der „Literatur", kaum daß er von der Szene zurückgetreten war, wo er
sich dem Publikum dankend gezeigt hatte, einigermaßen erregt:
„Ich muß mir erlauben, um Aufklärung zu bitten, Herr Doktor, ob
Herr Kutschera auf Ihre Anweisung hin oder mit Ihrer Einwilligung
die Buchausgabe meines „Letzten Knopf“ als Requisit benützt hat? Ich
habe mit dem Glase ganz deutlich den Titelkopf und meinen Namen lesen
können und das Titelbild erkannt.“
Schuitzler war wie aus den Wolken gefallen. Er erklärte der
Wahrheit gemäß, daß er von der ganzen Sache nichts wisse und keine
Ahnung hatte, welches Buch Kutschera=Gilbert als „Roman“ auf die
Bühne mitnehmen werde.
Ludassy dankte für die Aufklärung und wandte sich nun an die
zweite Kompetenz, den Regisseur Hertzka.
„Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, Herr Doktor,“ antwortet der
Regisseur voll Eifer, „daß Sie mir etwas ganz Neues mittheilen. Der
Requisitenmeister oder Herr Kutschera selbst werden Ihnen gewiß voll¬
kommene Aufklärung geben können.“
Im nächsten Momente schon stand der Schriftsteller in der Garderobe
Kutschera's. Das corpus delicti lag noch auf dem Schminktische des
Schauspielers. Ludassy hob es hoch in die Höhe und zugte:
„Sie werden wohl ahnen, lieber Herr Kutschera: ich komme weges#
dieses da. Wieso —“
Weiter konnte der Dichter des „Letzten Knopf“ nicht sprechen, denn
Kutschera fiel ihm sofort ins Wort.
„Aber, lieber Herr Doktor,“ sagte der Künstler in seinem treuherzigen
Wienerisch, „ich habe mir gar nicht denken können, daß man im Publikum
den Titel des Buches wird lesen können! Sicherlich hat's auch Niemand,
als wie Sie allein im ganzen Haus erkannt! Daß die Geschichte nicht
gegen Sie war, brauch' ich Ihnen nicht ernstlich zu versichern. An der ganzen
Sache ist eigentlich nur der Schneider Schuld, der mir den Havelock
gemacht hat. Sie wissen ja, der Schnitzler schreibt mir ausdrücklich so
einen Havelock vor, und in der Tasche des vernachlässigten Rocks hab' ich
meinen Roman mitzubringen. Und a hat mir unser Requisitenmeister drei
broschürte Bücher aus unserer Theate bibliothek gebracht — natürlich lauter
Stücke, die bei uns einmal aufg'führt worden sind. Andre hab'n wir ja
nicht dort'n. Also das erste Büchel war die „Chrysis“ von Pierre Louis
und Otto v. Ernst, das ist, wie Sie wissen, ein Oktavbanderl und viel zu
klein. Das hätt' mir aus der Tasche fallen können und das Malheur wär
fertig g’wesen. Das zweite Buch waren die „Krannerbub'n“ von Dörmann,
das war wieder ein bissel zu groß, das hätt' ich zusammenbiegen müssen,
um's in die Tasche zu bringen, und dann hätt' ich erst noch vor'm Publikum
herumbandeln müssen, eh' ich's herausbring — und das ist doch unangenehm!
Das dritte Büchel aber, das war eben Ihr „Letzter Knopf“ und der hat
geradezu wunderbar hineingepaßt! Deshalb hab' ich ihn auch
g'nommen. Das ichel rutscht — probirn Sie amal selber mit mein Havelock
so fein und glatt in die Tasche hinein und wieder heraus, daß es eine
wahre Freud' war für mich. Aber wenn Sie sich beleidigen, so werd' ich
von morgen ab ein ganz ein anderes Buch verwenden.“
Herr Dr. Ludassy mußte nun aus ganzem Herzen lachen. Zu dem
alten Satze, daß Bücher ihre Schicksale haben, hatte er eine ganz neue
Fußnote selbst erlebt. Die beiden Herren gingen gemüthlich auseinander...
Wer aber jetzt vom Zuschauerraum des Volkstheaters aus, bei einer Auf¬
führung der „Letzten Stunden“ mit dem Glase nach dem Titel von Gilbert's
Roman auslugt, der wird mit aller Genauigkeit wahrnehmen und buch¬
stabiren können, daß Herr Kutschera das „Egyptische Traumbuch“ als sein
jüngstes Werk seiner Partnerin überreicht.
„Das is' nämlich von Niemandem,“ sagte Herr Kutschera, „und
drum kann auch Niemand beleidigt sein.“
J. St.
Im Hofburgtheater findet Dinstag eine Aufführung von
Otto Ludwig's Trauerspiel „Der Erbförster“ statt. Herr Baumeister!
wird in diesem Stücke vor seiner Urlaubhreise zum letztenmale auftreten.“
Die im Hofoperntheater Montag stattfindende Vor¬
stellung („Die Puppenfee“. — „Sonne und Erde“: — „Wiener
Walzer“.) dürfte insoferne besonderes Interesse erwecken, als in derselben
alle vier Mitglieder des kaiserlichen Marientheaters in Petersburg
Frl. Kschesinska, die Herren Legat, Obuchow und Bekefy
mitwirken werden und auch unsere erste Tänzerin Frl. Sinoni auf¬
treten wird. — Dinstag wird „Louise“ mit den Dame Gutheil¬
Schoder, Petru, Kaulich, Michalek, Pohlner, Kittel, Bayer, Urban und
den Herren Schrödter, Demuth, Preuß, Hesch, Schittenhelm, Pacal, Stoll,
Breuer, Felix, Stehmann und Marian aufgeführt.
Im Deutschen Volkstyeater spielt heute Nachmittags
Herr M. Millmann als zweite Gastrolle den Kommerzialrath Müller
in dem Volksstück Gebildete Menschen“ von Viktor Léon und beendigt
morgen Montag sein Gastspiel mit der Darstellung des Valentin im
Verschwender“. —
Heute Abends gelangt „Auserstehung“ mit Fräulein
Sandrock und Herrn Kutschera in den Hauptrollen zur Wiederholung.
Die vom Akademischen Verein für Kunst und
Literatur am 18. April l. J. im Deutschen Volkstheater veranstaltete
Aufführung von Gerhart Hauptmann's Jugenddrama „Vor Sonnen¬
aufgang“ ist die erste für Wien. Die Regie dieser sowohl in literarischer
als historischer Beziehung interessanten Vorstellung hat Herr Ferdinand
K
Sesunt ene eche
sich dem Publikum dankend gezeigt hatte, einigermaßen erregt:
„Ich muß mir erlauben, um Aufklärung zu bitten, Herr Doktor, ob
Herr Kutschera auf Ihre Anweisung hin oder mit Ihrer Einwilligung
die Buchausgabe meines „Letzten Knopf“ als Requisit benützt hat? Ich
habe mit dem Glase ganz deutlich den Titelkopf und meinen Namen lesen
können und das Titelbild erkannt.“
Schuitzler war wie aus den Wolken gefallen. Er erklärte der
Wahrheit gemäß, daß er von der ganzen Sache nichts wisse und keine
Ahnung hatte, welches Buch Kutschera=Gilbert als „Roman“ auf die
Bühne mitnehmen werde.
Ludassy dankte für die Aufklärung und wandte sich nun an die
zweite Kompetenz, den Regisseur Hertzka.
„Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, Herr Doktor,“ antwortet der
Regisseur voll Eifer, „daß Sie mir etwas ganz Neues mittheilen. Der
Requisitenmeister oder Herr Kutschera selbst werden Ihnen gewiß voll¬
kommene Aufklärung geben können.“
Im nächsten Momente schon stand der Schriftsteller in der Garderobe
Kutschera's. Das corpus delicti lag noch auf dem Schminktische des
Schauspielers. Ludassy hob es hoch in die Höhe und zugte:
„Sie werden wohl ahnen, lieber Herr Kutschera: ich komme weges#
dieses da. Wieso —“
Weiter konnte der Dichter des „Letzten Knopf“ nicht sprechen, denn
Kutschera fiel ihm sofort ins Wort.
„Aber, lieber Herr Doktor,“ sagte der Künstler in seinem treuherzigen
Wienerisch, „ich habe mir gar nicht denken können, daß man im Publikum
den Titel des Buches wird lesen können! Sicherlich hat's auch Niemand,
als wie Sie allein im ganzen Haus erkannt! Daß die Geschichte nicht
gegen Sie war, brauch' ich Ihnen nicht ernstlich zu versichern. An der ganzen
Sache ist eigentlich nur der Schneider Schuld, der mir den Havelock
gemacht hat. Sie wissen ja, der Schnitzler schreibt mir ausdrücklich so
einen Havelock vor, und in der Tasche des vernachlässigten Rocks hab' ich
meinen Roman mitzubringen. Und a hat mir unser Requisitenmeister drei
broschürte Bücher aus unserer Theate bibliothek gebracht — natürlich lauter
Stücke, die bei uns einmal aufg'führt worden sind. Andre hab'n wir ja
nicht dort'n. Also das erste Büchel war die „Chrysis“ von Pierre Louis
und Otto v. Ernst, das ist, wie Sie wissen, ein Oktavbanderl und viel zu
klein. Das hätt' mir aus der Tasche fallen können und das Malheur wär
fertig g’wesen. Das zweite Buch waren die „Krannerbub'n“ von Dörmann,
das war wieder ein bissel zu groß, das hätt' ich zusammenbiegen müssen,
um's in die Tasche zu bringen, und dann hätt' ich erst noch vor'm Publikum
herumbandeln müssen, eh' ich's herausbring — und das ist doch unangenehm!
Das dritte Büchel aber, das war eben Ihr „Letzter Knopf“ und der hat
geradezu wunderbar hineingepaßt! Deshalb hab' ich ihn auch
g'nommen. Das ichel rutscht — probirn Sie amal selber mit mein Havelock
so fein und glatt in die Tasche hinein und wieder heraus, daß es eine
wahre Freud' war für mich. Aber wenn Sie sich beleidigen, so werd' ich
von morgen ab ein ganz ein anderes Buch verwenden.“
Herr Dr. Ludassy mußte nun aus ganzem Herzen lachen. Zu dem
alten Satze, daß Bücher ihre Schicksale haben, hatte er eine ganz neue
Fußnote selbst erlebt. Die beiden Herren gingen gemüthlich auseinander...
Wer aber jetzt vom Zuschauerraum des Volkstheaters aus, bei einer Auf¬
führung der „Letzten Stunden“ mit dem Glase nach dem Titel von Gilbert's
Roman auslugt, der wird mit aller Genauigkeit wahrnehmen und buch¬
stabiren können, daß Herr Kutschera das „Egyptische Traumbuch“ als sein
jüngstes Werk seiner Partnerin überreicht.
„Das is' nämlich von Niemandem,“ sagte Herr Kutschera, „und
drum kann auch Niemand beleidigt sein.“
J. St.
Im Hofburgtheater findet Dinstag eine Aufführung von
Otto Ludwig's Trauerspiel „Der Erbförster“ statt. Herr Baumeister!
wird in diesem Stücke vor seiner Urlaubhreise zum letztenmale auftreten.“
Die im Hofoperntheater Montag stattfindende Vor¬
stellung („Die Puppenfee“. — „Sonne und Erde“: — „Wiener
Walzer“.) dürfte insoferne besonderes Interesse erwecken, als in derselben
alle vier Mitglieder des kaiserlichen Marientheaters in Petersburg
Frl. Kschesinska, die Herren Legat, Obuchow und Bekefy
mitwirken werden und auch unsere erste Tänzerin Frl. Sinoni auf¬
treten wird. — Dinstag wird „Louise“ mit den Dame Gutheil¬
Schoder, Petru, Kaulich, Michalek, Pohlner, Kittel, Bayer, Urban und
den Herren Schrödter, Demuth, Preuß, Hesch, Schittenhelm, Pacal, Stoll,
Breuer, Felix, Stehmann und Marian aufgeführt.
Im Deutschen Volkstyeater spielt heute Nachmittags
Herr M. Millmann als zweite Gastrolle den Kommerzialrath Müller
in dem Volksstück Gebildete Menschen“ von Viktor Léon und beendigt
morgen Montag sein Gastspiel mit der Darstellung des Valentin im
Verschwender“. —
Heute Abends gelangt „Auserstehung“ mit Fräulein
Sandrock und Herrn Kutschera in den Hauptrollen zur Wiederholung.
Die vom Akademischen Verein für Kunst und
Literatur am 18. April l. J. im Deutschen Volkstheater veranstaltete
Aufführung von Gerhart Hauptmann's Jugenddrama „Vor Sonnen¬
aufgang“ ist die erste für Wien. Die Regie dieser sowohl in literarischer
als historischer Beziehung interessanten Vorstellung hat Herr Ferdinand
K
Sesunt ene eche