II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 612

((Stadttheater Gablonz a. A.
0 W„, Lebendige Stunden.“) Artur S
Aallen Literatur= und Theaktefreifbet
lei
dekannt, als daß man über ihn viel zu
sagen brauchte. Seine vier Einakter unter
dem Titel „Lebendige Stunden“ be¬
handeln im Grunde genommen das Verhält¬
nis, in dem ein Künstler zu seinem Schaffen
steht; sie behandeln es unter wechselnden Um¬
ständen, aber stets mit dem ganzen Reiz der
Schnitzler'schen Eigenart. Es sind Probleme
des Alltages wie des Künstlerlebens, lebendig
erfaßt, psychologisch meisterhaft durchgeführt,
ngsvollem Dialog mit leichter Sa¬
in stin
einsamen alten Mann, Anton Hausdorfer, der
ihr ein Freund geworden war vor langen
Jahren, als ihr Mann sie und ihr Kind ver¬
lassen hatte, — mehr als ein Freund. Bei der
Rückkehr von einer Reise, die Heinrich unter¬
nommen hat, um Trost und neue Schaffens¬
freude zu erlangen, erfährt er erst durch ein Zwie¬
gespräch mit Hausdorfer, daß seine Mutter
freiwillig aus dem Leben schied und was für
ein Beweggrund sie zu diesem Entschlusse ge¬
trieben hat. Für den Augenblick ist der Sohn
wohl niedergeschmettert, bald aber will er in
seinem Schaffen den Beweis versuchen, daß
die Mutter nicht vergeblich gestorben sei.
Hausdorfer aber meint, um diesen Preis sei selbst
der größte Erfolg „der Schreiberei“ zu teuer
erkauft; er sei nicht imstande, eine einzige
lebendige Stunde aufzuwiegen, wo die Mutter
(bei ihnen gesessen und gesprochen oder ge¬
schwiegen habe. Da verteidigt der Dichter sich
und die Kunst: „Es ist nicht der schlechteste
Beruf, solchen Stunden Dauer zu verleihen
über ihre Zeit hinaus.“ — Der stimmungs¬
schwere Dialog ist scheinbar leicht wiederzu¬
geben, weil er sich in das einfache Gewand na¬
türlicher Sprechweise kleidet. Ihn zu beherr¬
schen erfordert aber gerade künstlerisches Fein¬
gefühl und beseeltes Sprechen aus dem be¬
wegten Innern heraus ohne grelle theatralische
Akzente, die unfehlbar seine Wirkung er¬
schlagen. Es ist den beiden Hauptdarstellern
Julius Sodek (Hausdorfer) und Ferry
Gerb (Heinrich) hochanzurechnen, daß sie in
Sprache und Spiel die Schnitzler'sche Note
überraschend gut trafen., Karl Th. Hottir
ger paßte mit seinem Gärtner Boromäus in
das feine Spiel.
Statt der „Frau mit dem Dolche“ folgte
hierauf zum Vorteil: der Wirkung das Schau¬
spiel „Die letzten Masken“, wohl das
bedeutendste Drama des Abends, das sichtlich
die tiefste Wirkung erzielte. Auch dieses Stück
streift die Literatur. Der arme Journalist
Rademacher liegt im Krankenhause auf dem
Sterbebett. Er ist unten geblieben auf der
Staffel des Lebens während sein ehemaliger
Freund, der Dichter Weihgast, immer höher
hinaufklomm. Das erfüllte ihn mit Haß gegen
den Glücklichen und in seiner letzten Lebens¬
stunde will er diesen vernichten. Dem Schau¬
spieler Jackwert, einem gleichfolls dem Tode
verfallenen Spitalsgenossen, enthüllt er seinen
Racheplan und genießt die Wonne des Hasses
vorweg bei der Probe des bevorstehenden Wie¬
dersehens, die seine Kraft verzehrt; Jackwert
spielt dabei den Jugendfreund. Der Kranke
Rademacher will diesen als Dichter herabsetzen
und sein Familienglück vernichten durch die
Enthüllung seiner früheren heimlichen Be¬
ziehungen zur Gattin desselben. Als Weih¬
gast nun erscheint, ist schon die Hoheit des
Todes über den armen Teufel gekommen.
Kein einziges Wort des Vorwurfes vermag
er hervorzubringen. „Was hat unser einer
mit den Leuten zu schaffen, die morgen noch
auf der Welt sein?“ — Auch hier war die
Darstellung auf der Höhe. Vor allem hatte
naturgemäß Josef Sußmann, der den
schwerkranken und sterbenden Rademacher gab,
die schwierigste Aufgabe, vie er sehr gut
löste; leicht kann bei dieser Rolle der verzwei¬
felte Zornausbruch des Todkranken „zu ge¬
sund“ geraten. Für den weltgewandten Weih¬
gast, der das Unliebsame seiner Lage zu ver¬
bergen sucht, fand Julius Sodek einen
charakteristischen Ausdruck und Alfred Sturm