II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 493

box 21/3
16.1. Lebendige Stunden zvkius
ihre zweckvolle Grausamkeit opfert wie immer in solchen großen, gewaltigen, herrlichen Sünde. Nur einen Augen= Einheit. In den Versen des
Kämpfen den Einzelnen. Es gibt manche, in denen ist das blick, in dem sie fern ist von allen selbstsüchtigen Hinterlisten mentare Wucht und Leidenschaft
Bewußtsein ihrer „Sendung“ groß und mächtig. Die opfern des Künstlers, von seinen beobachtenden Augen und abmessen= berauschendem Vollmenschentum.
klaglos ihre lebendigen Stunden und verlangen das gleiche den Händen. Und diesem Verhängnis vermag sie nicht zu ent¬
mit einem sprühenden Feuer vor
von allen anderen. Das sind die Menschen von der Art des rinnen. Der Mann, von dem sie ihre lebendige Stunde em¬
Maske, auf der schwanken Gr
Heinrich und des Meisters Remigio. Andere aber haben den
pfängt, ist ihr gleichgültig. Es wer Lionardo. Es ist Leon¬
Weibchen hin und her pendelnd,
Instinkt des Einzelnen in sich. Die wollen sich ihr Leben nicht
hard. Es könnte aber eben so gut auch ein anderer gewesen
tänig, großartig, sich und ihre
schmälern lassen und hassen den Künstler ... Hausdorfer
sein oder sein. Darum ist er ihr nichts mehr, nachdem sie ihr
sierend, buntschillernd wie eine ##
und Leonhard. Andere werden haltlos von beiden Kräften
Begehren gesättigt hat. Sie vermag ihn in Ekel und Ent¬
Wort, ein Weib von Schnitzle##
hin= und hergeschleudert. Bald wollen sie leben, bald wollen
rüftung zu töten.
Rundung der Rolle mag ihr an
sie schaffen. Das sind die komischen Menschen der „Literatur“
Journalist Rademacher zur Sei
Hier hat Schnitzler eine psychologische Feinarbeit von
(Margarete). Bis endlich der Tod sie erkennen läßt, wie nich¬
seltener Art geliefert. Es liegt eine Inkongruenz darin, daß
die Figur dieses Sterbenden zu
tig der ganze Streit ist. (Rademacher.) Schnitzler hat uns
Es war ein erschütterndes Verze
das nach den natürlichen Gesetzen nur einen Augenblick
durch das zweite Stück: „Die Frau mit dem Dolche“ einschär¬
dauernde visionäre Erlebnis zu einer breiten Szene wird.
aus Ekel, ein Verzicht auf die
fen wollen: Dieser Kampf ist ein entscheidendes Merkmal aller
Aber das wird fast nicht empfunden, so meisterhaft ist ihre
sondern aus Verachtung. Nur
starken Zeiten. Damit hat er die Idee von der „Wiederkehr
Vorbereitung und ihr Ausklang.
und Erleben vermag ein solche
des Gleichen“ verknüpft. In Pauline ruht von den Eindrücken
Die Sprache dieser Einakter ist die lebhafte, leichte und
In dem Einakter „Die letzten
der Gegenwart verdeckt, unter der Schwelle des Bewußtseins
natürliche des früheren Schnitzler. Doch spricht eine Vertie¬
glücklichen Vollendung geführt.
die Erinnerung an ein früheres Leben. Es war die Zeit, da
Schauspieler Jackweith die ergr##
fung und Ernsthaftigkeit in der Erfassung der Probleme aus
man sich schöner trug als heute, eine Zeit, in der sie Paola
ihnen, die weit über ihre Vorgänger — ein Witzbold hat ein¬
lächelnden Totentanzes, die Di
hieß und der Schüler ihres Gatten, Lionardo. Diese innerste
mal etwas von „anatolischen Bahnen“ gesprochen — hin¬
schlusses. Als Wärterin Paschl
Verwandtschaft mit der italienischen Renaissance deutet sich
ner, als Dr. Halmschläger Her
ausreicht und hinaufreicht. Wir teilen Schnitzlers Anf.
an ihrer Abneigung vor den Deutschen und Niederländern
nicht, denn wir glauben an die Einheit von Kunst und
sehr braven Remigio in der „Fl
und ihrem Heimatsgefühl bei den Italienern. Rein äußerlich
, als Dr. Tann, Herr Rech
Leben und wir wissen um sie. Aber diese traurige und
ist die Verbindung durch die Bemerkung hergestellt, daß ihre
ernste Verneinung ist uns ein Kennzeichen ehrlicher Künstler¬
„Lebendigen Stunden“ durch ver
Mutter aus Florenz stammt. Sie ist eine jener seltenen Per¬
vorragend — und Herr Ott als
arbeit. Als fast einwandfrei sei die Aufführung des dritten
sönlichkeiten, in denen ein rückschauendes zweites Gesicht wie
und vierten Einakters hervorgehoben. „Die Frau mit dem
erwähnt zu werden. Als Weih
eine latente Kraft verborgen ist, die nur eines kleinen An¬
Dolche“ litt ein wenig unter den ungeheueren szenischen
bin durch feinste Durchführung
stoßes zur Außerung bedarf Der Anstoß ist das Bild jener
Schwierigkeiten. Die Leistungen des Herrn Haller als
cierung seiner schwierigen Rolls
Paola, die sie selbst in der Vergangenheit war. In einer blitz= Regisseur waren außerordentlich brav. Aber diese Verwand¬
Effekte äußerst angenehm aus.
schnellen Vision zieht die entscheidende Szene jenes früheren
bert in der vorzüglichen Mas
lung wird mit der erforderten Schnelligkeit nur auf einer
Lebens vor ihrem Bewußtsein vorüber. Das Weib des
köstlichen Blasiertheit und der
Drehbühne vor sich gehen können. Auch Herr Direktor Lech¬
Künstlers Remigio liebt, bewundert und vergöttert ihren Gat¬
ner hat für den ersten und den vierten Einakter eine prächtige
Künstlers. Herr Werner=E
ten. Aber in all diesen Entzückungen ist eine leise Bitterkeit,
Stimmung geschaffen. In dieser letzten Erstaufführung der
frostigen Anfang in der „Frau#
ein grausam=süßes Mißtrauen daß sie ihm vielleicht nichts
heurigen Spielzeit haben wir fast durchwegs vollwertige Lei¬
auszugehen und gegen Ende der
ist, als Gelegenheit und Modell zu seinem Schaffen. Und als
stungen zu verzeichnen. Im Vordergrunde des Interesses stand
werden vermocht. In „Literat#
ihr Leonhard das so brutal ins Gesicht sagt, da entgegnet sie
lich den Ton des Aristokratenm
die Frau mit dem Dolche und die Margarethe der Frau För¬
mit schmerzlich=stolzer Resignation: „Vielleicht hat mein gan=ster. Es gelang ihr, die seltsamen und unerhörten Vorgänge
den und dem ungepflegten Geh
zes Leben gar keinen anderen Sinn gehabt.“ Aber es ist ein in der Seele der Paola — nennen wir sie so, weil sie ihre knöpfte Natur fand er in sich
unterirdisches Sehnen nach einer „lebendigen Stunde“ in Pauline mit richtiger Erfassung aus ihrem Vorleben herausführung fand eine Aateilnahme
ihr. Nach einem Mann, der sie mit wilder Kraft umarmi, darstellte — widerzuspiegeln. Ihr Gegenwartsleben und die steigerte und in dem stürmisch
weil sie ein schönes Weib, nichts als Weib ist. Nach einer visionäre Hellsichtigkeit ihrer Pfyche verschmolzen zu einer den Höhepunkt erreicht##