II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 506

16.1. Lebendige Stunden zyklus
Hand — dem rächenden Schicksal nicht als Gefesselte, nein als
Dabei enthält das letzte
Literatur“, die pure
Aber, wie gesagt:
Giganten unsern Sühneweg vorzeichnen.
Was kann man aus dieser dramatischen Geheimnißthuerei nicht
Pebens: Es zeigt uns des
Des puren
alles herauslesen? Chac’un à sa facon
ellsten Lichte. Der Dichter
Curiosums halber bemerke ich, daß ein bekannter Berliner
Clemens und Gilbert im
College „Die Frau mit dem Dolche“ als eineroische Vertheidigung
den im buntgewürfelten,
der — Seelenwanderung“ aufgefaßt wissen wollte! Wie gesagt:
: Das Ganze enthält
Die Inscene dieses Frage¬
Jeder nach seinem Geschmack!
unde. Das ganze bischen
zeichen=Opus stellt den Regisseur vor beinahe unerfüllbare Bedingungen.
baut sich vielmehr auf
Arthur Eggeling kam einer solchen Erfüllung nur theilweise
nahe. Das Bild der „dolchenden“ Frau, eine Kieckserei im
aauf deutsch, daß auf Erden
verballhornten „Jugend=Stil, athmete jede andere Kunstrichtung,
in meisten verlogenen sind.
nur nicht die des Venetianers Pa'ma il Vecchio, dessen Farbenzauber
Wahrhaftigkeit auf
geradezu sprichwörtlich wurde. Was man im „Schauspielhause“ an die
ichts weiter dar, als eine
Wand nagelte, mochte in Borsdorf oder Taucha das Licht der Welt er¬
er mächtigen Stunden=Uhr,
blickt haben: Es machte sich in seiner künstlerischen Geschmacklosigkeit
einfach brutal. Hier muß die Regie durchaus auf Remedur
m wenigsten spruchreif, er¬
dringen, will sie sich nicht in Zukunft den herbsten
sich nochmals den Titel
kritischen Anzapfungen ausgesetzt sehen.
wird des Lebens voll¬
wurde das Dramvlett recht gut. Elisabeth Anders hätte vielleicht etwas
jestellt, was sonst der Erde
natürlichere Töne anschlagen können, sie verhalf aber dem Dämonenhaften ihrer
eit, daß absterbendes
Paola mit großem künstlerischen Geschick zu vollem Ausdruck. Mar Brückner
den Schaffensdrang raubt,
spielte seinen Leonhard, der sich dann in einen Lionardo verwandelt,
verliehen. Und der Dichter
mit viel Wärme. Nur stört es mich, daß der strebsame Künstler, um
Satze: Schwindet das
den etwas jugendlich=lichten Timbre seines Organs zu verschleiern, seiner
ndere im Siegeslauf, so
Vocalisirung immerfort eine manirirt dunkle Färbung aufträgt, die für
bens=Torso, . werde zum
die Dauer recht unnatürlich wirken muß. Jean Hofmann ver¬
zur „lebendigen
lieh seiner kleinen aber bedeutungsvollen Rolle das vom Dichter geforderte
Martyrium zur Qual
Imponderabile.
schaffen an. Deine
mmen ließest, wird Deinen
Als dritte Darbietung folgt im Cyclus „Die letzten Masken“.
endigen“ Stunden im
Ein bühnenwirksames Drama von reichlicher Handlung. In der Er¬
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ommt im Drama, von
findung nicht eben bedeutend. Im Colorit wohlgelungen. Die Handlung
gück. Selbst die beste Dar¬
spiegelt diesmal allerdings eine „lebendige Stunde“ wieder: Den
atsache. Also mache ich es
letzten, großzügigen Persönlichkeits=Ausbruch eines schiffbrüchigen Jour¬
Willi nicht weiter zum
nalisten, der in seiner Todesstunde einen „glücklicheren“ Rivalen durch
kaum zu einem Achtungs¬
ein paar Worte vernichten könnte. In diesem machtvollen „könnte“
liß das nächste Mal bei der
liegt hier das riesenhafte Moment des „Lebendigen“. Daß der Sterbende
eren Hintergrund sorgen.
dieses „könnte“ nicht im voll=unheimlichen Umsange ausbeutet, giebt
dem Ganzen einen versöhnenden Schluß. Wir haben noch außerdem —
gewährte besonders dann
das be¬
tenmann in „flammende“.
gerade beim Anblick dieses weltverlassen Dahinsterbenden —
ruhigende Gefühl, daß eine „lebendige“ Stunde keinem Irdischen versagt
bleibt: Die Todesstunde... Die Darstellung stand in diesem
nt Arthur Schnitzler sein
Stücke auf glänzender Höhe. Ernst Bornstedt schuf als verkommener
kamatische, nein auch eine
Zeilenschreiber eine Musterleistung, der sich Robert Forsch mit seiner
diesem mystischen Sammel¬
liniensicheren Interpretation des cynisch=welterhabenen Mimen Jackwerth
was der Dichter selber gar
würdig anschloß. Lothar Mehnert in einer Maske, die mich verteufelt
ler und weiß, daß ihm der
an den Wiener Schriftsteller und Kritiker Hermann Bahr erinnerte,
wenn er sich als Dichter
mimte seinen ebenso blasirt=weltmüden wie eitlen Weihgast virtuos.
st man versucht, gerade
In kleineren Rollen bewährten sich Georg Wittmann, Bernhard
moletts einen steinfesten
Wildenhain und Agnes Wenkhaus.
ischen Andeutungen weiter
Das abschließende Lustspiel „Litteratur“ den Leipzigern vom
Schluß: „Lebendig“
letzten Winter her aus einer Matinée bekannt, wurde in diesem Blatte
nißvoll gähnende Klüfts
bereits gewürdigt. Es zeigt Schnitzler's lebenswahren Humor im besten
ischen Seins erst dann
Lichte und errang gestern Abend dank der vorzüglichen Darstellung leb¬
henleben aufs Spiel
vollen Lebens=Genusse
haften Beifall. Margarethe Frey, an deren außerordentlich feinsinniger
mit dem Dolche in der Kunst ich keine Minute zweifelte, mimte ihre Margarethe mit einem sicherem
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Stich in die Charge, der hier ganz ebenso angebracht ist wie bei ihren
männlichen Partnern. Daß Lothar Mehnert und Arthur Eggeling¬
in ihren Rollen ein paar Glanzleistungen schufen, betone ich nicht weiter.
Beide Künstler hoben im Bunde mit Margarethe Frey einen echten
Schnitzler aus der Taufe: Wohl ihm!
Das gutbesetzte Haus zeigte sich nach den beiden ersten Stücken reser¬
virt. Opposition gab's nicht. Dazu sind die Sachsen zu „gemüthlich“.
Ich selber hätte mich ja gefreut, wenn Schnitzler Nr. 1 und Nr. 2 etwas
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deutlicher abgelehnt worden wären. Weil im Wiener Meister ein
Talent steckt, das sich unmöglich in symbolistischen Kleinkram verlieren
darf, soll uns Mitlebenden nicht ein großer Wurf aus Schnitzler's
genialer Feder ein für alle Male vorenthalten bleiben. Schnitzler
muß sich endlich einmal sammeln. Was aber bläst deutlicher
zu solch einem „Sammeln“, als ein unzweideutiges Fiasko?
Ein Besuch des Cyclus „Lebendige Stunden“ ist jedem
Freunde guter litterarischer Kost zu empfehlen. Bot uns Schnitzler
auch keine Meisterwerke, so stehen wir doch vor Schöpfungen.
die uns deutlich predigen: Es wandeln noch immer Dichter unter der —
Sonne.
Artur Pleisener
* Stadttheater. (Direction Staegemann.) Neues Theater.
Heute: Der Bajazzo“, hierauf: „Die Puppensee“, zum Schluß:
„Die schöne Galatyea“. — Altes Theater. Heute: 5. volksthüm¬
liche Vorstellung zu halben Preisen: „Der Heerohme“. (Das inter¬
essante, von der Stimmung des großen Jahres 1870 durchwehte
Werk hatte wie bei der Erstaufführung hier so auch kürzlich am
Berliner Lessing=Theater einen glänzenden Erfolg.) — Morgen
geht im Neuen Theater die vieractige Lustspielnovität „So leben
wir“ von L. Leipziger erstmalig in Scene, besetzt durch die Damen
de Lalsky, Göricke, Volewska, Dalldorf und die Herren Hänseler
(gleichzeitig Regisseur der Vorstellung), Schuy, Huth, Hahn und
Heyse. — In der morgen im Alten Theater stattfindenden ersten
Aufführung von Anzengruber's Bauerncomödie mit Gesang
„Die Kreuzelschreiber“ sind beschäftigt die Damen Jurberg, Buse,
Huth, und die Herren Heine, Demme, Haas, Sukfüll, Sturmfels,
Greiner, Walter, Röbbeling und Sternberg. Die Inscene leitet
Herr Regisseur Haas.
Leipziger Schauspielhaus. (Direction Hartmann.) Suder¬
mann's „Ehre“ wird heute, Mittwoch, wiederholt, und am
Donnerstag findet eine Aufführung des so beifällig aufgenomme¬
nen Lustspiels „Liselott“ statt. Bei kleinen Preisen erscheint im
Freitag=Abonnement „Emilie Galotti“. Es sei an dieser Stelle
betont, daß die Abonnenten bei den nächsten Gastspiels=Vor¬
stellungen zu erhöhten Preisen nichts nachzuzahlen haben, wodurch
der Ausgleich, wenn sie dann und wann eine Vorstellung zu
kleinen Preisen haben, geschaffen ist. Die erste Wiederholung
von „Lebendige Stunden“ bringt der kommende Sonnabend und
die nächste Aufführung „Die Schmetterlingsschlacht“ findet Sonne
tag Abend statt.
Generalmusikdirector Fritz Steinbach ist einstimmig zum
Capellmeister des Conservatoriums und Leiter der Gürzenich¬
concerte in Köln an Stelle Franz Wüllner's gewählt worden.