II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 582


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ist
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en der Tichters enmommen int; aber auch in den
Dialektdichtungen betätigt sich glücklich seine Veranla¬
gung, allerdings in anderer Art; es steckt in diesen
flott, beinahe übermütig hingeworfenen Reimen ein
Witz, der durch Tränen lächelt, hie und da tiefe
Lebensweisheit in dem bescheidensten Gewande. Die
Sammlung enthält eben alles Mögliche, tiefernste Be¬
trachtungen neben flatterhaften Gedanken einer rein
augenblicklichen Stimmung, goldigen Sonnenschein
nebst dunklen Nachtgespenstern, abgeklärte Ruhe nebst
lodernder Leidenschaft. — In den epischen Dichtungen
(„Schmeidograd“ und „Frau Therese“) macht sich
Scheffels, beziehungsweise Baumbachs Einfluß gel¬
tend; insbesondere kann dies in betreff der Leichtig¬
keit, womit der Dichter die Sprache meistert, und der
glatten Form gesagt werden. Inhaltlich dürften sich
die beiden Dichtungen mit den rein lyrischen Gedich¬
ten nicht messen können. Den Anstoß zu dem Musik¬
drama „Die Toteninsel“, womit die Sammlung ab¬
schließt, scheint intensive Betrachtung von Böcklins
gleichnamigem Gemälde gegeben zu haben; die
düstere Stimmung gelangt darin vortrefflich zum
Ausdrucke. — Die ausgewählten Dichtungen Aicher¬
burgs sind, in ihrer Gänze betrachtet, in hohem Grade
ctenn
etiedeBihliothet zu
schertteen.
** (Deuische Bühne.) Dem Theaterabende,
der zum Vorteile des braven Chorpersonales insze¬
niert wurde, verdanken wir die Bekanntschaft mit
zwei fesselnden Novitäten, von denen Artur Schnitz¬
lers Schauspiel „Die letzten Masken“ tiefen Eindruck
hinterließ. Es ist dem Zyklus, bestehend aus vier
Einaktern, „Lebendige Stunden“ entnommen und bil¬
det dessen Abschluß. Die Energie des schaffenden Ge¬
nius, die Leidenschaft des Ehrgeizes ist stärker als der
Tod, sie gibt dem Sterbenden Lebenskraft und flößt
selbst dem rettungslos Verlorenen neue Hoffnung ein.
Zwei Sterbende, ein schwindsüchtiger Schauspieler
und ein in den letzten Stadien der Tuberkulose dahin¬
siechender Journalist, bilden die Hauptpersonen, die
ihre Meinungen im gemeinsamen Krankenzimmer
des Spitals austauschen. Die verlöschenden Lebens¬
geister raffen sich nochmals in leidenschaftlichem Auf¬
flackern zu kühnen künstlerischen Plänen empor, die
beim gutmütigen Schauspieler von bitterer Selbst¬
ironie, bein Journalisten von Rachsucht und Neid
gegen seinen vom Glück begünstigten Freund durch¬
tränkt sind. Die Begegnung mit dem einstigen
ahnungslosen Freunde, einem modernen Dichter,
dessen Familienglück er zerstören will, ernüchtert ihn;
er läßt von seinem Vorsatze ab und stirbt. Der Schau¬
spieler gibt sich weiter der Selbsttäuschung in Gedan¬
ken auf die schöne Zukunft hin, die ihm noch seine ge¬
liebte Kunst bringen soll, und baut in der kurzen
Frist, die ihm noch zu leben gegönnt ist, trügerische
Luftschlösser auf, obwohl ihn der quälende Husten
an sein Elend mahnt. Es liegt viel Geist in der Dich¬
itung, die manche Frage ungelöst läßt und dem Zu¬
schauer reichen Stoff zum Nachdenken bietet. Dieshnst
hat unbestritten das Recht, sich auch mit dem #
lichen, mit den Nachtseiten des Lebens, ohne Rück
auf Behagen oder Unbehagen des Publikums, zusoe¬
schäftigen; wir geben ja gerne zu, daß der Einaktey in
seiner Trostlosigkeit, seinem düsteren Realismus einen
großen Teil der Besucher in eine recht unbehaglsche
Stimmung versetzte, aber der Eindruck, daß wir das
Werk eines geistvollen Dichters, der aus dem Leben
zu schöpfen weiß, vor uns sahen, konnte sich wohl nie¬
mand verschließen. Die Aufführung wurde der Dich¬
tung gerecht, die grausame Wahrheit, die in ihr liegt,
von den Herren Orell und Glaß mit Entfaltung
jener naturalistischen Schauspielkunst gegeben, deren
Ziel darin besteht, aus der Wirklichkeit zu schöpfen.
lich von Herrn Nadolowitsch vorgetragen, stär¬
keres Interesse heraus. Mit zwei dem Wiener Volks¬
sängertum angehörigen Couplets ziemlich derber
Natur entfesselte Herr Schiller große Heiterkeit.
Die dritte Aufführung des Schauspieles „Die Brü¬
der von St. Bernhard“ war vorgestern wieder sehrss
gut besucht und wurde mit großem Beifalle ausgenom=&
men. — Heute findet zum Vorteile des Schauspielers
und Regisseurs Herrn Weißmüller die Erstauf¬
führung von H. Heyermanns' jun. Fischertragödie „Die
Hoffnung auf Segen“ statt. Das geistvolle Werk des
holländischen dramatischen Dichters, das wie sein
hier erfolgreich gegebenes Stück „Kettenglieder“ von
natürlicher Ehrlichkeit und poesievoller Vertiefung er¬
füllt ist, hat, von den meisten deutschen Bühnen in¬
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szeniert, überall bedeutenden Eindruck gemacht. Der
Besuch kann zudem auch mit Rücksicht auf den ver¬
dienstvollen Benefizianten, der nun die dritte Saison
an der deutschen Bühne in Laibach mit Pflichteifer
und ernstem Willen tätig ist, empfohlen werden.
J.
— (JulesVerne†.) Wie aus Amiens gemel¬
det wird, ist der Schriftsteller Jules Verne am 24. 5.
gestorben. Er hat ein Alter von 77 Jahren erreicht.
(„Wiener Mode.“) Aus allen Zentral¬
punkten der Mode werden seit einiger Zeit Nachrichten
in die Welt gesandt, die den Glauben hervorrufen sol¬
len, als ob die Zeit der Blusen vorüber wäre. Der
Anlaß zu diesen Ausstreuungen ist leicht einzusehen;
an der Bluse wird nach der Auffassung großer Mode¬
firmen zu wenig verdient. Aber gerade deshalb blei¬
ben die Frauen dem liebgewordenen, eleganten und
doch billigen Kleidungsstücke treu, und die Bluse ist
noch lange nicht tot. Dies beweist so recht deutlich das
neueste Heft der „Wiener Mode“. Wenn diese ma߬
gebende Zeitschrift der Bluse eine eigene farbige Bei¬
lage widmet, so darf man beruhigt sagen, daß die
fesche, bequeme Bluse auch im kommenden Sommer
allgemein getragen werden wird. Auf diese Beilage,
eine Musterleistung des Dreifarbendruckes, sei deshalb
ganz besonders hingewiesen.
Telegramme
k. k des Telegraphen=Korrespondenz=Bureaus.
Der russisch-japanische Krieg.
Petersburg, 26. März. Ein kaiserlicher Ta¬
gesbefehl vom 25. März enthebt den General der
Infanterie, Grippenberg, vom Posten eines Komman¬
dierenden der zweiten Mandschureiarmee, beläßt ihn
jedoch in der Stellung eines Generaladjutanten des
Kaisers.
Suez, 26. März. Das dritte russische Geschwader
ist in südlicher Richtung abgegangen.
London, 26. März. Das Bureau Reuter meldet
aus Warschau: Die Polizei fand heute in einem aus¬
gemauerten Grabe des Povonskykirchhofes 80 Bom¬
ben auf. Es wurden einige Verhaftungen vorgenom¬
men.
Angekommene Fremde.
Hotel Elefant.
Am 21. März. Obersohn, Chemiker; Tintner, Sekretär;
Spatz, Gastwirt; Nemetschki, Bauingenieur; Grettenthaler,
Scheidt, Kohn s. Nichte, Bayer s. Frau, Private; Habinger,
Molner, Kohn, Kuhn, Hebenstreit, Hauser, Jahoda, Bauer,
Wesely, Speiser, Schubert, Janitschek, Krenik, Dorszawetz,
Schwazl, Fröhlich, Kflte., Wien. — Kotnig, Private, Oberlaibach.
— Neufeld, Weinhändler; Guttmann, Faßbinder, Gr.=Kanizsa.

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