II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 397

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16. 1. Lebendige Stundenzykius
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# eiserner Nothwendigkeit nach dem in solcher
schon einmal, vielleicht in einem früheren Dasein,
###rrischen Komödianten verkörperte; der Aermstik
Stunde geschmiedeten Ringe weiter bildet und
gethau, gewisse Worte schon einmal gesprochen zu
ist viel kränkr als er weiß, binnen acht Tagen
formt, so wird uns oft erst ganz spät klar, daß
haben. Vor dem florentinischen Gemälde einer
wird er, nach Aussage der Aerzte, auch gestorben
grade damals der Wendepunkt des Lebens war,
Frau, in deren rechter Hand in Dolch blitzt, tressen
sein, aber jetzt scherzt er noch mit seinen Leidens¬
daß damals der Grund zum heutigen Glück oder
sich in der Kunstausstellung swei Liebende; sie, eine
gefährten und ist voll der schönsten Hoffnungs¬
Unglück gelegt ward. Dann treten die bestimmen¬
verheirathete Freu, wird von ihm, einem jungen
träume. Herr Brahm verstand es ganz wunder¬
den Einzelheiten, die unser Heil oder unser Ver¬
schönen Manne, mit Liebesanträgen bestürmt. Dem
bar, den Contrast zwischen der Lustigkeit des tollen
hangniß waren, mehr oder minder deutlich in der
Weibe, das an der Seite eines brutalen Gatten
Burschen und seiner Kränklichkeit anzudeuten; ein
Erinnerung hervor, und wir segnen oder verwünschen
nicht ihr Lebensglück gefunden, klingen die Worte
trockener Husten erschütterte den zitternden Körper,
jene Augenblicke, je nachdem die Zeit, die zwischen
des Verehrers wie Zaubermusik in den
fieberhaft glänzten die Angen, und ein mattes
einst und jetzt liegt, unser Gemüth mildern oder
Ohren, sie giebt seinen Bitten um ein
Geau bedeckte die eingefallenen Wangen. Herr
verbittern konnte. Weichere, schwächere Charaktere
Stelldichein, schon halb nach. Da fällt ihr
Montor gab dem eiteln Weigast die richtge
werden sich, zum Trost für erlittenes
Blick auf das Gemälde, und ihr Sinn umslort sich,
Färbung. Genau so muß dieser Mann des Zufalls,
Ungemach oder zur Entschuldigung für ver¬
wie von Geisterhänden fühlt sie sich davon getragen
dieses Gemisch von schwächlicher Gutmüthigkeit und
Wahn
hängnißvolles
dem
Handeln,
und in längst entschwundene Zeiten entrückt. Die
aufgeblasener Selbstschätzung aussehen und sich be¬
hingeben, daß sie jene Stunden anders, besser,
Bühne verdunkelt sich, und wie es wieder hell
nehmen. In kleineren Rollen wirkten sehr verdienst¬
hätten durchleben können, aber der Starke, klar
wird, sieht man das Paar in mittelalierlichem
voll die Herren Schroth und Andresen und
Denkende, sieht, daß sie nichts als das unabäuder¬
Gewande in einem altflorentinischen Gemach, wo
Fräulein Löge, deren verständnißvolles Spiel be¬
liche Ergebniß einer endlosen Reihe früherer That¬
sich Das abspielt, was in verschwommenen Formen
sondere Auerkennung verdient.
sachen bilden, und daß sie ihrem ganzen unsächlichen
gleich einer verwischten Erinnerung, durch den
Das jetzte Stückchen des Cyclus. „Litteratur" be¬
Zusammenhang gemäß so feste Form gewinnen
Geist der modernen Frau bei dem Er¬
nannt, ist ein Lustspiel. Abgesehen von schier unendlich
mußten, daß sie wie lebendige Wesen mit starker
blicken des Gemäldes huschte. Die Florentinerin
langen, wenig fördernden Unterhaltungen, ist das Ding
Hand in unser Geschick eingreiten konnten.
tödtet den kecken Maler Leonardo, der das Glück
recht spaßhaft. Gepieffert und gefalzen ist es frei¬
Diesem Gedanken entspringen die vier Einacter,
ihrer Liebe genossen. Wieder wird es dunkel, und
lich und nichts für empfindliche Gemüther, aber
die Schnitzler uns in ernster, mystischer, schauriger
wieder sehen wir die Bildergalerie mit den beiden
doch mindestens amusant — das entschuldigt viel!
und heiterer Ferne unter dem Gesammttitel „Le¬
modernen Menschen; die Frau erwacht aus ihrer
Eine junge Schriftstellerin, Margarethe, die auf
bendige Stunden“ bietet. Der erste Act, der den¬
Starrheit, und in dem festen Bewußtsein, daß dem
eine bewegte Vergangenheit zurückblicken kann, hat
selben Titel trägt, wie der ganze Cyclus, schildert
bestimmten Geschick kein Sterblicher auszuweichen
Aussicht, endlich in den Hafen der ruhigen Ehe zu
in einkönigen, wenig erfreulichen Farben, den Kampf
vermag, reicht sie dem Liebenden die Hand und
gelangen; der Baron Clemens verlobt sich mit ihr
zwischen dem ernsten, verbitterien Alter und der
gelobt. zum Stelldichein zu kommen.
und will sie bald heirathen. Da treten plötzlich
lebensfrohen Ingend. Die Mutter eines erfolg¬
Man kann das Stückchen nur als einen Scherz
ihre „lebendigen Stunden", durch den Dichter
reichen jungen Dichters, die in schwerer Krankheit
des Dichters hinnehmen, dem er, eigentlich über¬
Gilbert repräsentirt, auf und bedrohen ihren
dahinsiecht, hat sich selber ein schnelles Ende bereitet,
flüssiger Weise, einen so finstern Hintergrund
usschnitte
Frieden. Gilbert hat nämlich einst in München in
um in dem Sohn durch ihr Dasein nicht den Schaffens¬
gegeben. Herr Montor und Frau Doré gaben
zärtlicheren Beziehungen zu ihr gestanden, als es
Ausschnitt
drang zu ertödten; sie vertraut dies einem lang¬
dem merkwürdigen Paare Leben und Daseins¬
ihr jetzt zuzugeben lieb sein kann. Und außerdem
Nr. 9 jährigen Freunde, dem alten Hausdorfer, der sich
berechtigung; ihr Spiel war fein nuaneirt und
hat er noch die Unvorsichtigkeit begangen,
ihrer in schweren Zeiten in edelster Weise
frei von jeder Uebertreibung. Bedauerlich war
seinen ganzen Brieswechsel mit ihr seinem jüngsten
fersonalnachti gugenommen hat, durch einen hinterlassenen
nur, daß das in Frage kommende Gemälde der
Roman einzuverleiben; denselben Briefwechsel hat
Brief an, und hofft, daß ihr Sohn nie von dem
„Frau mit dem Dolche“ als Kunstwerk von äußerst
aber auch Margarethe in ihre neueste Dichtung
se 17.
Geheimniß Kunde erhalten werds. Aber in einer
zweifelhaftem Werthe erschien, das berechtigte
verflochten und so muß ihre Vergangenheit
erregten Aussprache zeigt der Alte dem Jungen
Heiterkeit hervorrief.
dem sehr peniblen Bräutigam aus der Lecture
laris, Rom, Stodl diesen Brief und glaubt dadurch, ewige Vorwürse
„Die letzten Masken“ führt uns in ein Kranken¬
beider Bücher völlig klar werden. Im
ins Gemüth des scheinbar zu leicht Getrösteten zu
haus, in dem der ganz heruntergekommene Jour¬
letzten Augenblick wird die Drucklegung glücklicher
senken; aber der Jüngling wälzt die Last der Ver¬
nalist Rademacher, von Herrn Nhil erschütternd
Weise verhindert, und die peinliche Situation löst
antwortung kraftvoll von sich, er empfindet deutlich,
und künstlerisch vollendet dargestellt, im Sterben
sich äußerst friedlich.
daß die lebendigen Stunden, die die Entschlafene
liegt; der Kranke hat es trotz großer Begabung zu
Der Dialog ist, von den vorerwähnten Längen
in das Herz des hochstrebenden Sohnes blicken
Nichts gebracht und muß nun hier elend zu Grunde
abgesehen, mit Witzen und scherzhaften Wendungen
lehrte, diese Opierthat gebieterisch von der Mutter
gehen. Er fühlt sein Ende und bittet den Arzt,
reich bedacht und bietet den Künstlern beste
forderten, und daß sein Gewissen durch keinen Vor¬
ihm den berühmten Dichter Weigost, seinen ehe¬
Gelegenheit zur vollen Entfaltung ihrer humori¬
wurf getrübt werden könne.
maligen langjährigen Freund, ans Schmerzenslager
stischen Gaben. Die Besetzung der Rollen gewährte
Uebermäßig interessant ist der Einacter nicht; die
zu rufen. Dieser Dichter ist ein seichter Gesell, den
von vornherein glänzendes Gelingen, denn bessere
Unterhaltungen sind viel zu lang, und die Idee
Glück und Geschicklichkeit so hoch empor getragen
Vertreter als Herrn Burg für Clemens, Fräulein
ist zu schwer aus dem Ganzen herauszuschälen.
haben, und diesem Menschen will der sterbende
Hönigsvald für Margarethe und Herrn Biensfeldt
Darstellung und Regie aber überboten sich in
Rademacher gern noch in letzter Stunde seine wahre
für Gilbert könnte der Autor wohl auf keiner
meisterhaften Leistungen. Die Herbststimmung der
Meinung ins Gesicht schleudern; als aber der Hei߬
Bühne finden.
Decoration mit dem fallenden Laub der absterbenden
gefehnte hereintritt, da packt den Kranken ein Ekel
Der starke Beifall galt vor Allem dem Wirken
Bäume war mit wundervoller Feinheit getrosfen,
vor der Jämmerlichkeit des Lebens mit allen Ent¬
der Künstler in allen vier Stücken; wirklich be¬
#nd Herr Forst als Hansdorfer, Herr Schroth
täuschungen und Ungerechtigkeiten — er schweigt
friedigen kann eigentlich nur das lette, und auch
und stirbt.
al* Sohn, Herr Stettner als Gärtner spielten
au
das nur, wenn es so tadellos, so wie aus der Pistole“
ihre Rollen ganz ausgezeichnet.
Hier scheint die Grundidee am wenigsten heraus¬
geschossen, in die Erscheinung tritt. P. Al. K.
Ein mir völlig unbegreiflicher Eutschluß der
gearbeitet zu sein. Was sini denn die lebendigen
Direction verheimlicht seit gestern den Namen des
Stunden? Etwa die, in denen der damals noch
r.
d
jeweiligen Regisseurs; deshalb kann sortab
gesunde Rademacher den eitlen, vertrauenden

nicht der Person sondern nur der Sache — der
Weigast mit seiner Frau betrog? Man sieht hier
Regie das Urtheil gelten; für den gestrigen
nicht den Zusammenhang mit den anderen Stücken,
Abend darf dies Urtheil als großes Lob für wirk¬
sondern nur eine sehr geschickte, fein berechnete
lich ganz hervorragende Thaten gespendet werden¬
Theatermache. Die Darsteller können sich übrigens
Stunden, die
nicht beklagen, denn sie haben außergewöhnlich
doppelt schade, daß Der, dem es zukommt, dem
eidend sind,
Publicum gegenüber im Tunkel bleiben soll.
gute Rollen vom Autor erhalten, und das
des ernsten,
„Die Frau mit dem Dolche“ illustrirt dramalisch
ist immer schon Etwas! Herrn Nhil's meister¬
nden Ober- den geheimnißvollen Vorgang in der Menschenseele,
hoftes Spiel ist schon erwähnt worden. Ferner
schehnisse sich der oft die Ueberzeugung vorspiegelt, gewisse Thaten verdient Herr Brahm höchstes Lob, der einen
einen Auszug enthaltena u
der Wiener Morgen¬
Preet und „Wiener Zeitüing)
Pelitische und wirthschaftliche
Kürze geboten vird. Diese Mu¬
Frschickt.