dem Dolche". In der Gemäldegalerie geben sich Pauline, die Frau
seines Dichters, und Leonhard, ihr Anbeter, ein Stelldichein. Sie stehen
vor dem Bilde eines unbekannten Meisters, der „Frau mit dem Dolche“
die stier auf die Leiche eines von ihr gemordeten Jünglings blickt. Frau
Pauline, die unberechenbar capriciöse Dame, schaut der dolchbewehrten
Mörderin des Bildes auffallend ähnlich. Und als die Lebende die ge¬
malte Doppelgängerin näher betrachter, findet sie auch, daß der am
Boden liegende, vom Dolche durchbohrte Jüngling ihrem Leonhard gleicht.
Dem Paare dämmert eine traumhafte Ahnung empor, als hätten sie
schon einmal gelebt, sich schon einmal geliebt; die Schatten vergangener
Zeiten steigen herauf und in einer Vision tritt die im Bilde dargestellte
Sensationsgeschichte aus der Renaissancezeit sichtbarlich an die Stelle
der Gegenwart. Pauline wandelt sich zur Paola, Leonhard zum
Lionardo. Sie erleben ihr modernes Schicksal in der Variation jener
blutigen Zeiten. Die Vision nimmt ein Ende. Pauline und Leonhard
sind wieder in der Gemäldegalerie. Aber unter dem betäubenden Einfluß
des erotischen Traumes tritt jetzt bei Pauline entschlossene Gewährung
an die Stelle unentschlossenen Versagens. Mit der tnappen Abrede des
entscheidenden Rendezvons schließt das Bild, das seine eigenen, phan¬
tastischen Reize besitzt, aber unter der Subsumirung unter die Gemein¬
samkeit der Idee der „Lebendigen Stunden“ entschieden zu leiden hat.
Die kecke Schlußpointe verheißt zwar eine sehr lebendige Stunde, aber
eine von ganz anderer Art, als der Dichter ursprünglich meinte.
Nummer drei: „Die letzten Masken“ ist von einer theatralischen
Kraft, die an den „Grünen Kakadu“ erinnert. Sie spielt im Kranken¬
hause, zwischen Sterbenden. Der Eine ist Schauspieler, der andere
Journalist. Gegner im Leben, Freunde hier. Der kleine Mime trägt sich
mit Zukunftshoffnungen und studirt den Tod für die Zwecke des
Lebens. Der kleine Zeitungsschreiber weiß, daß er am Ende steht.
Er hat nur noch einen Wunsch, den, dem zum Ruhm gelangten
„Freunde", dem berühmten Antor Weihgast, seinen Haß, seine Ver¬
sachtung ins Gesicht zu werfen, ihm den Schimpf zuzuschleudern, daß er
im eigenen Hause der Betrogene gewesen ist. Schauspieler und
Journalist halten zusammen Probe, um die Einzelheiten der Seene
festzustellen. Ein bizarrer, kühner, aber doch mehr erklügelter, als
lebensaufrichtiger Einfall. Dann, als Weihgast kommt und seine eigene
Kampfmüdigkeit, seine nichtige Eitelkeit enthullt, gelangt jene Scene doch
Inicht zur Ausführung. Der sterbende Journalist erkennt, daß er glück¬
licher ist, als der lebende Dichter und verzichtet auf seine Rache. Diese
Wandlung hätte vielleicht noch schärfer motivirt werden können. Dafür
sentschädigt die meisterlich gegebene Krantenhaus=Schilderung mit den
haarscharf umrissenen Gestalten.
Nach diesen drei Tragödien kommt die Posse. Sie heißt „Litteratur“
zlund ist in ihrer Lustigteit geschlossener, als ihre drei ernsthaften Vor¬
asgängerinnen in ihrer Tragik. Charakteristische Eigenschaften unserer
großstädtischen Litteratur=Bohémiens werden mit zundendem Witz an
den Pranger gestellt. Margarethe ist ein jener Damen, die viel er¬
sieben müssen, um viel „dichten“ zu können. Als sie die gleichgestimmten
Genossen ihrer Erlebnisse satt hat, findet sie zur rechten Zeit den Sports¬
lman Clemens, der sich aus den Pferden mehr macht, als aus der
Litteratur. Margarethe will Frau Baronin und ordentlich werden, aber
ein bischen dichten möchte sie auch. Ihr neuester Roman soll die brief¬
lichen Ergüsse ihrer letzten illegitimen Liebesavemiure enthalten, natür¬
lich, ohne daß Clemens ahnen darf, daß jene Ergüsse echt sind. Aber
Gilbert, der Adressat und Schreiber der Briefe, hat ganz dieselbe geniale
Idee gehabt. Auch in seinem Romane sollen diese menschlichen
Solumente als Hauptstück paradiren. Dann müßte aber selbst ein
Clemens den pikanten Zusammenhang merken und so erkennt Margarethe
frechtzeitig die Gefahren des allzu aufrichtigen Litteraturbetriebes. Sie
swirft das letzte, verrätherische Exemplar der von Clemens aufgekauften
Auflage ihres Werkes ins Feuer und —
giebt damit dem künftigen
Gatten ein schönes Opferzeichen ihrer hingebenden, selbst auf litterarische
Ehren verzichtenden Liebe. Die kleine Farge ist voll amüsantester
Pointen und von A bis Z mit glänzendem Elan zu Ende geführt. Die
Gigerl der Aristokratie und der Bohème haben sich nicht zu beklagen.
Sie bekommen beide ihr vollgemessen Theil und zwar mit den doppelt
schmerzenden Hieben feinster Ironie.
Man sieht aus Allem, daß die scenische Wiedergabe der vier neuen
Schnitzlers kein leichtes Ding ist. Herr Niedt, der bisher bei Seite ge¬
standen hat, war für diese Aufgabe als Regisseur bestallt worden. Der
Abend setzte darstellerisch sehr matt ein. Grade der äußerlich anspruchs¬
loseste Act, die „Lebendige Stunden“ wurde am schwächsten gespielt. Der
Hausdorfer des Herrn Ziegel polterte allzu laut drauf los und Herr
[Schlaghammer war wohl für seine Verhältnisse ganz brav, vermochte
aber mit seiner Liebhaber=Routine der blasirten Melancholie des jungen
Dichters nicht beizukommen. Im zweiten Stück versagte die Regie oder
vielmehr die Splendidität der Direction. Die Scene spielt in einer Ge¬
mälde=Galerie. In welcher Stadt, sagt Schnitzler nicht. Aber beim Auf¬
gehen des Vorhanges wußte es jedermann. Das konnte nur die Gemälde¬
Galerie von Potschappel sein, dieses winzige Sälchen mit den windschiefen
Titelbild, das sich vermaß, Frl. Illing ähnlich zu sehen, erzielte
sa tempo, einen durchschlagenden Heiterkeits=Erfolg.
Auch die
zweimalige mysteriöse Verwandlung, bei der alles auf Schnelligkeit und
traumhaft verschwimmen de Illusion ankommt, mißglückte. Bei den eigenthüm¬
lichen Raum= und Lichtverhältnissen der Lobebühne wäre es richtig gewesen¬
die Metamorphose hinter einem deckenden, die scenischen Arbeiten ver¬
hüllenden Schleier vorzunehmen. Es ist ein Beweis für die Kraft des
Werkes und des Spieles von Frl. Illing, daß selbst unter diesen widrigen
Umständen ein entschiedener Erfolg für die „Frau mit dem Dolche“ zu
Stande kam. Herr Schlaghammer hatte einen „eleganten Jüngling in
schwarzem Mantel“ zu mimen. Den schwarzen Mantel hatte er richtig an,
aber mit der Eleganz war es schwach bestellt. Besser als der moderne
„Hausfreund“ gerieth ihm der Amoroso des Cinquecento.
Auf bequemeres Terrain gelangten Regie und Schauspieler mit den
„Letzten Masken“ Hier excellirten die Herren Ziegel (Journalist), Marx!
(Schauspieler) und Botz (Weihgast). Und trotzdem der menschenfreundliche
Krankenhausarzt des wirklich ein bischen viel beschäftigten Herrn Schlag¬
hammer viel steifer als nöthig war, kam doch die düstere Stimmung des
Nachtbildes bedrückend ntark heraus. Den abschließenden Schwank endlich
gaben Fräulein Illing, die Herren Marx und Botz mit sprühender!
Laune. Sehr drollig war insbesondere Herr Marx als Clemens, aber doch
nicht ganz echt. Daß er einen Aristokraten und halben Antisemiten
repräsentiren soll, heißt auch entschieden zu viel von ihm verlangen. F.
seines Dichters, und Leonhard, ihr Anbeter, ein Stelldichein. Sie stehen
vor dem Bilde eines unbekannten Meisters, der „Frau mit dem Dolche“
die stier auf die Leiche eines von ihr gemordeten Jünglings blickt. Frau
Pauline, die unberechenbar capriciöse Dame, schaut der dolchbewehrten
Mörderin des Bildes auffallend ähnlich. Und als die Lebende die ge¬
malte Doppelgängerin näher betrachter, findet sie auch, daß der am
Boden liegende, vom Dolche durchbohrte Jüngling ihrem Leonhard gleicht.
Dem Paare dämmert eine traumhafte Ahnung empor, als hätten sie
schon einmal gelebt, sich schon einmal geliebt; die Schatten vergangener
Zeiten steigen herauf und in einer Vision tritt die im Bilde dargestellte
Sensationsgeschichte aus der Renaissancezeit sichtbarlich an die Stelle
der Gegenwart. Pauline wandelt sich zur Paola, Leonhard zum
Lionardo. Sie erleben ihr modernes Schicksal in der Variation jener
blutigen Zeiten. Die Vision nimmt ein Ende. Pauline und Leonhard
sind wieder in der Gemäldegalerie. Aber unter dem betäubenden Einfluß
des erotischen Traumes tritt jetzt bei Pauline entschlossene Gewährung
an die Stelle unentschlossenen Versagens. Mit der tnappen Abrede des
entscheidenden Rendezvons schließt das Bild, das seine eigenen, phan¬
tastischen Reize besitzt, aber unter der Subsumirung unter die Gemein¬
samkeit der Idee der „Lebendigen Stunden“ entschieden zu leiden hat.
Die kecke Schlußpointe verheißt zwar eine sehr lebendige Stunde, aber
eine von ganz anderer Art, als der Dichter ursprünglich meinte.
Nummer drei: „Die letzten Masken“ ist von einer theatralischen
Kraft, die an den „Grünen Kakadu“ erinnert. Sie spielt im Kranken¬
hause, zwischen Sterbenden. Der Eine ist Schauspieler, der andere
Journalist. Gegner im Leben, Freunde hier. Der kleine Mime trägt sich
mit Zukunftshoffnungen und studirt den Tod für die Zwecke des
Lebens. Der kleine Zeitungsschreiber weiß, daß er am Ende steht.
Er hat nur noch einen Wunsch, den, dem zum Ruhm gelangten
„Freunde", dem berühmten Antor Weihgast, seinen Haß, seine Ver¬
sachtung ins Gesicht zu werfen, ihm den Schimpf zuzuschleudern, daß er
im eigenen Hause der Betrogene gewesen ist. Schauspieler und
Journalist halten zusammen Probe, um die Einzelheiten der Seene
festzustellen. Ein bizarrer, kühner, aber doch mehr erklügelter, als
lebensaufrichtiger Einfall. Dann, als Weihgast kommt und seine eigene
Kampfmüdigkeit, seine nichtige Eitelkeit enthullt, gelangt jene Scene doch
Inicht zur Ausführung. Der sterbende Journalist erkennt, daß er glück¬
licher ist, als der lebende Dichter und verzichtet auf seine Rache. Diese
Wandlung hätte vielleicht noch schärfer motivirt werden können. Dafür
sentschädigt die meisterlich gegebene Krantenhaus=Schilderung mit den
haarscharf umrissenen Gestalten.
Nach diesen drei Tragödien kommt die Posse. Sie heißt „Litteratur“
zlund ist in ihrer Lustigteit geschlossener, als ihre drei ernsthaften Vor¬
asgängerinnen in ihrer Tragik. Charakteristische Eigenschaften unserer
großstädtischen Litteratur=Bohémiens werden mit zundendem Witz an
den Pranger gestellt. Margarethe ist ein jener Damen, die viel er¬
sieben müssen, um viel „dichten“ zu können. Als sie die gleichgestimmten
Genossen ihrer Erlebnisse satt hat, findet sie zur rechten Zeit den Sports¬
lman Clemens, der sich aus den Pferden mehr macht, als aus der
Litteratur. Margarethe will Frau Baronin und ordentlich werden, aber
ein bischen dichten möchte sie auch. Ihr neuester Roman soll die brief¬
lichen Ergüsse ihrer letzten illegitimen Liebesavemiure enthalten, natür¬
lich, ohne daß Clemens ahnen darf, daß jene Ergüsse echt sind. Aber
Gilbert, der Adressat und Schreiber der Briefe, hat ganz dieselbe geniale
Idee gehabt. Auch in seinem Romane sollen diese menschlichen
Solumente als Hauptstück paradiren. Dann müßte aber selbst ein
Clemens den pikanten Zusammenhang merken und so erkennt Margarethe
frechtzeitig die Gefahren des allzu aufrichtigen Litteraturbetriebes. Sie
swirft das letzte, verrätherische Exemplar der von Clemens aufgekauften
Auflage ihres Werkes ins Feuer und —
giebt damit dem künftigen
Gatten ein schönes Opferzeichen ihrer hingebenden, selbst auf litterarische
Ehren verzichtenden Liebe. Die kleine Farge ist voll amüsantester
Pointen und von A bis Z mit glänzendem Elan zu Ende geführt. Die
Gigerl der Aristokratie und der Bohème haben sich nicht zu beklagen.
Sie bekommen beide ihr vollgemessen Theil und zwar mit den doppelt
schmerzenden Hieben feinster Ironie.
Man sieht aus Allem, daß die scenische Wiedergabe der vier neuen
Schnitzlers kein leichtes Ding ist. Herr Niedt, der bisher bei Seite ge¬
standen hat, war für diese Aufgabe als Regisseur bestallt worden. Der
Abend setzte darstellerisch sehr matt ein. Grade der äußerlich anspruchs¬
loseste Act, die „Lebendige Stunden“ wurde am schwächsten gespielt. Der
Hausdorfer des Herrn Ziegel polterte allzu laut drauf los und Herr
[Schlaghammer war wohl für seine Verhältnisse ganz brav, vermochte
aber mit seiner Liebhaber=Routine der blasirten Melancholie des jungen
Dichters nicht beizukommen. Im zweiten Stück versagte die Regie oder
vielmehr die Splendidität der Direction. Die Scene spielt in einer Ge¬
mälde=Galerie. In welcher Stadt, sagt Schnitzler nicht. Aber beim Auf¬
gehen des Vorhanges wußte es jedermann. Das konnte nur die Gemälde¬
Galerie von Potschappel sein, dieses winzige Sälchen mit den windschiefen
Titelbild, das sich vermaß, Frl. Illing ähnlich zu sehen, erzielte
sa tempo, einen durchschlagenden Heiterkeits=Erfolg.
Auch die
zweimalige mysteriöse Verwandlung, bei der alles auf Schnelligkeit und
traumhaft verschwimmen de Illusion ankommt, mißglückte. Bei den eigenthüm¬
lichen Raum= und Lichtverhältnissen der Lobebühne wäre es richtig gewesen¬
die Metamorphose hinter einem deckenden, die scenischen Arbeiten ver¬
hüllenden Schleier vorzunehmen. Es ist ein Beweis für die Kraft des
Werkes und des Spieles von Frl. Illing, daß selbst unter diesen widrigen
Umständen ein entschiedener Erfolg für die „Frau mit dem Dolche“ zu
Stande kam. Herr Schlaghammer hatte einen „eleganten Jüngling in
schwarzem Mantel“ zu mimen. Den schwarzen Mantel hatte er richtig an,
aber mit der Eleganz war es schwach bestellt. Besser als der moderne
„Hausfreund“ gerieth ihm der Amoroso des Cinquecento.
Auf bequemeres Terrain gelangten Regie und Schauspieler mit den
„Letzten Masken“ Hier excellirten die Herren Ziegel (Journalist), Marx!
(Schauspieler) und Botz (Weihgast). Und trotzdem der menschenfreundliche
Krankenhausarzt des wirklich ein bischen viel beschäftigten Herrn Schlag¬
hammer viel steifer als nöthig war, kam doch die düstere Stimmung des
Nachtbildes bedrückend ntark heraus. Den abschließenden Schwank endlich
gaben Fräulein Illing, die Herren Marx und Botz mit sprühender!
Laune. Sehr drollig war insbesondere Herr Marx als Clemens, aber doch
nicht ganz echt. Daß er einen Aristokraten und halben Antisemiten
repräsentiren soll, heißt auch entschieden zu viel von ihm verlangen. F.