man
Exemplar hat er mitgebracht. Das will er lesen. Da Gilbert ihm
lbends das Fläschchen Morphium aus und ist
könnte vieles hineingeheinnissen. Doch auch als reines Spiel der
auch ein Eremplar seines Romanes verehrt hat, kann die Sache
todt. Der Junge hat es nicht gewußt. Er
Phantasie ergötzt es.
gut werden. Doch Margarethe entreißt ihm ihren Roman und
zu zerstreuen gesucht. Zurückgekehrt, erfährt
Das wirksamste Stück ist das dritte: „Die letzten
wirft il in den Ofen. Dadurch gibt sie ihm den letzten, größten
g von dem Freunde seiner Mutter, dem sie
]Masken.“ Ein dem Tode naher Inwohner des allgemeinen
Beweis ihrer Liebe! Die Farce ist geistvoll und lustig.
ef alles erzählt hat. Sie ist für ihren Sohn
Krankenhauses, der Journalist Rademacher erinnert sich seines
Bevor ich von der Darstellung der Stücke spreche, noch en
noch, nach dem Ausspruche des Arztes, einige Jugendfreundes, des jetzt angesehenen Schriftstellers Alexander
Wort von und an Schnitzler selbst. Was uns Schnitzler mit
Auf den Vorwurf des alten Freundes: „Was Weihgast. Während er im Elend verkommen muß, ist der andere, diesen vier Einaktern bietet, das ist echt und gut. Das ist jene