box 2175
16.1. Lebendige Stunden—Z#klus
“ hältlich bei Josef Feix, Feinkosthandlung, Teplitz, und Karl
Herglotz, Mariaschein.
i
S
Tepitzer Stadttheater.
Lebendige Stunden. —4 Akte von Arthur Schwit#
ler.] Der wahre Dichter ist — das weiß mar am bestene
von Goethe — immer ein Gelegenheitsdichter. Seine
Töpzitzer Stadttheäte
Werke sind stets entweder die künstlerischen Memoiren
äußerer, oder die künstlerischen Evolutionen innerer Er¬
Lebendige Stunden #
lebnisse. Goethe bekennt, daß er ein Erlebnis erst dann
von Artur Schnitzler. Herr Schnitzter
wirklich „hinter sich“ und erst dann in aller Form über¬
list Jude, jener mit dem Firnis der gegensei
wunden hatte, wenn es ihm mit einem Gedichte von der¬
stigen Selbstberäucherung übertünchten Kie
Seele geschrieben war. Heinrich Heine hat dieser Tatsache
que angehörend, welche leider — ach so lei
wiederholt Ausdruck verliehen:
der — sich „Wiener Schule“ heißt und wel¬
Aus meinen großen Schmerzen
che mit ihrer Vordringlichkeit und Maniriert
Mach' ich die kleinen Lieder ...
heit die Leute da draußen, jenseits
d
Ser:
schwarzgelben Grenzpfähle, so lange ver¬
Ich wollt', meine Schmerzen ergößen
Finderte, all' die schönen und reinen und
Sich all in ein einzig Wort,
kräftigen Blüten zu sehen, welche das jun¬
Das gäb' ich den lustigen Winden,
ge literarische Deutschösterreich treibt. Trä¬
Sie trügen es lustig fort.
fen die eingangs erwähnten Charakteristika
Und wie sagt Marie Ebner=Eschenbach so schön?
nicht zu, dann wären auch über dieses „reif¬
Ein kleines Lied, — wie geht's nur an,
ste Werk“ in der Oeffentlichkeit die Akten
Daß es uns so erfreuen kann?
längst geschlossen.
„4 Akte“!
Akt heißt
Handlung!
Was liegt darin? Erzähle! —
„Lehendige Stunden
ein ge¬
Es liegt darin ein wenig Klang,
meinsamer Titel muß — oder soll doch we¬
Ein wenig Wohllaut und Gesang
nigstens auch eine Bedeutung haben, et¬
Und eine ganze Seele.
D##andeuten. Die Erinsierung an vergan¬
Die ganze Seele mit ihrem großen, geheimen Leben,
##gulso früher „lebendige“ Stunden, soll
mit den tausend Erlebnissen, die sich darin vollziehen, mit
##r „rote Faden“ sein? Und im ersten
den tausend Akten und Katastrophen, die darin vor sich
wo man den Titel einmal hört, da
gehen. Und vielleicht ist es vom rein menschlichen Stand¬
wird man geradezu darauf gestoßen. Merkst
punkte gar nicht so ungerecht, diese Umwertung des inneren
duls, hier will der Dichter die Ueberschrift
Lebens als eine Art von beneidenswerter oder bedauerns¬
sichtfertigen! „Die Frau mit dem Dolche“
werter Leichtlebigkeit zu bezeichnen, die nicht unähnlich ist
## ein Vorbild gekünstelter Mache! Die rein¬
jener, die im Schmerze Trost sucht im Champagnerkelche
sten Empfindungen löst noch der dritte „Alte
oder in der Schnapsflasche, die eine große, hoffnungslose
zus: „Die letzten Masken“
Im Stück
Liebe zu überwinden und zu ermorden imstande ist in den
Literatur“ wollte Herr Schnitzler eine Sa¬
Armen der Dirne ... Jawohl, jene Umwertung kann
tire auf gewisse Typen der großstädtischen
etwas Großes oder etwas Verächtliches sein, — es kommt
Literaten
auf sich selbst?
schreiben?
auf den Menschen an, in dem sie sich vollzieht.
Ekel und Langeweile „versüßt“(
durch
In den „lebendigen Stunden“ zeigt der
einige triviale Witze. Dagegen soll die an¬
Dichter an vier Fällen sowohl die Größe als auch die Ver¬
sehnliche Charakteristik einzelner Gestalten
ächtlichkeit dieser Umwertung, — im ersten Akte läßt er es
und Schnitzle#'s bekannte
Genremalerei
sogar dem subjektiven Empfinden anheimgestellt, zwischen
nicht bemängelt werden Gespielt wurde
Verächtlichkeit und Größe zu entscheiden. Denn wir zaudern
durchschnittlich sehr gut¬
In erster Reibe
und schwanken, ehe wir uns entscheiden, den Jüngling zu
muß Herr Haller als Hausdorfer und a
beneiden oder zu beklagen, der das große Opfer seiner
Journalist Rademacher besonders herausg
Mutter annimmt, die sich selbst tötet, um ihrem Sohne die
hoben werden, dann Herr Suchanek u
Schaffensfreudigkeit wiederzugeben, die durch ihre lang¬
Frau Rosa Raul. Herr Matung kämpft
wierige Krankheit in mitleidende Unfruchtbarkeit versunken
sehr noch mit seinemschechischen Akzer
war. Dem Lebenden gehört die Welt! Aber Anton Haus¬
derr Heltbach befleißigte sich,
unterste
dorfer, der Freund der bewunderungswürdigen Mutter, ist
von der Unruhe des Publikums, einer rüh¬
der Meinung, daß eine Stunde des Lebens mehr werk
#t4
renden Undentlichkeir.
e Ahe
zahlreich
—
ist, als das schönste Gedicht. Wer wollte dieser schlichten
·• IMARRARRR
m
—
2#4
—.——
Meinung sein Herz so ganz verschließen?
„stammesgenössische“ Publikum, das sein
„Die Frau mit dem Dolche“ ist eine litera¬
Verständnis „durch lebhaftes“ Lachen ge¬
rische Bijoutterie von seltener Zartheit, die, um ganz aus¬
rade bei der starken wirkungsvollen Kran¬
gekostet zu sein, von den feineren Nerven eines literarischen
kenhausszene offenbarte, klatschte ziemlich
Publikums aufgenommen sein will. Aus der Traumwelt
lauten Beifall.
einer sensiblen Frau, die eben daran ist, der menschlichen
G
Bürde ihrer weiblichen Natur zu erliegen und einen Treu¬
bruch zu begehen, löst sich plötzlich ein Erlebnis auf trans¬
zendentalem Gebiete los. „Er“, mit dem sie eben die schiefe
Ebene betreten will, und „sie“ stehen in einem Museum
vor dem Bilde eines unbekannten Meisters: „die Frau mit
dem Dolche“ sieht ihr so merkwürdig ähnlich. Was deutet
die erhobene Hand, die den Dolch nach vollbrachter Tat
emporhält? So hat der unbekannte, vergessene Meister
dereinst seinen großen Schmerz um die Treulosigkeit seines
Weibes — umgewertet, so, in diesem grausam=schönen, ge¬
heimnisvollen Bilde, hat der Meister sein Weib verewigt,
als es den Geliebten einer schwachen Nacht ermordet hatte.
16.1. Lebendige Stunden—Z#klus
“ hältlich bei Josef Feix, Feinkosthandlung, Teplitz, und Karl
Herglotz, Mariaschein.
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Tepitzer Stadttheater.
Lebendige Stunden. —4 Akte von Arthur Schwit#
ler.] Der wahre Dichter ist — das weiß mar am bestene
von Goethe — immer ein Gelegenheitsdichter. Seine
Töpzitzer Stadttheäte
Werke sind stets entweder die künstlerischen Memoiren
äußerer, oder die künstlerischen Evolutionen innerer Er¬
Lebendige Stunden #
lebnisse. Goethe bekennt, daß er ein Erlebnis erst dann
von Artur Schnitzler. Herr Schnitzter
wirklich „hinter sich“ und erst dann in aller Form über¬
list Jude, jener mit dem Firnis der gegensei
wunden hatte, wenn es ihm mit einem Gedichte von der¬
stigen Selbstberäucherung übertünchten Kie
Seele geschrieben war. Heinrich Heine hat dieser Tatsache
que angehörend, welche leider — ach so lei
wiederholt Ausdruck verliehen:
der — sich „Wiener Schule“ heißt und wel¬
Aus meinen großen Schmerzen
che mit ihrer Vordringlichkeit und Maniriert
Mach' ich die kleinen Lieder ...
heit die Leute da draußen, jenseits
d
Ser:
schwarzgelben Grenzpfähle, so lange ver¬
Ich wollt', meine Schmerzen ergößen
Finderte, all' die schönen und reinen und
Sich all in ein einzig Wort,
kräftigen Blüten zu sehen, welche das jun¬
Das gäb' ich den lustigen Winden,
ge literarische Deutschösterreich treibt. Trä¬
Sie trügen es lustig fort.
fen die eingangs erwähnten Charakteristika
Und wie sagt Marie Ebner=Eschenbach so schön?
nicht zu, dann wären auch über dieses „reif¬
Ein kleines Lied, — wie geht's nur an,
ste Werk“ in der Oeffentlichkeit die Akten
Daß es uns so erfreuen kann?
längst geschlossen.
„4 Akte“!
Akt heißt
Handlung!
Was liegt darin? Erzähle! —
„Lehendige Stunden
ein ge¬
Es liegt darin ein wenig Klang,
meinsamer Titel muß — oder soll doch we¬
Ein wenig Wohllaut und Gesang
nigstens auch eine Bedeutung haben, et¬
Und eine ganze Seele.
D##andeuten. Die Erinsierung an vergan¬
Die ganze Seele mit ihrem großen, geheimen Leben,
##gulso früher „lebendige“ Stunden, soll
mit den tausend Erlebnissen, die sich darin vollziehen, mit
##r „rote Faden“ sein? Und im ersten
den tausend Akten und Katastrophen, die darin vor sich
wo man den Titel einmal hört, da
gehen. Und vielleicht ist es vom rein menschlichen Stand¬
wird man geradezu darauf gestoßen. Merkst
punkte gar nicht so ungerecht, diese Umwertung des inneren
duls, hier will der Dichter die Ueberschrift
Lebens als eine Art von beneidenswerter oder bedauerns¬
sichtfertigen! „Die Frau mit dem Dolche“
werter Leichtlebigkeit zu bezeichnen, die nicht unähnlich ist
## ein Vorbild gekünstelter Mache! Die rein¬
jener, die im Schmerze Trost sucht im Champagnerkelche
sten Empfindungen löst noch der dritte „Alte
oder in der Schnapsflasche, die eine große, hoffnungslose
zus: „Die letzten Masken“
Im Stück
Liebe zu überwinden und zu ermorden imstande ist in den
Literatur“ wollte Herr Schnitzler eine Sa¬
Armen der Dirne ... Jawohl, jene Umwertung kann
tire auf gewisse Typen der großstädtischen
etwas Großes oder etwas Verächtliches sein, — es kommt
Literaten
auf sich selbst?
schreiben?
auf den Menschen an, in dem sie sich vollzieht.
Ekel und Langeweile „versüßt“(
durch
In den „lebendigen Stunden“ zeigt der
einige triviale Witze. Dagegen soll die an¬
Dichter an vier Fällen sowohl die Größe als auch die Ver¬
sehnliche Charakteristik einzelner Gestalten
ächtlichkeit dieser Umwertung, — im ersten Akte läßt er es
und Schnitzle#'s bekannte
Genremalerei
sogar dem subjektiven Empfinden anheimgestellt, zwischen
nicht bemängelt werden Gespielt wurde
Verächtlichkeit und Größe zu entscheiden. Denn wir zaudern
durchschnittlich sehr gut¬
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und schwanken, ehe wir uns entscheiden, den Jüngling zu
muß Herr Haller als Hausdorfer und a
beneiden oder zu beklagen, der das große Opfer seiner
Journalist Rademacher besonders herausg
Mutter annimmt, die sich selbst tötet, um ihrem Sohne die
hoben werden, dann Herr Suchanek u
Schaffensfreudigkeit wiederzugeben, die durch ihre lang¬
Frau Rosa Raul. Herr Matung kämpft
wierige Krankheit in mitleidende Unfruchtbarkeit versunken
sehr noch mit seinemschechischen Akzer
war. Dem Lebenden gehört die Welt! Aber Anton Haus¬
derr Heltbach befleißigte sich,
unterste
dorfer, der Freund der bewunderungswürdigen Mutter, ist
von der Unruhe des Publikums, einer rüh¬
der Meinung, daß eine Stunde des Lebens mehr werk
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zahlreich
—
ist, als das schönste Gedicht. Wer wollte dieser schlichten
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—.——
Meinung sein Herz so ganz verschließen?
„stammesgenössische“ Publikum, das sein
„Die Frau mit dem Dolche“ ist eine litera¬
Verständnis „durch lebhaftes“ Lachen ge¬
rische Bijoutterie von seltener Zartheit, die, um ganz aus¬
rade bei der starken wirkungsvollen Kran¬
gekostet zu sein, von den feineren Nerven eines literarischen
kenhausszene offenbarte, klatschte ziemlich
Publikums aufgenommen sein will. Aus der Traumwelt
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einer sensiblen Frau, die eben daran ist, der menschlichen
G
Bürde ihrer weiblichen Natur zu erliegen und einen Treu¬
bruch zu begehen, löst sich plötzlich ein Erlebnis auf trans¬
zendentalem Gebiete los. „Er“, mit dem sie eben die schiefe
Ebene betreten will, und „sie“ stehen in einem Museum
vor dem Bilde eines unbekannten Meisters: „die Frau mit
dem Dolche“ sieht ihr so merkwürdig ähnlich. Was deutet
die erhobene Hand, die den Dolch nach vollbrachter Tat
emporhält? So hat der unbekannte, vergessene Meister
dereinst seinen großen Schmerz um die Treulosigkeit seines
Weibes — umgewertet, so, in diesem grausam=schönen, ge¬
heimnisvollen Bilde, hat der Meister sein Weib verewigt,
als es den Geliebten einer schwachen Nacht ermordet hatte.