bungen unseres Burgtheaters haben ihn alle, diesen Typ,
und es scheint, als sollte die uniforme Darstellungskunst, die
einst den berühmten Stil der ersten deutschen Bühne aus¬
machte, nun — da sie durch norddeutschen und realistischen
Einschlag etwas in Unordnung gebracht wurde — durch eine
Uniformierung des Repertoires ersetzt werden. Es ist der Typ
einer besonderen Wohlanständigkeit, einer ehrbaren Pikan¬
terie, einer literarisch angehauchten Langweiligkeit. Komtes¬
sengeschmack. Der Autor und die handelnden Personen dürfen
sich nach keiner Richtung hin allzusehr exponieren. Es ist Sa¬
londramatik. Bildlich gesprochen: roter Einband und Gold¬
schnitt. Unleugbar ist: alle diese Stücke sind recht hübsch. recht
fein, recht gebildet; sie zeigen von guter Erziehung des Au¬
tors und darum verletzen sie auch ein wohlerzogenes Publi¬
kum in keinem Punkte. Blumenthals: „Wann wir altern“
ist ein Paradigma für diese Art von Stücken. Und Bern¬
steins „Goldener Schlüssel“ ist genau nach dem Paradigma
gearbeitet. Liebenswürdige Schalkhaftigkeit umspielt das
Thema, dessen Ernst nur ganz leise anklingen darf. In an¬
mutigen Tanzschritten, wie bei einem Menuett, nähern und
entfernen sich die beiden Personen dieses Spieles. Wie eine
leichte Melodie ist der Eindruck dieses Stückes. Bei einem
Ohr hinein, beim andern veransgeune ung ier zu berüchten.
Und doch geht uns das Thema nahe genug an. Ein Ehe¬
problem: was ist zu tun, um die Liebe der Gatten zu er¬
neuern, um keinen überdruß aufkommen zu lassen? Wie
kann die Gefahr der Gleichgültigkeit vermieden werden? —
Ein ernstes Thema! Max Bernstein behandelt es liebens¬
würdig, manierlich, gewandt, anmutig, schalkhaft, im besten
Komtessengeschmack, und er verfehlt nicht, die dem Thema
anhaftenden sinnlichen Emotionen mit gefälliger Pikanterie
durch die Symbolik des goldenen Schlüssels anzudeuten. —
Kräftiger und schwerer ist Das Fest des St. Matern“ des
Ernst Welisch, eines homo novus, wie mir scheint. Hier klingt
etwas an „Paracelsus“ an, den „Paracelsus“ Schnitzlers der
yon allen Lebenden weitaus den stärksten Einfluß auf die
zitgenössischen Dramatiker übt. Dieser Anklang liegt weniger
in dem Grundgedanken, als in der Art der Behandlung, vor
allem in der Gestalt des Klaus Ciriax, der gleich Paracelsus
mit Menschen spielt und doch seiner selbst im Innern ungewiß
ist. Und dann ist etwas von einem alten deutschen Schelmen¬
stück darin. Von einem Gaukler, der behauptet, die Toten
wieder beleben zu können, und dessen Kunst von allem Volk
gefürchtet wird, weil niemand seine Toten wieder auferstehen
lassen will. Ein altes Schelmenstück, modern gewendet: das
heißt, ins Sentimentale, Gefühlvolle. Die tote Jugend und
erstorbene Begeisterung in dem Gaukler selbst sind nicht mehr
wieder zu beleben und willig stellt er sich selbst an den Pran¬
ger. Geschickte dramatische Führung und eine gute Behand¬
lung des Verses und Reimes zeichnen das Stück des neuen
Mannes aus und lassen an ein ehrliches Können glauben, das
einem ehrlichen Wollen zu entsprechen scheint. — Den Klaus
Ciriax gab Herr Gerhard mit dem ganzen Aufgebot seiner
Sprechtechnik, nur manchmal das Tempo so sehr steigernd,
daß ganze Partien verschwommen und undeutlich wurden,
vielleicht deshalb, weil das Ohr einer solchen Hetze von Worten
nicht mehr zu folgen vermag. Als Gestalt aber war dieser
Gankler eine gute Leistung. plastisch und nicht ohne beweg¬
liche Töne in dem inneren Konflikt. Aus dem gut zusammen¬
gefügten Ensemble ragten Frau Kreith=Lanius als
Tormarie, Fräulein Robe als Sabine und die Herren Bo¬
wacz, Moser und Teller hervor. In „Der goldene
Schlüssel“ fand Herr Gerhard eine leichte, ungemein sympa¬
thische Art, eine fein an das Groteske streifende Mkunterkeit
und gab sich wirklich wie eine Traumgestalt. Sein. Heraus¬
steigen aus dem Bilde und seine Rückkehr dahin geschahen
ganz natürlich, und geschickt hielt er die schwebende Stim¬
mung fest. Weniger glücklich war er als Gilbert in „Litera¬
tur“ Hier hätte er den Zyniker mehr hervorkehren und alle
Gefühlstöne unterdrücken sollen. Als seine Partnerin fand
auch Fräulein Michalek die Traumstimmung. Eine leichte
Verwunderung war in ihrer Art. Ihr Lachen, ein leichtes.
glucksendes Lachen, ein glückliches Kichern klang so, wie aus
dem Schlaf. Anmutig folgte sie dem Zuge ihres Herzens noch
ein wenig jungfräulich widerstrebend und doch frauenhaft
beglückt. Frau Kreith=Lanius gab in „Literatur“ die
Schriftstellerin mit viel Geschmack, und brachte die meisten
Züge voll zur Geltung,Herrn Müllers drolliger Clemens
ist uns schon bekanuts——#
und es scheint, als sollte die uniforme Darstellungskunst, die
einst den berühmten Stil der ersten deutschen Bühne aus¬
machte, nun — da sie durch norddeutschen und realistischen
Einschlag etwas in Unordnung gebracht wurde — durch eine
Uniformierung des Repertoires ersetzt werden. Es ist der Typ
einer besonderen Wohlanständigkeit, einer ehrbaren Pikan¬
terie, einer literarisch angehauchten Langweiligkeit. Komtes¬
sengeschmack. Der Autor und die handelnden Personen dürfen
sich nach keiner Richtung hin allzusehr exponieren. Es ist Sa¬
londramatik. Bildlich gesprochen: roter Einband und Gold¬
schnitt. Unleugbar ist: alle diese Stücke sind recht hübsch. recht
fein, recht gebildet; sie zeigen von guter Erziehung des Au¬
tors und darum verletzen sie auch ein wohlerzogenes Publi¬
kum in keinem Punkte. Blumenthals: „Wann wir altern“
ist ein Paradigma für diese Art von Stücken. Und Bern¬
steins „Goldener Schlüssel“ ist genau nach dem Paradigma
gearbeitet. Liebenswürdige Schalkhaftigkeit umspielt das
Thema, dessen Ernst nur ganz leise anklingen darf. In an¬
mutigen Tanzschritten, wie bei einem Menuett, nähern und
entfernen sich die beiden Personen dieses Spieles. Wie eine
leichte Melodie ist der Eindruck dieses Stückes. Bei einem
Ohr hinein, beim andern veransgeune ung ier zu berüchten.
Und doch geht uns das Thema nahe genug an. Ein Ehe¬
problem: was ist zu tun, um die Liebe der Gatten zu er¬
neuern, um keinen überdruß aufkommen zu lassen? Wie
kann die Gefahr der Gleichgültigkeit vermieden werden? —
Ein ernstes Thema! Max Bernstein behandelt es liebens¬
würdig, manierlich, gewandt, anmutig, schalkhaft, im besten
Komtessengeschmack, und er verfehlt nicht, die dem Thema
anhaftenden sinnlichen Emotionen mit gefälliger Pikanterie
durch die Symbolik des goldenen Schlüssels anzudeuten. —
Kräftiger und schwerer ist Das Fest des St. Matern“ des
Ernst Welisch, eines homo novus, wie mir scheint. Hier klingt
etwas an „Paracelsus“ an, den „Paracelsus“ Schnitzlers der
yon allen Lebenden weitaus den stärksten Einfluß auf die
zitgenössischen Dramatiker übt. Dieser Anklang liegt weniger
in dem Grundgedanken, als in der Art der Behandlung, vor
allem in der Gestalt des Klaus Ciriax, der gleich Paracelsus
mit Menschen spielt und doch seiner selbst im Innern ungewiß
ist. Und dann ist etwas von einem alten deutschen Schelmen¬
stück darin. Von einem Gaukler, der behauptet, die Toten
wieder beleben zu können, und dessen Kunst von allem Volk
gefürchtet wird, weil niemand seine Toten wieder auferstehen
lassen will. Ein altes Schelmenstück, modern gewendet: das
heißt, ins Sentimentale, Gefühlvolle. Die tote Jugend und
erstorbene Begeisterung in dem Gaukler selbst sind nicht mehr
wieder zu beleben und willig stellt er sich selbst an den Pran¬
ger. Geschickte dramatische Führung und eine gute Behand¬
lung des Verses und Reimes zeichnen das Stück des neuen
Mannes aus und lassen an ein ehrliches Können glauben, das
einem ehrlichen Wollen zu entsprechen scheint. — Den Klaus
Ciriax gab Herr Gerhard mit dem ganzen Aufgebot seiner
Sprechtechnik, nur manchmal das Tempo so sehr steigernd,
daß ganze Partien verschwommen und undeutlich wurden,
vielleicht deshalb, weil das Ohr einer solchen Hetze von Worten
nicht mehr zu folgen vermag. Als Gestalt aber war dieser
Gankler eine gute Leistung. plastisch und nicht ohne beweg¬
liche Töne in dem inneren Konflikt. Aus dem gut zusammen¬
gefügten Ensemble ragten Frau Kreith=Lanius als
Tormarie, Fräulein Robe als Sabine und die Herren Bo¬
wacz, Moser und Teller hervor. In „Der goldene
Schlüssel“ fand Herr Gerhard eine leichte, ungemein sympa¬
thische Art, eine fein an das Groteske streifende Mkunterkeit
und gab sich wirklich wie eine Traumgestalt. Sein. Heraus¬
steigen aus dem Bilde und seine Rückkehr dahin geschahen
ganz natürlich, und geschickt hielt er die schwebende Stim¬
mung fest. Weniger glücklich war er als Gilbert in „Litera¬
tur“ Hier hätte er den Zyniker mehr hervorkehren und alle
Gefühlstöne unterdrücken sollen. Als seine Partnerin fand
auch Fräulein Michalek die Traumstimmung. Eine leichte
Verwunderung war in ihrer Art. Ihr Lachen, ein leichtes.
glucksendes Lachen, ein glückliches Kichern klang so, wie aus
dem Schlaf. Anmutig folgte sie dem Zuge ihres Herzens noch
ein wenig jungfräulich widerstrebend und doch frauenhaft
beglückt. Frau Kreith=Lanius gab in „Literatur“ die
Schriftstellerin mit viel Geschmack, und brachte die meisten
Züge voll zur Geltung,Herrn Müllers drolliger Clemens
ist uns schon bekanuts——#