II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 592

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16.1. Lebendige Stunden Zuklus
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(Lebendige Stunden. —4 Akte von Arthur Schnitz¬
ler.] Der wahre Dichter ist — das weiß man am besten
von Goethe — immer ein Gelegenheitsdichter. Seine
Werke sind stets entweder die künstlerischen Memoiren
äußerer, oder die künstlerischen Evolutionen innerer Er¬
lebnisse. Goethe bekennt, daß er ein Erlebnis erst dann
wirklich „hinter sich“ und erst dann in aller Form über¬
wunden hatte, wenn es ihm mit einem Gedichte von der
Seele geschrieben war. Heinrich Heine hat dieser Tatsache
wiederholt Ausdruck verliehen:
Aus meinen großen Schmerzen
Mach' ich die kleinen Lieder ...
oder:
Ich wollt', meine Schmerzen ergößen
Sich all in ein einzig Wort,
Das gäb' ich den lustigen Winden,
Sie trügen es lustig fort.
Und wie sagt Marie Ebner=Eschenbach so schön?
Ein kleines Lied, — wie geht's nur an,
Daß es uns so erfreuen kann?
Was liegt darin? Erzähle! —
Es liegt darin ein wenig Klang,
Ein wenig Wohllaut und Gesang
Und eine ganze Seele.
Die ganze Seele mit ihrem großen, geheimen Leben,
mit den tausend Erlebnissen, die sich darin vollziehen, mit
den tausend Akten und Katastrophen, die darin vor sich
gehen. Und vielleicht ist es vom rein menschlichen Stand¬
punkte gar nicht so ungerecht, diese Umwertung des inneren
Lebens als eine Art von beneidenswerter oder bedauerns¬