16.1. Lebendige Stunden— zyklus
A
27. März 1905.
der benachbarten Steiermark angehörig, die größte
Zeit seiner Jugend in Krain verbrachte und auch in
Laibach seine Gymnasialstudien vollendete. Das ge¬
schmackvoll ausgestattete, über 26 Bogen starke Buch
ist mit einem Bildnisse des zu früh heimgegangenen
Dichters geziert, bringt in der Einleitung eine kurze
Lebensskizze Aichelburgs sowie eine Übersicht seiner
dichterischen Tätigkeit. Mit kundiger Hand wurden
in der uns vorliegenden Ausgabe die besten Erzeng¬
19
nisse des dichterischen Schaffens Aichelburgs nieder¬
n
gelegt und zu einer anmutigen Sammlung vereinigt,
u
deren Poesie insbesondere im ersten Teile („Hoch¬
l=(deutsche Gedichte und Dialektdichtungen“) mit voller
Kraft den Leser in ihren Bann zwingt und anhaltend
er
fesselt. Wir wollen damit nicht sagen, daß allen Ge¬
t¬
dichten Aichelburgs der gleiche poctische Wert zukäme
00
— aber in der erdrückenden Mehrzahl finden sich darin
rsolch zarte Sprossen eines tief empfindenden Gemütes,
ie=einer gottbegnadeten Dichterseele, daß sie sich getrost
ac, den hervorragendsten lyrischen Produkten an die Seite
r¬
stellen lassen. Und wie oft deckt einzig und allein
cke das Mäntelchen der wohlakkreditierten Firma zahl¬
en
reiche Schwächen... Unserer Auffassung nach be¬
kundet sich Aichelburgs Talent am besten in jenen
Gedichten, deren Sujet der Natur sowie dem Liebes¬
leben des Dichters entnommen ist; aber auch in den
m
Dialektdichtungen betätigt sich glücklich seine Veranla¬
ist
gung, allerdings in anderer Art; es steckt in diesen
flott, beinahe übermütig hingeworfenen Reimen ein
Witz, der durch Tränen lächelt, hie und da tiefe
Lebensweisheit in dem bescheidensten Gewande. Die
Sammlung enthält eben alles Mögliche, tiefernste Be¬
trachtungen neben flatterhaften Gedanken einer rein
augenblicklichen Stimmung, goldigen Sonnenschein
nebst dunklen Nachtgespenstern, abgeklärte Ruhe nebst
lodernder Leidenschaft. — In den epischen Dichtungen
(„Schmeidograd“ und „Frau Therese“) macht sich
Scheffels, beziehungsweise Baumbachs Einfluß gel¬
tend; insbesondere kann dies in betreff der Leichtig¬
keit, womit der Dichter die Sprache meistert, und der
glatten Form gesagt werden. Inhaltlich dürften sich
die beiden Dichtungen mit den rein lyrischen Gedich¬
ten nicht messen können. Den Anstoß zu dem Musik¬
drama „Die Toteninsel“, womit die Sammlung ab¬
schließt, scheint intensive Betrachtung von Böcklins
gleichnamigem Gemälde gegeben zu haben; die
düstere Stimmung gelangt darin vortrefflich zum
Ausdrucke. — Die ausgewählten Dichtungen Aichel¬
burgs sind, in ihrer Gänze betrachtet, in hohem Grade
nn
Ggn Bihliothet zu
schmittken.
** (Deutsche Bühne.) Dem Theaterabende,
der zum Vorteile des braven Chorpersonales insze¬
niert wurde, verdanken wir die Bekanntschaft mit
zwei fesselnden Novitäten, von denen Artur Schnitz¬
lers Schauspiel „Die letzten Masken“ tiefen Eindruck
hinterließ. Es ist dem Zyklus, bestehend aus vier
Einaktern, „Lebendige Stunden“ entnommen und bil¬
det dessen Abschluß. Die Energie des schaffenden Ge¬
nius, die Leidenschaft des Ehrgeizes ist stärker als der
Tod, sie gibt dem Sterbenden Lebenskraft und flößt
selbst dem rettungslos Verlorenen neue Hoffnung ein.
Zwei Sterbende, ein schwindsüchtiger Schauspieler
und ein in den letzten Stadien der Tuberkulose dahin¬
siechender Journalist, bilden die Hauptpersonen, die
ihre Meinungen im gemeinsamen Krankenzimmer
des Spitals austauschen. Die verlöschenden Lebens¬
geister raffen sich nochmals in leidenschaftlichem Auf¬
flackern zu kühnen künstlerischen Plänen empor, die
beim gutmütigen Schauspieler von bitterer Selbst¬
box 21/5
Laibacher Zeitung Nr. 70.
Insbesondere zeigte Herr Glaß als schwindsüchtiger)¬
Schauspieler in Maske und Sprache seine schöne, oftsb
bewährte Begabung. Herr Orell gestaltete den ster=?
benden Journalisten in erschütternden Tönen. Zus#
dem Erfolge trug das einfach=natürliche Spiel von
Herrn Hanus und Fräulein Ott verdienstvoll bei. 18#
Die Darsteller wurden durch Beifall und Widmung
von Ehrengaben ausgezeichnet. — Das Lustspiel von
K
Cavalleti, „Jephtas Tochter“ schildert in liebenswür¬
E
dig=feiner Weise die Bekehrung eines Lebemannes
durch ein geistvolles und gemütsreiches Mädchen,
wozu sogar die Bibel mithelfen muß. Herr Kamm¬
auf und die Damen Valerius und Leopoldi#
sowie Herr Orell führten die Novität zu freund=K
lichem Erfolge. — Die Künstler der Oper und Ope=?
rette hatten sich bereitwillig mit Solovorträgen in den g#
Dienst der guten Sache gestellt und bewiesen, daß sie
sich auch auf dem Konzertboden heimisch fühlen. Ohne:
daß wir in ihre trefflichen Darbietungen näher ein¬
gingen, mögen sich die Damen Lendry, Palveni
und Nigra, die Herren Schlegel, Nadolo¬
witsch und Loibner mit einem Pauschallobe be¬
gnügen; sie erfreuten sich rauschenden Beifalles. Zwei
Lieder italienischer Komponisten aus dem 16. und
17. Jahrhundert forderten durch ihre Anmut, vortreff¬
lich von Herrn Nadolowitsch vorgetragen, stär¬
keres Interesse heraus. Mit zwei dem Wiener Volks¬
sängertum angehörigen Couplets ziemlich derber
Natur entfesselte Herr Schiller große Heiterkeit.
Die dritte Aufführung des Schauspieles „Die Brü¬
der von St. Bernhard“ war vorgestern wieder sehr
gut besucht und wurde mit großem Beifalle aufgenom¬
men. — Heute findet zum Vorteile des Schauspielers
und Regisseurs Herrn Weißmüller die Erstauf¬
führung von H. Heyermanns' jun. Fischertragödie „Die
Hoffnung auf Segen“ statt. Das geistvolle Werk des
holländischen dramatischen Dichters, das wie sein
hier erfolgreich gegebenes Stück „Kettenglieder“ von
natürlicher Ehrlichkeit und poesievoller Vertiefung er¬
füllt ist, hat, von den meisten deutschen Bühnen in¬
szeniert, überall bedeutenden Eindruck gemacht. Der
Besuch kann zudem auch mit Rücksicht auf den ver¬
dienstvollen Benefizianten, der nun die dritte Saison
an der deutschen Bühne in Laibach mit Pflichteifer
und ernstem Willen tätig ist, empfohlen werden.
J.
— (JulesVernet.) Wie aus Amiens gemel¬
det wird, ist der Schriftsteller Jules Verne am 24. d.
gestorben. Er hat ein Alter von 77 Jahren erreicht.
(„Wiener Mode.“) Aus allen Zentral¬
punkten der Mode werden seit einiger Zeit Nachrichten
in die Welt gesandt, die den Glauben hervorrufen sol¬
len, als ob die Zeit der Blusen vorüber wäre. Der
Anlaß zu diesen Ausstreuungen ist leicht einzusehen;
an der Bluse wird nach der Auffassung großer Mode¬
firmen zu wenig verdient. Aber gerade deshalb blei¬
ben die Frauen dem liebgewordenen, eleganten und
doch billigen Kleidungsstücke treu, und die Bluse ist
noch lange nicht tot. Dies beweist so recht deutlich das
neueste Heft der „Wiener Mode“. Wenn diese ma߬
gebende Zeitschrift der Bluse eine eigene farbige Bei¬
lage widmet, so darf man beruhigt sagen, daß die
fesche, bequeme Bluse auch im kommenden Sommer
allgemein getragen werden wird. Auf diese Beilage,
eine Musterleistung des Dreifarbendruckes, sei deshalb
ganz besonders hingewiesen.
Telegramme
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610
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27. März 1905.
der benachbarten Steiermark angehörig, die größte
Zeit seiner Jugend in Krain verbrachte und auch in
Laibach seine Gymnasialstudien vollendete. Das ge¬
schmackvoll ausgestattete, über 26 Bogen starke Buch
ist mit einem Bildnisse des zu früh heimgegangenen
Dichters geziert, bringt in der Einleitung eine kurze
Lebensskizze Aichelburgs sowie eine Übersicht seiner
dichterischen Tätigkeit. Mit kundiger Hand wurden
in der uns vorliegenden Ausgabe die besten Erzeng¬
19
nisse des dichterischen Schaffens Aichelburgs nieder¬
n
gelegt und zu einer anmutigen Sammlung vereinigt,
u
deren Poesie insbesondere im ersten Teile („Hoch¬
l=(deutsche Gedichte und Dialektdichtungen“) mit voller
Kraft den Leser in ihren Bann zwingt und anhaltend
er
fesselt. Wir wollen damit nicht sagen, daß allen Ge¬
t¬
dichten Aichelburgs der gleiche poctische Wert zukäme
00
— aber in der erdrückenden Mehrzahl finden sich darin
rsolch zarte Sprossen eines tief empfindenden Gemütes,
ie=einer gottbegnadeten Dichterseele, daß sie sich getrost
ac, den hervorragendsten lyrischen Produkten an die Seite
r¬
stellen lassen. Und wie oft deckt einzig und allein
cke das Mäntelchen der wohlakkreditierten Firma zahl¬
en
reiche Schwächen... Unserer Auffassung nach be¬
kundet sich Aichelburgs Talent am besten in jenen
Gedichten, deren Sujet der Natur sowie dem Liebes¬
leben des Dichters entnommen ist; aber auch in den
m
Dialektdichtungen betätigt sich glücklich seine Veranla¬
ist
gung, allerdings in anderer Art; es steckt in diesen
flott, beinahe übermütig hingeworfenen Reimen ein
Witz, der durch Tränen lächelt, hie und da tiefe
Lebensweisheit in dem bescheidensten Gewande. Die
Sammlung enthält eben alles Mögliche, tiefernste Be¬
trachtungen neben flatterhaften Gedanken einer rein
augenblicklichen Stimmung, goldigen Sonnenschein
nebst dunklen Nachtgespenstern, abgeklärte Ruhe nebst
lodernder Leidenschaft. — In den epischen Dichtungen
(„Schmeidograd“ und „Frau Therese“) macht sich
Scheffels, beziehungsweise Baumbachs Einfluß gel¬
tend; insbesondere kann dies in betreff der Leichtig¬
keit, womit der Dichter die Sprache meistert, und der
glatten Form gesagt werden. Inhaltlich dürften sich
die beiden Dichtungen mit den rein lyrischen Gedich¬
ten nicht messen können. Den Anstoß zu dem Musik¬
drama „Die Toteninsel“, womit die Sammlung ab¬
schließt, scheint intensive Betrachtung von Böcklins
gleichnamigem Gemälde gegeben zu haben; die
düstere Stimmung gelangt darin vortrefflich zum
Ausdrucke. — Die ausgewählten Dichtungen Aichel¬
burgs sind, in ihrer Gänze betrachtet, in hohem Grade
nn
Ggn Bihliothet zu
schmittken.
** (Deutsche Bühne.) Dem Theaterabende,
der zum Vorteile des braven Chorpersonales insze¬
niert wurde, verdanken wir die Bekanntschaft mit
zwei fesselnden Novitäten, von denen Artur Schnitz¬
lers Schauspiel „Die letzten Masken“ tiefen Eindruck
hinterließ. Es ist dem Zyklus, bestehend aus vier
Einaktern, „Lebendige Stunden“ entnommen und bil¬
det dessen Abschluß. Die Energie des schaffenden Ge¬
nius, die Leidenschaft des Ehrgeizes ist stärker als der
Tod, sie gibt dem Sterbenden Lebenskraft und flößt
selbst dem rettungslos Verlorenen neue Hoffnung ein.
Zwei Sterbende, ein schwindsüchtiger Schauspieler
und ein in den letzten Stadien der Tuberkulose dahin¬
siechender Journalist, bilden die Hauptpersonen, die
ihre Meinungen im gemeinsamen Krankenzimmer
des Spitals austauschen. Die verlöschenden Lebens¬
geister raffen sich nochmals in leidenschaftlichem Auf¬
flackern zu kühnen künstlerischen Plänen empor, die
beim gutmütigen Schauspieler von bitterer Selbst¬
box 21/5
Laibacher Zeitung Nr. 70.
Insbesondere zeigte Herr Glaß als schwindsüchtiger)¬
Schauspieler in Maske und Sprache seine schöne, oftsb
bewährte Begabung. Herr Orell gestaltete den ster=?
benden Journalisten in erschütternden Tönen. Zus#
dem Erfolge trug das einfach=natürliche Spiel von
Herrn Hanus und Fräulein Ott verdienstvoll bei. 18#
Die Darsteller wurden durch Beifall und Widmung
von Ehrengaben ausgezeichnet. — Das Lustspiel von
K
Cavalleti, „Jephtas Tochter“ schildert in liebenswür¬
E
dig=feiner Weise die Bekehrung eines Lebemannes
durch ein geistvolles und gemütsreiches Mädchen,
wozu sogar die Bibel mithelfen muß. Herr Kamm¬
auf und die Damen Valerius und Leopoldi#
sowie Herr Orell führten die Novität zu freund=K
lichem Erfolge. — Die Künstler der Oper und Ope=?
rette hatten sich bereitwillig mit Solovorträgen in den g#
Dienst der guten Sache gestellt und bewiesen, daß sie
sich auch auf dem Konzertboden heimisch fühlen. Ohne:
daß wir in ihre trefflichen Darbietungen näher ein¬
gingen, mögen sich die Damen Lendry, Palveni
und Nigra, die Herren Schlegel, Nadolo¬
witsch und Loibner mit einem Pauschallobe be¬
gnügen; sie erfreuten sich rauschenden Beifalles. Zwei
Lieder italienischer Komponisten aus dem 16. und
17. Jahrhundert forderten durch ihre Anmut, vortreff¬
lich von Herrn Nadolowitsch vorgetragen, stär¬
keres Interesse heraus. Mit zwei dem Wiener Volks¬
sängertum angehörigen Couplets ziemlich derber
Natur entfesselte Herr Schiller große Heiterkeit.
Die dritte Aufführung des Schauspieles „Die Brü¬
der von St. Bernhard“ war vorgestern wieder sehr
gut besucht und wurde mit großem Beifalle aufgenom¬
men. — Heute findet zum Vorteile des Schauspielers
und Regisseurs Herrn Weißmüller die Erstauf¬
führung von H. Heyermanns' jun. Fischertragödie „Die
Hoffnung auf Segen“ statt. Das geistvolle Werk des
holländischen dramatischen Dichters, das wie sein
hier erfolgreich gegebenes Stück „Kettenglieder“ von
natürlicher Ehrlichkeit und poesievoller Vertiefung er¬
füllt ist, hat, von den meisten deutschen Bühnen in¬
szeniert, überall bedeutenden Eindruck gemacht. Der
Besuch kann zudem auch mit Rücksicht auf den ver¬
dienstvollen Benefizianten, der nun die dritte Saison
an der deutschen Bühne in Laibach mit Pflichteifer
und ernstem Willen tätig ist, empfohlen werden.
J.
— (JulesVernet.) Wie aus Amiens gemel¬
det wird, ist der Schriftsteller Jules Verne am 24. d.
gestorben. Er hat ein Alter von 77 Jahren erreicht.
(„Wiener Mode.“) Aus allen Zentral¬
punkten der Mode werden seit einiger Zeit Nachrichten
in die Welt gesandt, die den Glauben hervorrufen sol¬
len, als ob die Zeit der Blusen vorüber wäre. Der
Anlaß zu diesen Ausstreuungen ist leicht einzusehen;
an der Bluse wird nach der Auffassung großer Mode¬
firmen zu wenig verdient. Aber gerade deshalb blei¬
ben die Frauen dem liebgewordenen, eleganten und
doch billigen Kleidungsstücke treu, und die Bluse ist
noch lange nicht tot. Dies beweist so recht deutlich das
neueste Heft der „Wiener Mode“. Wenn diese ma߬
gebende Zeitschrift der Bluse eine eigene farbige Bei¬
lage widmet, so darf man beruhigt sagen, daß die
fesche, bequeme Bluse auch im kommenden Sommer
allgemein getragen werden wird. Auf diese Beilage,
eine Musterleistung des Dreifarbendruckes, sei deshalb
ganz besonders hingewiesen.
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