16.1. Lebendige StundenZyklus
Telephen 12.301
„OBSERVER“
Öaterr. behördl. venz. Unternehmen für Zeitunge-Ausschaltte
Wien, I., Conoordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petens
burg, Toronto.
(Oselienangabe ehne Gewätr).
Ausschnftt aus:
Si4.
Tom —
der fümnertot, Wien
Prager Theaterbrief.
Wir können mit Genugtnung einen Abend verzeichnen, an
dem man sich wirklich amüsiert hat. Gavaults Lustspiel „Das kleine
Schokoladenmädchen“ ist in der Tat sehr amüsant und lustig, ohne,
was bei einem Franzosen viel heißen will, Dinge zu enthalten,
die junge Mädchenohren erröten machen. Geben wir uns doch
keinen blasierten Anstrich, machen wir uns doch nicht mit Vorliebe
schlechter als wir sind. Wir sind schlecht genug. Das soll uns ge¬
nügen. Aber wir sind nicht so schlecht, daß wir nur an Zoten
Gefallen finden und uns dem lustig Harmlosen verschließen. Ob
wir nun am Tage Handel treiben, oder dozieren, oder schlechte
Fruilletons schreiben, im Grunde unserer P T. Herzen sind wir
doch naiv geblieben und ob wir auch nach außen hin den Kom¬
merzialrat, den Universitätsprofessor oder den Frauenarzt mit dem
lyrischen Einschlag repräsentieren, im Innern haben wir eine Kinder¬
stube, die uns nur geöffnet zu werden braucht, um darin wieder,
wie in alten Zeiten, kleine Späße dankbar anzuhören und allerlei
Kinkerlitzchen zu treiben. Wir haben also „Das kleine Schokoladen¬
mädchen“ als süß empfunden. Notabene, da Frl. Glasel zur
Kröierung dieser frischen Rolle herangezogen worden war. Sie
und Herr Tiller gaben ein allerliebstes Liebespaar ab, das rasch
den Weg zu unseren bürgerlichen Herzen fand und mit geziemen¬
der Hochachtung bedankt wurde. Die Damen Medelsky und
Nedelko, sowie die Herren Manning, Huttig, Balder, Frie¬
berg, Kaaden, Schütz und Reinhard mußten den freund¬
lichen Empfang, den das Publikum dem Stücke bereitete, voraus¬
geahnt haben, denn sie setzten ihre besten Kräfte für ein glattes,
lückenloses Zusammenspiel ein. Es war ein guter Abend.
Dem Einflusse Heinrich Teweles' ist es auch wohl zuzuschre ben,
daß Schnitzlers „Lebendige Stunden“ wieder für unsere Bühne flott
gemacht wurden. Die im besten Sinne literarischen Einakter üben
nach wie vor ihre tiefgehende Wirkung aus, sie sind nicht nur für
den Gourmet geschrieben, der ästhetisierenden Sensationen nach¬
spürt, sie bemächtigen sich auch des einfachen Mannes, der vom
Literatentum unangekränkelt, das Theater mit kernigeren Ansprüchen
aufsucht. Wenngleich ich der Darstellung kaum die Note 1 A zu
geben vermag, so muß ich doch zugestehen, daß viel ehrliches
#### len vorhanden war. Frl. Steinheil (o, daß doch diese
Tume ihren Namen änderte!) betrebte sich, das Beste des vor¬
handenen Guten zu geben und die Herren Huttig, Tiller,
Manning, Rittig, Kaaden, Schütz spielten anständige
Provinz.
Eine Debütantin, Frl. Loretto Tannert, versuchte sich als
Gilda („Rigoletto“). Himmel, ist die Dame schön! Wären wir in
Spaa, dann hätte ihr die Palme des Sieges gewinkt. Wir aber
im nüchternen Prag müssen vorsichtiger sein. Würde Frl. Loretto
nicht Oper singen, dien, wir würden sie alle, ohne Unterschied der
Konfession, mit weit geöffneten Armen aufnehmen. So aber ge¬
ziemt es uns, ein wenig reservierter zu sein und uns das Wört¬
Haimon.
chen „Abwarten!“ zuzuraunen.
box 21/5
klappt nicht immer alles.
wandlung der Scene bei
Feuilleton.
3r7
Frau mit dem Dolche",
macht, funktionierte noch
nahe aus Komische.
Theater.
Der Ausdruck „leb
T. Schon einmal hat Arthur Schnitzler, der Wiener
im ersten Einakter gemür
Schriftsteller, dem Theater einen Cyklus von Einaktern
dessen Mutter nach jahrel
geschenkt; sie führten den Titel „Der grüne Kakadu“.
storben ist, erfährt von d
„Paracelsus“ und „Die Gefährtin“. Der bedeutendste
Verstorbenen, dem der
unter ihnen, zugleich der umfangreichste, war „Der
der Kranken und der Ge
grüne Kakadu“, dessen Schauplatz das Paris des
in seinem Schaffen völlig
Bastillensturms abgiebt, ein Stück voll reicher Be¬
auf immer, die Wahr
wegung und packender dramatischer Steigerung. Von
Hofrätin: um dem Sohn
den neuen vier Einaktern, die ihren Gesamttitel
Arbeitens wieder zu vers
„Lebendige Stunden“ von dem ersten kurzen Stück
form ihrem Leben ein
empfangen haben, reicht keines an Lebendigkeit und
glaubt, in diesem Opfert
Eigenart an die „Groteske“ „Der grüne Kakadu“
pflichtung für seine Zuku
heran; aber ein jedes von ihnen zeigt doch wieder die
zu sollen. Da sagt ihm
fein und geschickt gestaltende Hand und die geistreiche
Beamte — nicht „Lehre
Faktur Schnitzlers, so daß ihre Aufführung sich lohnt.
Anton Hausdorfer, in
Vor Trivialität wenigstens ist man bei dem Wiener sicher.
abspielt, folgendes:
Ob es nun freilich ein glücklicher Griff war, mit den
Schreiberei, und wenn du
vier Einaktern gerade in dieser von der Gunst des
ist sie gegen so eine le
Publikums so erstaunlich schwach getragenen Nachsaison
Mutter hier auf dem Leh
herauszutreten, wäre eine ganz andere Frage: oder
geredet hat, oder auch ge
glaubt die Theaterleitung wirklich, es sei für die
gewesen — da und sie h
Spielenden besonders anregend, einem gähnend leeren
rätin Sohn antwortet:
Hause gegenüber ihr bestes Können einzusetzen? Man
leben doch nicht länger al
merkt es denn auch den Aufführungen der Novitäten
erinnert. Es ist nicht d
stellenweise nur zu deutlich an, daß die Schauspieler
Stunden Dauer zu verle
nicht immer völlig bei der Sache sind. Die Rollen
Das kurze Stück wurd
sitzen hie und da noch nicht fest genug. Auch in der Reaie 1 Mauren und Landeck verst
Telephen 12.301
„OBSERVER“
Öaterr. behördl. venz. Unternehmen für Zeitunge-Ausschaltte
Wien, I., Conoordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petens
burg, Toronto.
(Oselienangabe ehne Gewätr).
Ausschnftt aus:
Si4.
Tom —
der fümnertot, Wien
Prager Theaterbrief.
Wir können mit Genugtnung einen Abend verzeichnen, an
dem man sich wirklich amüsiert hat. Gavaults Lustspiel „Das kleine
Schokoladenmädchen“ ist in der Tat sehr amüsant und lustig, ohne,
was bei einem Franzosen viel heißen will, Dinge zu enthalten,
die junge Mädchenohren erröten machen. Geben wir uns doch
keinen blasierten Anstrich, machen wir uns doch nicht mit Vorliebe
schlechter als wir sind. Wir sind schlecht genug. Das soll uns ge¬
nügen. Aber wir sind nicht so schlecht, daß wir nur an Zoten
Gefallen finden und uns dem lustig Harmlosen verschließen. Ob
wir nun am Tage Handel treiben, oder dozieren, oder schlechte
Fruilletons schreiben, im Grunde unserer P T. Herzen sind wir
doch naiv geblieben und ob wir auch nach außen hin den Kom¬
merzialrat, den Universitätsprofessor oder den Frauenarzt mit dem
lyrischen Einschlag repräsentieren, im Innern haben wir eine Kinder¬
stube, die uns nur geöffnet zu werden braucht, um darin wieder,
wie in alten Zeiten, kleine Späße dankbar anzuhören und allerlei
Kinkerlitzchen zu treiben. Wir haben also „Das kleine Schokoladen¬
mädchen“ als süß empfunden. Notabene, da Frl. Glasel zur
Kröierung dieser frischen Rolle herangezogen worden war. Sie
und Herr Tiller gaben ein allerliebstes Liebespaar ab, das rasch
den Weg zu unseren bürgerlichen Herzen fand und mit geziemen¬
der Hochachtung bedankt wurde. Die Damen Medelsky und
Nedelko, sowie die Herren Manning, Huttig, Balder, Frie¬
berg, Kaaden, Schütz und Reinhard mußten den freund¬
lichen Empfang, den das Publikum dem Stücke bereitete, voraus¬
geahnt haben, denn sie setzten ihre besten Kräfte für ein glattes,
lückenloses Zusammenspiel ein. Es war ein guter Abend.
Dem Einflusse Heinrich Teweles' ist es auch wohl zuzuschre ben,
daß Schnitzlers „Lebendige Stunden“ wieder für unsere Bühne flott
gemacht wurden. Die im besten Sinne literarischen Einakter üben
nach wie vor ihre tiefgehende Wirkung aus, sie sind nicht nur für
den Gourmet geschrieben, der ästhetisierenden Sensationen nach¬
spürt, sie bemächtigen sich auch des einfachen Mannes, der vom
Literatentum unangekränkelt, das Theater mit kernigeren Ansprüchen
aufsucht. Wenngleich ich der Darstellung kaum die Note 1 A zu
geben vermag, so muß ich doch zugestehen, daß viel ehrliches
#### len vorhanden war. Frl. Steinheil (o, daß doch diese
Tume ihren Namen änderte!) betrebte sich, das Beste des vor¬
handenen Guten zu geben und die Herren Huttig, Tiller,
Manning, Rittig, Kaaden, Schütz spielten anständige
Provinz.
Eine Debütantin, Frl. Loretto Tannert, versuchte sich als
Gilda („Rigoletto“). Himmel, ist die Dame schön! Wären wir in
Spaa, dann hätte ihr die Palme des Sieges gewinkt. Wir aber
im nüchternen Prag müssen vorsichtiger sein. Würde Frl. Loretto
nicht Oper singen, dien, wir würden sie alle, ohne Unterschied der
Konfession, mit weit geöffneten Armen aufnehmen. So aber ge¬
ziemt es uns, ein wenig reservierter zu sein und uns das Wört¬
Haimon.
chen „Abwarten!“ zuzuraunen.
box 21/5
klappt nicht immer alles.
wandlung der Scene bei
Feuilleton.
3r7
Frau mit dem Dolche",
macht, funktionierte noch
nahe aus Komische.
Theater.
Der Ausdruck „leb
T. Schon einmal hat Arthur Schnitzler, der Wiener
im ersten Einakter gemür
Schriftsteller, dem Theater einen Cyklus von Einaktern
dessen Mutter nach jahrel
geschenkt; sie führten den Titel „Der grüne Kakadu“.
storben ist, erfährt von d
„Paracelsus“ und „Die Gefährtin“. Der bedeutendste
Verstorbenen, dem der
unter ihnen, zugleich der umfangreichste, war „Der
der Kranken und der Ge
grüne Kakadu“, dessen Schauplatz das Paris des
in seinem Schaffen völlig
Bastillensturms abgiebt, ein Stück voll reicher Be¬
auf immer, die Wahr
wegung und packender dramatischer Steigerung. Von
Hofrätin: um dem Sohn
den neuen vier Einaktern, die ihren Gesamttitel
Arbeitens wieder zu vers
„Lebendige Stunden“ von dem ersten kurzen Stück
form ihrem Leben ein
empfangen haben, reicht keines an Lebendigkeit und
glaubt, in diesem Opfert
Eigenart an die „Groteske“ „Der grüne Kakadu“
pflichtung für seine Zuku
heran; aber ein jedes von ihnen zeigt doch wieder die
zu sollen. Da sagt ihm
fein und geschickt gestaltende Hand und die geistreiche
Beamte — nicht „Lehre
Faktur Schnitzlers, so daß ihre Aufführung sich lohnt.
Anton Hausdorfer, in
Vor Trivialität wenigstens ist man bei dem Wiener sicher.
abspielt, folgendes:
Ob es nun freilich ein glücklicher Griff war, mit den
Schreiberei, und wenn du
vier Einaktern gerade in dieser von der Gunst des
ist sie gegen so eine le
Publikums so erstaunlich schwach getragenen Nachsaison
Mutter hier auf dem Leh
herauszutreten, wäre eine ganz andere Frage: oder
geredet hat, oder auch ge
glaubt die Theaterleitung wirklich, es sei für die
gewesen — da und sie h
Spielenden besonders anregend, einem gähnend leeren
rätin Sohn antwortet:
Hause gegenüber ihr bestes Können einzusetzen? Man
leben doch nicht länger al
merkt es denn auch den Aufführungen der Novitäten
erinnert. Es ist nicht d
stellenweise nur zu deutlich an, daß die Schauspieler
Stunden Dauer zu verle
nicht immer völlig bei der Sache sind. Die Rollen
Das kurze Stück wurd
sitzen hie und da noch nicht fest genug. Auch in der Reaie 1 Mauren und Landeck verst