16.1. Lebendige Stunden Zyklus box 21/5
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Eine Skizzierung des Inhaltes hieße, aus dem lebens¬
vollen Gebilde, an dem jeder Zoll Geist, tiefe Beobachtung,
künstlerische Gestaltungskraft ist, das tote Gerippe heraus¬
schälen.
Die Darstellung und insbesondere auch die gedanken¬
volle Regie des Herrn Julius Haller hat die vier bedeu¬
tenden Akte sehr würdig herausgebracht. Frau Rosa Mül¬
ler=Raul ließ mit der Titelrolle in der „Frau mit dem
Dolche“ und als Margarete in „Literatur“ zwei schöne
Enthüllungen ihres großen, künstlerischen Könnens sehen.
Herr Julius Haller war als Hausdorfer in dem ersten
Akte von impoikierender Gestaltungskraft und schwang sich
als Rademacher in den „Letzten Masken“ zur vollen Höhe
seiner genialen Charakterisierung empor. Den Schauspieler
Jackwerth gab Herr Adolf Suchanek in einer wirklich
so geistvollen Charakterstudie, daß es fast unbegreiflich ist,
wieso ihm im letzten Akte die Figur des Gilbert, wenn auch
keineswegs in der Maske, so doch in ihrer inneren Anlage
stark mißlingen konnte. Dieser Gilbert ist nicht, wie ihn
Herr Suchanek auffaßte, ein Kerl voller Selbstironie, der in
einem fort über sich selber kritisch lächelt, — nein, der
Mann ist voll Selbstbewußtsein, glaubt an sich und seine
literarische Sendung, ist also im Grunde eine naive Na¬
tur. Auffallend schön und mit einigen sehr gediegenen, per¬
sönlichen Nuancen charakterisierte Herr Karl Matuna
den Clemens. Herr Franz Tichy war als Weihgast und
Remigio ein gediegener Darsteller, desgleichen Herr Ernst
Hellbach als Heinrich in den „Lebendigen Stunden“
und als Leonhard in der „Frau mit dem Dolche“, nur hätte
vielleicht in dem ersten Akte ein kleine Zügelung in der pa¬
thetischen Deklamation natürlicher gewirkt. Die Charge
der Frau Marie Gröbmaier und des Herrn Carlo
Berger waren sehr ansprechend.
—ch.
„Doppel=Ehe.“ Schpank voy Kurt Kraatz.] Das
Stück ist ein heller Spiegel, ereflektiert das widerliche
Bild der Degeneration moderng Bühnenkunst. Es erschüt¬
tert — nicht die Lachmuskely cher die kritische Erkennt¬
nis. Und vor der Bescheidepheit des verirrten Geschmackes,
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Eine Skizzierung des Inhaltes hieße, aus dem lebens¬
vollen Gebilde, an dem jeder Zoll Geist, tiefe Beobachtung,
künstlerische Gestaltungskraft ist, das tote Gerippe heraus¬
schälen.
Die Darstellung und insbesondere auch die gedanken¬
volle Regie des Herrn Julius Haller hat die vier bedeu¬
tenden Akte sehr würdig herausgebracht. Frau Rosa Mül¬
ler=Raul ließ mit der Titelrolle in der „Frau mit dem
Dolche“ und als Margarete in „Literatur“ zwei schöne
Enthüllungen ihres großen, künstlerischen Könnens sehen.
Herr Julius Haller war als Hausdorfer in dem ersten
Akte von impoikierender Gestaltungskraft und schwang sich
als Rademacher in den „Letzten Masken“ zur vollen Höhe
seiner genialen Charakterisierung empor. Den Schauspieler
Jackwerth gab Herr Adolf Suchanek in einer wirklich
so geistvollen Charakterstudie, daß es fast unbegreiflich ist,
wieso ihm im letzten Akte die Figur des Gilbert, wenn auch
keineswegs in der Maske, so doch in ihrer inneren Anlage
stark mißlingen konnte. Dieser Gilbert ist nicht, wie ihn
Herr Suchanek auffaßte, ein Kerl voller Selbstironie, der in
einem fort über sich selber kritisch lächelt, — nein, der
Mann ist voll Selbstbewußtsein, glaubt an sich und seine
literarische Sendung, ist also im Grunde eine naive Na¬
tur. Auffallend schön und mit einigen sehr gediegenen, per¬
sönlichen Nuancen charakterisierte Herr Karl Matuna
den Clemens. Herr Franz Tichy war als Weihgast und
Remigio ein gediegener Darsteller, desgleichen Herr Ernst
Hellbach als Heinrich in den „Lebendigen Stunden“
und als Leonhard in der „Frau mit dem Dolche“, nur hätte
vielleicht in dem ersten Akte ein kleine Zügelung in der pa¬
thetischen Deklamation natürlicher gewirkt. Die Charge
der Frau Marie Gröbmaier und des Herrn Carlo
Berger waren sehr ansprechend.
—ch.
„Doppel=Ehe.“ Schpank voy Kurt Kraatz.] Das
Stück ist ein heller Spiegel, ereflektiert das widerliche
Bild der Degeneration moderng Bühnenkunst. Es erschüt¬
tert — nicht die Lachmuskely cher die kritische Erkennt¬
nis. Und vor der Bescheidepheit des verirrten Geschmackes,