II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 533

imer
telle, di
Gesprächen findet mun ein
beweise des bekannten Goethe'schen „Egoismus“ heran¬
gezogen wird. Die Nachricht vom plötzlichen Tode des
geliebten Sohnes in Itatien ist eben nach Weimar ge¬
langt. Eckermann, von dem Schrecken noch ganz der
inclusive
wirrt, wagt es kaum, an diesem Tage zu Goethe zu gehen,
Porto.
Zahlbar
aber er findet den Meister wie immer; im Lehnstuhl,
im Voraus.
neue Revnen durchblätternd, mit dichterischen Plänen be¬
schäftigt. „So lange wir leben, wollen wir nicht rasten“ e ist das
dieses, das Goethe'sche Wesen ausdrückende Wort gibt zu= cht es den
ern.
gleich die immer giltige Formel des Künstler=Menschen,
zumal des apollinischen Künstlers, dem jedes Erlebnis,
altend die
Korgen¬
auch der Tod, sogleich zur gestaltenden Betrachtung wird.
Zeitung")
Der Drang zum Leben, der sich beim Künstler an jedem
aschaftliche
neuen Werke immer wieder leidenschaftlich entfacht, so daß Diese Mit¬
er immerwährender Jugend teilhaftig wird, wie die Frau,
sobald sie sich von neuer Empfindung beglückt fühlt: dieser
Trieb zur unerschöpflichen Lebensbejahung scheint den
jungen Dichter in dem Dramolet, das dem Schnitzler'schen
Cyklus den Namen gibt, zu erfüllen. Man denkt an ge¬
wisse Briefe des jugendlichen Kleist, in denen sonst ver¬
schwiegenste Dinge laut werden. „... Mein Werk, ich
hüt' es heimlich wie ein Kind beim Schein der Lampe:
„Ich will sterben, wenn mir dies gelungen ist: ein Ge¬
dicht und eine große Tat . . .“. So furchtbar wirkt
dieser Trieb in Jedem fort, der einmal davon besessen
Telephon 12801.
wurde! Stärker noch als jene beiden elementaren Lei¬
denschaften, Hunger und Liebe, treibt die Kraft, zu ge¬
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
stalten! Es gibt für die lebendigsten, die Künstler=Meu¬“
NeIO
Dee Ausschnitt
schen, nur ein Glück: ihr Werk zu beenden, nur ein
93 „OBSERVE.
900
Qual: daran behindert zu sein. Bis zum Tode und
Nr. 29
darüber hinaus wächst diese Sehnsucht. Wer die einzige
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Bedingung seines Daseins, die Lebendigkeit der geheimnis¬
Wien, I., Concondiaplatz 4.
vollen „Dämonen“ seiner inneren Welt gehemmt fühlt,
Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom,
wird jedes Opfer der Liebe, das diese Kräfte, diese allein,
Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
erwecken will, bis zur Grausamkeit als selbstverständlich
empfangen („Lebendige Stunden“). Jedes persönliche Ge¬
fühl wird in dem von einer künstlerischen Sorge Be¬
Ausschnitt aus:
wegten nur ein Motiv („Die Frau mit dem Dolche").
Sonn- u Montags-Conrien, Eian
Selbst im Tode regt sich die Sorge um das durch die
Widrigkeit der äußeren Existenz nicht vollendete Werk („Die
vom: 1700)
letzten Masken“). Bis zur Karikatur vermag sich dieser
ursprünglich reinste Wille in der trüben Atmosphäre un¬
serer literarischen Wirklichkeit zu verzerren („Literatur").
Das also scheint mir beiläufig das Gemeinsame dieser
kleinen Dichtungen: sie wollen die fast grauenhafte Ge¬
walt des Kunstinstinkts, des mächtigsten Impulses an vier
Exempeln zeigen. Daneben soll deutlich werden, daß der
Kunst und Literatur.
„Taten=Mensch“, als Widerspiel des Künstlers, diesen nie
Deutsches Volkstheater.
verstehen wird, daß er ihm selbstsüchtig oder lächerlich
„Lebendige Stunden“ von Arthur Schnitzler. Von
erscheinen muß (so empfindet der Hofrat in den „Leben¬
Spreeathen kamen die letzten dichterischen Sprößlinge Schnitzlers
auf den Weghuberpark. Herr Direktor Weisse sah ein, daß dem
digen Stunden“ den Poeten, der Liebhaber der „Frau
größten Wiener Dramatiker unter selbstverständlichem Vortritte der
mit dem Dolche“ den Ehegatten, der Baron seine Ver¬
Herren Engel, Horst und Hirschfeld ein lauschiges Plätzchen im Re¬
lobte aus der „Literatur"). „Es führt keine Brücke vom
pertoire gebühre. Die Darstellung bewies aber, wie gleichgiltig ihr
Leben zur Kunst, von der Kunst zum Leben zurück“. Wer
literarisch wertvolle Stücke geworden sind. Nur die Herren
hat nun recht: der sein Leben oder sein Gedicht zu einer
Geisendörfer und Martinelli verstanden es, den Stim¬
mungsgehalt des aus unsäglich feinem Gewebe hergestellten ersten
lebendigen Stunde formt? Unser Dichter ist zu klug und
Stückes beinahe zu erschöpfen. Die interessante These des zweiten,
zu weltverstehend, um Partei zu ergreifen. Beide haben
inclusive
daß wir Menschen von selbst zitiertem Geisterspuk unseren Willen
recht, weil sie nach ihrer Natur nicht anders handeln
Porto.
derart unterjochen lassen, daß wir unser Leben nach dem Schecksal Zahlbar
können, wie Tasso und Antonio recht haben... Man
der zu Histrionen gewordenen Vorbilder formen und uns nur als
im Voraus.
hört im Publikum nicht auf, nach dem Zusammenhange
irdische Gefäße verschollener Psychen betrachten, konnten die Schau¬
spieler absolut nicht verdeutlichen. In der Journalistentragödiete ist das
der vier Stücke, der sich doch so einfach darstellt, zu
„Die letzten Masken“ boten nur die Herren Brandt undieht es den
spintisieren, man fragt noch immer, warum sie gerade
Wierth gute Chargen. Den Hauptrollen blieben Herr Weisselern.
„Lebendige Stunden“ benannt wurden. Nun, sie hätten
und Herr Kramer alles schuldig! Hingegen wurde die geist¬
vielleicht auch anders heißen können. Man lasse dem
sprühende, durchaus wienerische Satire „Literatur“ auf geistiges altend die
Dichter diese Willkür, auch ein dramatisches Werk wie
Dandytum und deren Table d'hote=Philosophie von Frl. Sand=Korgen¬
rock, sowie den Herren Kutschera und Kramer brillant ge= Zeitung")
einen Novelleneyklus nach der ersten Gabe gemeinsam zu
spielt. Schnitzler wurde oft hervorgerufen.
schaftliche
betiteln; man sei dankbar und freue sich lieber der Schön¬
Lesen des in- und Auslandes in drastischer Kürze geboten wird. Diese Mit¬
heit, der vollendeten Anmut, die einem hier dargeboten
wird. Ernst und Tiefe des Sinnierens, Schärfe der Be¬
obachtung, Fabulierfreudigkeit, heiterste Laune wechseln mit
Prospecte gratis und fnanco.
einander ab, hören nicht auf, sich zu durchdringen. Ein
Geschmeide mit vielen kunstvoll geschnittenen Steinen und
schimmernden Facetten, das ist Arthur Schnitzler's Kunst.
Die Darstellung durch das „Deutsche Volkstheater“ erschien
sehr sorgfältig durchgearbeitet: Die Herren Weiße,
Martinelli, Greisendörfer, Kutschera, Kra¬
mer und Brandt und Fräulein Sandrock wurden mit
ihrer sonst in den Dienst gröberer Aufgaben gestellten Kunst
den zarten Werken durchaus gerecht. Paul Wertheimer. S