I
16.1. Lebendige Stun Zyklus
Telephon 12801.
Alex. Welgl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
„OBSERYER
Nr. 44
österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1, Türkenstrasse 17.
— Filiale in Budapest: „Figyelö“
ertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Ausschnitt aus:-une
om:
L (20 7—
Neues Theater.
K.S: Am Donnerstag Abend vollzog sich im Neuen
Theäter wieder einmal ein echtes litterarisches Er¬
eignis. Arthur Schnitzlers neue vier Einakter Leben¬
dige Stunden, die in Berlin vor kurzem erst aus
der Taufe gehoben wurden, kamen an diesem Abend¬
zur ersten Aufführung, und der schöne, nach dey
beiden letzten Dramoletts sogar bedeutende Erfolg be¬
wies, daß das Bonner Publikum der Spielleitung für
50 Zeitungs
das Gebotene herzlich dankbar war. Diese Anerkennung
hat das neue Unternehmen aber auch redlich verdient.
200
Es hat seine Besucher mit einer litterarischen Neuheit
500
bekannt gemacht, die auf einer rheinischen Bühne bisher
1000
noch nirgends gegeben wurde, und es hat diese Neuheit
Im Gegenst
in einer Weise vermittelt, der sich auch eine größere
bonnement durch
Bühne mit umfassenderen Hilfskräften nicht hätte zu
bonnenten frei d
schämen brauchen. Die kleinen Einakter sind unseren
Lesern aus dem letzten Litteraturbericht vom 19 Januar
Der „OBSE
haltsangabe al
bekannt. Wir haben bei ihrer Besprechung darauf hin¬
lätter (Tages
gewiesen, daß Schnitzler eine ganz bestimmte Lebens¬
odurch eine Ueb
auffassung darin vertritt, nämlich die, daß das mensch¬
eben des In- un
liche Leben des Vergessens bedarf, um sich zu ver¬
eilungen werden
jüngen, daß das Vergangene, Tote kein Recht auf die
Gegenwart, auf das Leben hat, weil das Recht allein
auf Seiten der Lebendigen ist. Dieser Gedanke kehrt in
allen vier Einastern mieder —im ersten etwas geschraubt
und mathematisch berechnet, im zweiten traumhaft ver¬
schwommen im dritten in den stärksten realistischen
Farben und im letzten endlich im Gewand der Satire.
Daraus geht schon hervor, daß die Wirkung der ein¬
zelnen Stücke eine verschiedene ist, daß sie am stärksten
sein wird, wo Schnitzler aus dem Vollen schöpft (Die
letzten Masken — Litteratur) und am schwächsten, wo
die Riflexion, die Mache berwiegt (Lebendige Stunden
Die Frau mit dem Dolche). In den Lebendigen
Stunden, d. h. im ersten Einakter, der den Titel des
Gesamtwerkes trägt, schreitet ein junger Schriftsteller
über die Leiche seiner um ihn gestorbenen Mutter ins
blühende Leben hinaus, während das Alter ratlos ihm
nachschaut und nicht zu fassen vermag, daß die Jugend
so stark, so hartherzig sein kann, wenn sie nach neuen
Zielen strebt und neue Aufgaben zu lösen versucht. Der
zweite Einakter (Die Frau mit dem Dolche) sucht in Form
einer Allegorie, eines Traums, einer Vision oder wie man
es nennen will, zu zeigen, daß die Vergangenheit einer
Frau in
dem Augenblick wirklich versinkt,
wo sie sich stark genug fühlt, vergangene Schuld einzu¬
gestehen und über sie weg in das Leben zu schreiten.
Schnitzler hat diesen Gedanken leider mit einem anderen
vermischt und dadurch die ganze Situation unklar und
unverständlich gemacht. Jene Frau, welche in der er¬
wähnten Vision ihr eigenes Schicksal erlebt, steht erst
am Anfang ihrer Schuld, aber sie wird diese Schuld auf
sich laden und dann — so darf man wohl annehmen —
in demselben Sinne handeln wie ihr traumhaftes zweites
Ich. Im dritten Einakter (Die letzten Masken) liegt
die Situation bedeutend klarer.
In einem Wiener
Krankenhause soll es zwischen einem sterbenden Journa¬
0
Dichter
box 21/3
16.1. Lebendige Stun Zyklus
Telephon 12801.
Alex. Welgl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
„OBSERYER
Nr. 44
österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1, Türkenstrasse 17.
— Filiale in Budapest: „Figyelö“
ertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Ausschnitt aus:-une
om:
L (20 7—
Neues Theater.
K.S: Am Donnerstag Abend vollzog sich im Neuen
Theäter wieder einmal ein echtes litterarisches Er¬
eignis. Arthur Schnitzlers neue vier Einakter Leben¬
dige Stunden, die in Berlin vor kurzem erst aus
der Taufe gehoben wurden, kamen an diesem Abend¬
zur ersten Aufführung, und der schöne, nach dey
beiden letzten Dramoletts sogar bedeutende Erfolg be¬
wies, daß das Bonner Publikum der Spielleitung für
50 Zeitungs
das Gebotene herzlich dankbar war. Diese Anerkennung
hat das neue Unternehmen aber auch redlich verdient.
200
Es hat seine Besucher mit einer litterarischen Neuheit
500
bekannt gemacht, die auf einer rheinischen Bühne bisher
1000
noch nirgends gegeben wurde, und es hat diese Neuheit
Im Gegenst
in einer Weise vermittelt, der sich auch eine größere
bonnement durch
Bühne mit umfassenderen Hilfskräften nicht hätte zu
bonnenten frei d
schämen brauchen. Die kleinen Einakter sind unseren
Lesern aus dem letzten Litteraturbericht vom 19 Januar
Der „OBSE
haltsangabe al
bekannt. Wir haben bei ihrer Besprechung darauf hin¬
lätter (Tages
gewiesen, daß Schnitzler eine ganz bestimmte Lebens¬
odurch eine Ueb
auffassung darin vertritt, nämlich die, daß das mensch¬
eben des In- un
liche Leben des Vergessens bedarf, um sich zu ver¬
eilungen werden
jüngen, daß das Vergangene, Tote kein Recht auf die
Gegenwart, auf das Leben hat, weil das Recht allein
auf Seiten der Lebendigen ist. Dieser Gedanke kehrt in
allen vier Einastern mieder —im ersten etwas geschraubt
und mathematisch berechnet, im zweiten traumhaft ver¬
schwommen im dritten in den stärksten realistischen
Farben und im letzten endlich im Gewand der Satire.
Daraus geht schon hervor, daß die Wirkung der ein¬
zelnen Stücke eine verschiedene ist, daß sie am stärksten
sein wird, wo Schnitzler aus dem Vollen schöpft (Die
letzten Masken — Litteratur) und am schwächsten, wo
die Riflexion, die Mache berwiegt (Lebendige Stunden
Die Frau mit dem Dolche). In den Lebendigen
Stunden, d. h. im ersten Einakter, der den Titel des
Gesamtwerkes trägt, schreitet ein junger Schriftsteller
über die Leiche seiner um ihn gestorbenen Mutter ins
blühende Leben hinaus, während das Alter ratlos ihm
nachschaut und nicht zu fassen vermag, daß die Jugend
so stark, so hartherzig sein kann, wenn sie nach neuen
Zielen strebt und neue Aufgaben zu lösen versucht. Der
zweite Einakter (Die Frau mit dem Dolche) sucht in Form
einer Allegorie, eines Traums, einer Vision oder wie man
es nennen will, zu zeigen, daß die Vergangenheit einer
Frau in
dem Augenblick wirklich versinkt,
wo sie sich stark genug fühlt, vergangene Schuld einzu¬
gestehen und über sie weg in das Leben zu schreiten.
Schnitzler hat diesen Gedanken leider mit einem anderen
vermischt und dadurch die ganze Situation unklar und
unverständlich gemacht. Jene Frau, welche in der er¬
wähnten Vision ihr eigenes Schicksal erlebt, steht erst
am Anfang ihrer Schuld, aber sie wird diese Schuld auf
sich laden und dann — so darf man wohl annehmen —
in demselben Sinne handeln wie ihr traumhaftes zweites
Ich. Im dritten Einakter (Die letzten Masken) liegt
die Situation bedeutend klarer.
In einem Wiener
Krankenhause soll es zwischen einem sterbenden Journa¬
0
Dichter
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