II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 579

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16.1. Lebendigestunden Zyklus box 21/5
Tereption 126012
Alex. Weigis Unternehmen für Zeitungs-Ausschl.
Stucke mit seinem Staubust und seinem Uenderstandnis ine
jede geistige Regung bis in die kleinste Nuance herausgearbeitet
hatte. Man erinnere sich, wie er vorsichtig den Band
„OBSERVER“
Gedichte mit zwei Fingern anpackt, weil ihm die Gedanken
L. österr. behördl. konz. Burean für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
drinnen schmutzig vorkommen! Herr Nowotny hatte in den
„Letzten Masken“ den armen Teufel von Schauspieler übernommen,
Wien, I., Concordiaplatz 4.
der sterbenskrank sich in ewigen Hoffnungen auf Genesung
Vertretungen
wiegt und im Krankenhause immer nur das Leben studiert,
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-York,
um das, was er gesehen, auf der Bühne zu verwerten. Die
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
von dem Dichter prächtig gezeichnete Figur wurde von dem
jungen Künstler vorzüglich dargestellt. Herr Erich Schmidt
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
endlich spielte in dem gleichen Stücke den Günstling des Glücks,
den beliebten Dichter Weihgast, dessen innere Hohlheit er ebenso
Ausschnitt aus: Linzer Volksblatt
gelungen zur Darstellung brachte wie die Verlegenheit, die der
Mann an dem Sterbebette des ehemaligen Freundes empfindet.
vome 2## 700
Herr Schmidt holte sich einen Separatapplaus und empfing
einen Lorbeerkranz. Die Regie führte Herr Heine und sorgte
Vom landschaftl. Theater in Linz.
für gute Stimmung. Leider hatte man sich entschlossen, in dem
21. Mai
ersten Stücke, „Die Frau mit dem Dolche“ den Uebergang zur
Schnitlers unter dem Obertitel: „Lebendige Stunden“.
Vision und das Erwachen aus derselben durch Fallen des Vor¬
zyklisch aneinandergereihie Einakter variieren wohl den Satz, daß der
hanges zu durchschneiden, wodurch aber auch das ganze Stück
Lebende das Recht hat, den Tod anderer seinen Zwecken dienstbar zu
schier bis zur Unverständlichkeit in drei Teile zerrissen wurde.
machen und sich durch denselben die Freude am eigenen Dasein nicht
Da muß eine Verwandlung auf offener Szene vor sich geben.
vergällen zu lassen. Klingt diese Lebensregel nichts weniger als pietät¬
Ich weiß nicht, ob die Mangelhaftigkeit der technischen Mittel
voll, so ist sie doch in der egoistischen Natur des Menschen begründet.
unseres Theaters dies verschuldete, aber ich bin überzeugt, daß
Aus unserer gestrigen Inhaltsangase, der kurzen Skizzierug der Hand¬
die meisten Zuschauer, die das Stück nicht kannten, infolgedessen!
lung der Dramen: „Lebendige Stunden“ (Untertitel des 1. Einakters,
ratlos davor gestanden sein werden. Der Beifall des recht gut
„Die Fraiu mit dem Dolche" und „Die ietzten Masken“, dann des
besetzten Hauses war nach allen Stücken ein geradezu stürmischer
Lustspi les „Literatur“ konnte der Leser beiläufig ersehen, wie der Aufor
sein Problem verschiedenartig behandelt: im 1. Stucke novellistisch, im
und gleichmäßig teilten sich sämtliche Darsteller in denselben.
2. mystisch, im 3. philosophisch, im 4 satirisch. Das erste blieb aus
bereits angedeuteten Gründen gestein weg. Das zweite machte lebhaften
(Burgtheater=Ensemble.) Die diesjährigen Vorstellungen
Eindruck, obwohl das zweimalie Fallen des Vor anges, welches das
des Ensembles der Wiener Hofburgschauspieler werden am
Traumbild von den es umrahmenden Wirklichkeitsszenen scheidet, störend
Pfingstsonntag mit einer Aufführung „Der kleine Lord“
wirken muß.
Frl. Clara Rabitow, die wir schon im „Johannisfeuer“ und als
an unserem Landestheater ihren Abschluß finden. Das größte
„Maria Sturt“ kennen gelernt hat en, hat für das Visionäre der „Frau
Interesse an diesem Abende wird sich jedenfalls auf Marianne
mit dem Dolche“ die richtigen Ausdrucksmittel: die higere Gestalt, das
Rub, das 9jährige, also unbedingt jüngste Mitglied des Hof¬
dunkelg=färhte Sprechorgan und die unheimlich blickenden Augen. Weniger
burgtheaters, konzentrieren welches die Titelrolle darstellen wird
paßt ihre tü stlerische Individualität zur Verkörperung der emanzipierten
und welches wohl auf unsere kleine Welt, die Kinder, große
Modeschriftstellerin in „Literaiur“, Als Führer des diesmaligen Burg¬
Anziehungskraft ausüben dürfte. Marianne Rub kommt nicht
theater Ensemb'es und Regisseur stellte sich Herr Al eri Heine vor,
allein, es begleiten sie ihre erwachsenen Kollegen vom Burg¬
der in drei verschiedenen Rollen eine große Kunst der Charakierisierung
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theater — Otto Rub, ihr Vater, Christian Rub, ihr Bruder
der darzustellenden Figuren durch Sprache, Maske und Spiel offenbarte.
— wir sahen diesen beaabten jungen Menschendarsteller im Mai
Den Maler des Cinquecento stattete er mit einem sonoren Baß und
des Vorjahres als Amandus in „Jugend“ Karl Baum¬
deklamarorischen Pathos, den sterbenden Journalisten in „Letzte Masken“
gartner, Aurel Nowotny, sowie Frida Lanius und
mit maßvollem Realismus, den selbstgefälligen LitecaturbengI mit dra¬
Anna Groß, letztere eine Schauspielerin, welche, ohne am
stischem Zynismus aus. Da der Schauspieler nichts tat, seine natürliche
Burgtheater zu sein, sich würdig dem Ensemble anreihen wird.
Häßlichkeit etwas zu mildern, schien es wohl unwahrscheinlich, daß die
schöne Frau Kollegin in Apoll früher liebend an seinem Halse gehangen.!
Der Vorverkauf für diese unwiderruflich letzte Vorstellung
Heine ist, wie es Lewinsky einstens war, ein Exempel, wie weit es
— es wird wohl auch der Abschluß der Saison sein — ist ab
ein Mime vermöge seiner Intelligenz bringen kann, wenn ihm auch
Samslag früh an der Theaterkasse eröffnet.
äußere Mittel versagt sind. Er ist heute in Wien ein tonangebender
Mann in Sachen der dramatischen Literatur.
Im Gegensatz zu ihm repräsentiert Hr. Wanka die blühende
Zum Burgtheatergastspiel am Pfingstsonntag.
Jugendschönheit. War er als eifersüchtiger Leonbard=Lionardo ein von
Kraft strotzender und in leidenschaftlichem Temperamente überschäumender
Otto Rub, geb. 1856 in Mannheim, debütierte 1875 am
Liebhaber, so wußte er den „Aristokratin“ im letzten Bilde zu einer überaus
Hoftheater in Darmstadt, war dann in Lübeck, Chemnitz, Graz
köstlichen Gestalt zu machen, über die man lachen muß, so oft man an
(1880—1882) und Brünn als jugendlicher Held tätig (Carlos und
sie nur denkt. Leider waren seine Zornesworte: „Ich finde gar nicht die
Max Piccolomini waren seine Lieblinasrollen) und ging während
Worte....“ von ominösr Bedeutung, denn der Souffteur hatte auch
seines Engagements in Danzig (1885—1888) ins Charakterfach über.
gestern mehr zu tun, als man bei solchen Gastspielen füglch verlangen
Dann finden wir ihm am Hoftheater in Weimar (1891—1894), Riga,
kann. Die beiden einheimischen Hilfskräfte Hr. v. Pacher (Arzt) und
Lübeck 2c., bis er 1899 als Oberregisseur an das Jantsch=Theater in
Fr. B. Müller (Krankenwärterin) wollten sich gar nicht recht in¬
Wien verpflichtet wurde, wo damals das llassische Repertoire Pflege
fügen in das Ensemble, welches noch Herr Nowotny als Provinz¬
fand (dort spielte er den Jago, Nathan 2c.). 1900 kam er ans Burg¬
komödiant im Spitale gelungen vervollständigte. Die naturwahrste
theater, das sich beeilte, seine talentierten Kinder zu gewinnen. Seine
Leistung aber schuf diesmal Herr Erich Schmidt in der kleinen Rolle
Gattin, die als Frl. Paula Groß im Fache der Sentimentalen an
des literarischen Emporkömmlings (in „Letzte Masken“), der vergebens
größeren Bühnen wirkte, ist eine Nichte Bernhard Baumeisters.
auf die Enthüllung des Geheimnisses wartei, womit ihn sein sterbender
Von Rub erschien ein Werk: „Die dramatische Kunst im Danzig“ im
Buchhandel. Karl Baumgartner, geb 1850 in Wien als Sohn
Freund von ehedem niederschmettern will. Die Verlegenheit des gutmütigen
eines Kanzleichefs des k. k. Finanz=Ministeriums, widmete sich ursprüng¬
Hohlkopfes war ganz dem Leben abgelauscht.
lich technischen Studien. Nach Absolvierung der Kierschnerschen
Noch dem jungen Burgtheater kommt morgen das jüngste Burg¬
Theater=Akademie debütierte er jedoch bald als „Vansen“ am Berliner
theater, die kleine Marianne Rub, über die wir schon viel Schönes ge¬
Nationaltheater, kam dann nach Aachen, Dresden und ans Burg¬
lesen haben. Das Publikum, das gestern mit Rücksicht auf die gleichzeitig
theater, 1881 ans Ringtheater, dann als Regisseur und Charakter¬
stattgesundene „Fechtakademie“ as zahlreich beze chnet wrden kann. er¬
spieler nach Baden, Klagenfurt, Innsbruck, Reichenberg, Salzburg
wies sich als sehr dankbar gegenüber dem Gebotenen. Man sah wieder
und Linz. In Salzburg war er als humorist. Väterspieler 7 Jahre
einmal, was wir in Linz alles noch nicht gesehen haben.
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der Liebling des Publikums. 1901 kam er ein zweites Mal ans Burg¬
Sasnnel#ei tur hes Ran des Marts Emptananis
theater, wo er, wie Herr Rub, in ernsten und heiteren Charakterchargen
und Episoden wirkt. Der Name der gleichfalls mitwirkenden Frau
Frida Lanius hat in Linz den besten Klang.