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16.1. Lebendige Stunden— Zuklus
hin und schüttelst es von dir ab? Was ist denn deine dreht sich die Bühne wieder zuruck ins 20. Jahrhundert
ganze Schreiberei, und wenn du das größte Genie bist, was und-
— das wiederverkörperte schuldige Paar trennt sich
euilleton.
ist sie denn gegen so eine Stunde, so eine lebendige Stunde, vor dem Bilde, dessen Geschichte wir nun kennen, mit dem
in der den Mutter hier auf dem Lehnstuhl gesessen ist und Versprechen, zu dem Rendezvous zu kommen. Wird Frau
zu uns geredet hat, oder auch geschwiegen —
aber da ist Pauline Hrn. Leonhard dann auch umbringen, wie sie es
Residenztheater.
sie gewesen — da! Und sie hat gelebt, gelebt!“ Heinrich
einst als Paola in Florenz gethan? —
hat keine Ahnung davon gehabt, der alte Jugendfreund der
Auch der dritte Einakter „Die letzten Masken“
ers „Lebendige Stunden“.
Mutter aber hat hn einen von dieser hinterlassenen Brief
ist eine sehr traurige Geschichte. Sie spielt im Wiener all¬
Sudermann oder vor ihm schon ein
lesen lassen, in dem das ganze Geheimniß stand, das dem
gemeinen Krankenhause. Ein alter, heruntergekommener
Einakter=Cyklus unter gemeinsamem
Sohne verborgen bleiben sollte. Heinrich, zuerst ganz ge¬
Journalist liegt im Sterben, er hat nur noch einen Wunsch
— seine Morituri? Gewiß ist, daß
brochen und voll Selbstvorwürfe und Anklagen gegen den
und keinen schönen: er will dem verhaßten, reich gewor¬
Schule gemacht hat. Arthur Schnitz¬
um zu leben und zu
indiskreten Freund, rafft sich auf —
denen Nebenbuhler vor seinem Ende nach lebenslanger
hzum zweitenmal: seine vier neuesten
„dichten“. Darauf sagt ihm Haushofer obige schön und
Verstellung noch seine Verachtung ausdrücken. Was er
nuar d. J. im Berliner Deutschen
wahr empfundene Worte. Das ist aber auch alles — eine
ihm alles sagen will, das erzählt er einstweilen einem
Hhaben sollen, haben den gemeinsamen
novellistische Skizze, nicht ohne psychologische Berechtigung
lustigen Spitalgenossen, während sein verhaßter Jugend¬
Unden“. Ich habe den Berliner
und Feinheit, aber ohne alle Berechtigung, „Schauspiel“
freund von einem mitleidigen Arzt rasch und in der Nacht
sehen, auf dem der gestrigen Mün¬
genannt zu werden.
geholt wird. Als dieser aber eintrifft und theilnahmsvoll
enur der erste Einakter den Titel
Noch geheimnißvoller und mystischer ist das zweite
fragt, was der kranke Freund von ihm wolle — schweigt
,und der naive, voraussetzungslose
Stück „Die Fraumit dem Dolche“, aber neu, wirk¬
dieser und ist nicht mehr zum Reden zu bringen. „Was hat
in zu rechnen der Autor berechtigt ist,
lich ganz neu ist der Einfall, dessen tieferer Sinn gestern
Unsereiner mit Leuten zu schaffen, die morgen noch auf der
kabe nicht gesehen hat, wird hier den
vielleicht einem Theile unseres Publikums verborgen ge= Welt sein werden?“
sagt er endlich und stirbt — es
so weniger vermißt haben, als nur
blieben ist, trotzdem unsere Drehbühne ein scenisches Arran¬
war seine „letzte Maske“.
elei eine allen vier Stücken gemein¬
gement dafür ermöglicht, das an anderen Bühnen nicht
In Berlin wie auch hier hat das vierte und letzte Stück
kit dem Namen „Lebendige Stunden“
gegeben ist. Eine untreue Frau gewährt ihrem vorerst
„Literatur“ am meisten gefallen. Warum? Es ist
raustüfteln kann. Daß ein Schrift¬
platonischen Liebhaber ein Stelldichein in einer Bilder¬
ein Lustspiel von starker Satire; das Publikum ist froh,
nbande den Titel der ersten Novelle
galerie vor dem aus dem 15. Jahrhundert von einem nach dem düsteren Eindruck des Vorhergegangenen herzhaft
lbezeichnung mitgibt, kommt schon
unbekannten Meister stammenden Bilde einer Frau mit lachen zu können und fühlt sich zugleich von allen Zweifels
diesem Sinne könnten wir allenfalls
dem Dolche. Sie fühlt sich seltsam zu dem Bilde hinge¬
Qualen entladen. Dies Lustspiel versteht Jeder; tiefsinnig
el „Lebendige Stunden“ acceptiren,
zogen — schwupps, auf einmal dreht sich die Bühne, wir
ist es nicht, aber nicht ohne Geist, und als Theaterstück ist
r. fast alle vier Stücke mehr novellisti¬
sind um vier Jahrhunderte zurück= und in ein Vers=Kostüm¬
es mehr werth als die drei anderen. In München hat
Natur sind, am meisten das erste der
drama versetzt, sehen dieselben zwei Personen vor uns (ein
Margarethe einen Wiener Sportbaron kennen lernen und
n Aufzuge“, das dem Ganzen den
kleines Verwandlungskunststück!) und der Schluß dieser
umgarnt, nachdem sie sich in der literarischen Boheme der
Namen, der selbst wieder erst einer Scene ist, daß Paola ihren Liebsten Leonardo wirklich mit
Isarstadt tüchtig herumgetrieben hat und daraus auch
dem Dolche ersticht, weil er ihr neben dem zurückkehrenden
nichts weniger als rein hervorgegangen ist. Ihr letztes
lebendige Stunden"? Der
Gatten unsagbar unwürdig und erbärmlich erscheint und
Abenteuer hat sie zu einem Roman verarbeitet. Da er¬
zu dem jungen „Dichter“ Heinrich,
sie sich der Schwäche einer Nacht schämt. Maler Remigio scheint der mit dem sie es erlebt, der richtige Dekadent, und
eine zu große Dosis Morphium ge¬
ergreift schnell den Pinsel und malt nach der grauenhaften will alte Beziehungen wieder anknüpfen. Die Situation
hr Stöhnen ihrem Sohne bei seinem
Gruppe, die sein Weib mit dem Dolche und der todte Jüng=wird bedenklich, insofern nämlich der Münchener Literatur¬
er lästig zu fallen: „Heinrich, vor ling bildet, sein angefangenes Bild „Die Frau mit dem jüngling ebenfalls einen Roman geschrieben hat, in dem
de Mutter noch gelebt, und du kannst Dolche“ fertig. Sehr wahrscheinlich, was? Aber wir der ganze Briefwechsel mit Margarethe gleichfalls ver¬
hat sie sich umgebracht, und du gehst haben keine Zeit, darüber nachzudenken, denn — schwupps, werthet ist. Wenn der Bräutigam=Baron daraufkäme!
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16.1. Lebendige Stunden— Zuklus
hin und schüttelst es von dir ab? Was ist denn deine dreht sich die Bühne wieder zuruck ins 20. Jahrhundert
ganze Schreiberei, und wenn du das größte Genie bist, was und-
— das wiederverkörperte schuldige Paar trennt sich
euilleton.
ist sie denn gegen so eine Stunde, so eine lebendige Stunde, vor dem Bilde, dessen Geschichte wir nun kennen, mit dem
in der den Mutter hier auf dem Lehnstuhl gesessen ist und Versprechen, zu dem Rendezvous zu kommen. Wird Frau
zu uns geredet hat, oder auch geschwiegen —
aber da ist Pauline Hrn. Leonhard dann auch umbringen, wie sie es
Residenztheater.
sie gewesen — da! Und sie hat gelebt, gelebt!“ Heinrich
einst als Paola in Florenz gethan? —
hat keine Ahnung davon gehabt, der alte Jugendfreund der
Auch der dritte Einakter „Die letzten Masken“
ers „Lebendige Stunden“.
Mutter aber hat hn einen von dieser hinterlassenen Brief
ist eine sehr traurige Geschichte. Sie spielt im Wiener all¬
Sudermann oder vor ihm schon ein
lesen lassen, in dem das ganze Geheimniß stand, das dem
gemeinen Krankenhause. Ein alter, heruntergekommener
Einakter=Cyklus unter gemeinsamem
Sohne verborgen bleiben sollte. Heinrich, zuerst ganz ge¬
Journalist liegt im Sterben, er hat nur noch einen Wunsch
— seine Morituri? Gewiß ist, daß
brochen und voll Selbstvorwürfe und Anklagen gegen den
und keinen schönen: er will dem verhaßten, reich gewor¬
Schule gemacht hat. Arthur Schnitz¬
um zu leben und zu
indiskreten Freund, rafft sich auf —
denen Nebenbuhler vor seinem Ende nach lebenslanger
hzum zweitenmal: seine vier neuesten
„dichten“. Darauf sagt ihm Haushofer obige schön und
Verstellung noch seine Verachtung ausdrücken. Was er
nuar d. J. im Berliner Deutschen
wahr empfundene Worte. Das ist aber auch alles — eine
ihm alles sagen will, das erzählt er einstweilen einem
Hhaben sollen, haben den gemeinsamen
novellistische Skizze, nicht ohne psychologische Berechtigung
lustigen Spitalgenossen, während sein verhaßter Jugend¬
Unden“. Ich habe den Berliner
und Feinheit, aber ohne alle Berechtigung, „Schauspiel“
freund von einem mitleidigen Arzt rasch und in der Nacht
sehen, auf dem der gestrigen Mün¬
genannt zu werden.
geholt wird. Als dieser aber eintrifft und theilnahmsvoll
enur der erste Einakter den Titel
Noch geheimnißvoller und mystischer ist das zweite
fragt, was der kranke Freund von ihm wolle — schweigt
,und der naive, voraussetzungslose
Stück „Die Fraumit dem Dolche“, aber neu, wirk¬
dieser und ist nicht mehr zum Reden zu bringen. „Was hat
in zu rechnen der Autor berechtigt ist,
lich ganz neu ist der Einfall, dessen tieferer Sinn gestern
Unsereiner mit Leuten zu schaffen, die morgen noch auf der
kabe nicht gesehen hat, wird hier den
vielleicht einem Theile unseres Publikums verborgen ge= Welt sein werden?“
sagt er endlich und stirbt — es
so weniger vermißt haben, als nur
blieben ist, trotzdem unsere Drehbühne ein scenisches Arran¬
war seine „letzte Maske“.
elei eine allen vier Stücken gemein¬
gement dafür ermöglicht, das an anderen Bühnen nicht
In Berlin wie auch hier hat das vierte und letzte Stück
kit dem Namen „Lebendige Stunden“
gegeben ist. Eine untreue Frau gewährt ihrem vorerst
„Literatur“ am meisten gefallen. Warum? Es ist
raustüfteln kann. Daß ein Schrift¬
platonischen Liebhaber ein Stelldichein in einer Bilder¬
ein Lustspiel von starker Satire; das Publikum ist froh,
nbande den Titel der ersten Novelle
galerie vor dem aus dem 15. Jahrhundert von einem nach dem düsteren Eindruck des Vorhergegangenen herzhaft
lbezeichnung mitgibt, kommt schon
unbekannten Meister stammenden Bilde einer Frau mit lachen zu können und fühlt sich zugleich von allen Zweifels
diesem Sinne könnten wir allenfalls
dem Dolche. Sie fühlt sich seltsam zu dem Bilde hinge¬
Qualen entladen. Dies Lustspiel versteht Jeder; tiefsinnig
el „Lebendige Stunden“ acceptiren,
zogen — schwupps, auf einmal dreht sich die Bühne, wir
ist es nicht, aber nicht ohne Geist, und als Theaterstück ist
r. fast alle vier Stücke mehr novellisti¬
sind um vier Jahrhunderte zurück= und in ein Vers=Kostüm¬
es mehr werth als die drei anderen. In München hat
Natur sind, am meisten das erste der
drama versetzt, sehen dieselben zwei Personen vor uns (ein
Margarethe einen Wiener Sportbaron kennen lernen und
n Aufzuge“, das dem Ganzen den
kleines Verwandlungskunststück!) und der Schluß dieser
umgarnt, nachdem sie sich in der literarischen Boheme der
Namen, der selbst wieder erst einer Scene ist, daß Paola ihren Liebsten Leonardo wirklich mit
Isarstadt tüchtig herumgetrieben hat und daraus auch
dem Dolche ersticht, weil er ihr neben dem zurückkehrenden
nichts weniger als rein hervorgegangen ist. Ihr letztes
lebendige Stunden"? Der
Gatten unsagbar unwürdig und erbärmlich erscheint und
Abenteuer hat sie zu einem Roman verarbeitet. Da er¬
zu dem jungen „Dichter“ Heinrich,
sie sich der Schwäche einer Nacht schämt. Maler Remigio scheint der mit dem sie es erlebt, der richtige Dekadent, und
eine zu große Dosis Morphium ge¬
ergreift schnell den Pinsel und malt nach der grauenhaften will alte Beziehungen wieder anknüpfen. Die Situation
hr Stöhnen ihrem Sohne bei seinem
Gruppe, die sein Weib mit dem Dolche und der todte Jüng=wird bedenklich, insofern nämlich der Münchener Literatur¬
er lästig zu fallen: „Heinrich, vor ling bildet, sein angefangenes Bild „Die Frau mit dem jüngling ebenfalls einen Roman geschrieben hat, in dem
de Mutter noch gelebt, und du kannst Dolche“ fertig. Sehr wahrscheinlich, was? Aber wir der ganze Briefwechsel mit Margarethe gleichfalls ver¬
hat sie sich umgebracht, und du gehst haben keine Zeit, darüber nachzudenken, denn — schwupps, werthet ist. Wenn der Bräutigam=Baron daraufkäme!