II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 490

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lebens nachzuspüren versteht. Doch als dieser Mann —
ist Schnitzler bereits bekannt. Eine neue Offenba¬
rung, den Widerschein eines neuen Feuers hat man
erwartet und ist enttäuscht. Schnitzler ist der Alte
geblieben. Ironie und Resignation wechseln in bun¬
ter Aufeinanderfolge, eine schimmernde Oberfläche,
hinter der soviel aber auch nichts verborgen sein
kann.
Der erste Einakter — der Inhalt der vier Ein¬
akter würde bereits in unserer letzten Nummer be¬
sprochen — ist ein Feuilleton aber kein Schau¬
spiel. Der Dichter, der mit seinem Seelenschmerz
sich ins Reich der Phantasic flüchtet. und der Phi¬
lister, dessen Weltanschauung von heut auf morgen
beide treten einander gegenüber. Das
reicht
Stück fiel trotz des ausgezeichneten Spieles der Her¬
ren Ott und Recke und trotz der geschickt nachhel¬
fenden Regiekunst des Herrn Direktor Lechner
ab. „Die Frau mit dem Dolche“ hat auf)
das Publikum leider nur verblüffend gewirkt. Dies
Traumszene ist nicht genügend motiviert. Die tie¬
fen Gedanken des Vor= nd Nachspieles können da¬
her nicht so wirken, wie man es erwarten sollte.
Frau Förster hatte als Pauline Gelegenheit,
alle Register ihres reichen Könnens anzuschlagen.
Und wie sie dieselben anzuschlagen verstand. Da gab
es keinen Mißton. Ein Anschwellen und Verklingen
immer derselben Tonfolge, vom zartesten „Pia¬
nissimo“ bis zum gewaltigen Forte. Herr Wer¬
sner=Eigen konnte als Leonhard nicht sonder¬
lich erwärmen. Es liegt etwas Fremdes, Frostiges
in seinem Wesen, das aus jeder seiner Bewegungen,
aus jedem seiner Worte dem Zuhörer entgegen¬
starrt. Vielleicht sind wir verwöhnt, vielleicht sind
lwir dem Anfänger gegenüber mehr empfindlich und
halten ihm manches für übel, was bei anderen als
„Hervorkehren der Individualität“ anstandslos ge¬
billigt würde. Allein Herr Werner=Eigen wird die¬
sen Empfindungen Beachtung schenken müssen. Flei¬
ßig studieren, die Provinz abstreifen und mehr das
innere Gefühl sprechen lassen; dies sei für die Zu¬
kunft Herrn Werner empfohlen. Ein stattlicher,
Remigio war Herr Rittig.
„Die letzten Masken“ wirkten gerade¬
zu abstoßend. Alles Theater, gemacht vom Anfan¬
ge bis zum Ende. Gern würde man die Kranken¬
hausszene über sich ergehen lassen, wenn auch nur
ein Wort, eine Figur bezeugen würde, daß Schnitz¬
ler aus den tiefsten Tiefen menschlicher Seelenre¬
gungen geschöpft hat. —
Die Herren Teller und
[Frank haben diesem Schauspiele auf die Beine
geholfen. Oohne deren bis in die kleinsten Details
ausgearbeitetes und sicheres Spiel wäre ein Inte¬
resse für diesen Einakter nicht zu finden gewesen.
Herr Albin hat mit der Rolle des Weihgast dem
richtigen Typus dieser Literatensorte nicht be¬
sonders glücklich getroffen. Sein Weihgast ließ zu
wenig Aufgeblasenheit, zu wenig bornierten Hoch¬
mut erkennen. Frau Wiesner und Herr Reckeg
taten in kleineren Rollen mit.
Mit dem Einakter „Literatur“ hat Schnitz¬
ler unstreitig wie überall so auch gestern den grö߬
ten Erfolg des Abends sich errungen. Derlei Typen,
wie sie in diesem Lustspiele auftreten, laufen zu du¬
itzenden in den Großstädten herum. Allerdings Wie¬
ner Humor hat Herr Schnitzler nicht. Eine äußerst
gelungene Figur in Maske und Spiel bot Herr
[Charle als Schriftsteller Gilbert. Herr Wer¬
Iner=Eigen brachte einen faden Aristokraten!
glücklich zur Geltung, allerdings lief er bei seiner
Auffassung der Rolle Gefahr, monoton zu werden.
Frau Förster half sich mit der ihr eigenen Ele¬
ganz und Sicherheit über die seichten Stellen, die
der Darstellerin der Margarethe äußerst gefährlich
werden können, glücklich hinweg. Mit der Wiener
Mundart sich auf vertrauteren Fuß zu stellen, muß
Mrau Förster sich noch angelegen sein lassen. Die
Aufnahme der Einakter war sehr kühl. Die Darstel¬
ler, sowie Herr Haller als einer der Spielleiteri
wurden gerufen.
Dr. F.
Telephon 12801.
Alex. Welgl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
Nr. 30
„OBSERYER
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
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— Filiale in Budapest: „Figyelö“
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Ausschnitt aus:
Brünner Zeitung
vo 4 7 70 2-
(Dier Einatter von Artur Schnitzler: „Le¬
bendiaeStunden“, „Dießrau mitdem Holche¬
„Die letzten Masken“, „Literatur.“] Gestern
fand die Erstaufführung einer Reihe von Schauspielen
auf unserer Bühne statt, die sämmtlich aus der Feder
Artur Schnitzler's herrühren. Sie tragen alle die
bekannten Vorzüge des geistreichen Causeurs an sich,
und so ist es eigentlich überflüssig zu bemerken, daß jjuclusive
die Diction glänzend und elegant ist. Dies kann man
Für
besonders von dem Schauspiele: „Die letzten Zahlbar
Porto.
[Masken“ und dem geistsprühenden Lustspiele „Lite=m Voraus.
lratur“ sagen. Die Aufführung aller vier Stücke war
sehr gelungen, und sowohl die Darstellung als auch itte ist aus

die Regie, die abwechselnd vom Herrn Director jsteht es den
[Lechner und Herrn Haller geführt wurde, ver=sdern.
Abon hienen alles Lob. Das Publikum, das recht zahlreich
Abonv erschienen war, folgte mit Interesse den einzelnen sithaltend die
Darbietungen und kargte nicht mit dem Beifalle, deriger Zeitung")
Morgen¬
Inha
sowohl dem Dichter wie den Schauspielern galt. Von ixthschaftliche
den letzteren heben wir die Leistungen des Herrn Ottia. Diese Mit¬
wod
Recke, Rittig und Albin hervor. Eine besondere
Leh
Anerkennung verdienen jedoch wegen der charakteristisch!
the
durchgeführten Rollen die Herren Teller, Frank und
Charlé. Herr Werner=Eigen erwies sich in dem
Schauspiele „Die Frau mit dem Dolche“ als un¬
zulänglich, er gab den Part ohne das Feuer, das hier
so nothwendig ist; in dem Lustspiele stellte er jedoch
vollkommen seinen Mann. Frau Förster erwarb
sich als „Pauline" (Die Frau mit dem Dolche)
und als „Margarethe“ (Literatur) durch ihr tempera¬
mentvolles und fein nuanciertes Spiel den lauten
Beifall des Publikums, und auch Frau Wiesner
verstand es, die kleine Rolle der Warterin „Juliane
Paschanda“ in dem Schauspiele „Die letzten Masken“
zur Geltung zu bringen. Dievier Einakter haben
sowohl dem Autor wie den Därstellern verdiente
Auerkennung und Erfolg gebracht.
8.
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