II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 671

der Aufführung des Bahndammes blieb man im
Herbst beim Riesenbergschen Morast stehen. Am 15.
März will man eine Lokomotive mit Platformen
über den Morast führen und die Auffüllungsarbeiten
im Frühling an mehreren Stellen gleichzeitig begin¬
nen. Der Bau der Halbstationen Wasalem, Hellama
und Taibel ist vorläufig noch nicht in Angriff ge¬
nommen worden.
* Eine musikalische Kunstnotiz
lesen wir in den „Münchener Neuesten Nachrichten“
vom 27. Februar neuen Stils über ein Konzert,
das Herr Kapellmeister Schnéevoigt
in München dirigiert hat und freuen uns, daß die
Leistungen dieses strebsamen, intelligenten Künstlers
gerade an dieser Hauptstätte der Kunst eine so
schmeichelhafte Anerkennung gefunden haben. Das
Blatt schreibt in folgendem Wortlaut: In Georg
Schnéevoigt, der sich am Samstag an der Spitze
des Kaimorchesters unserem Publikum als
Dirigent vorstellte, lernte man eine interessante,
künstlerische Persönlichkeit kennen, der ausgesprochene
Individualität, ein ernstes künstlerisches Streben
und festeste Energie in nicht minder hohem Grade
zu eigen ist, als bedeutende Kunst plastischer Ge¬
staltung und temperamentvollste Belebung des
Vortrags. Was die Leistung des Dirigenten schon
in Beethovens „Egmont=Ouvertüre“ so sympathisch
machte, war die von jeglicher pedantischer Engherzig¬
keit absolut freie, in der Hauptsache nur auf im¬
pulsiv belebte Großzügigkeit hinstrebende Direktions¬
weise. In der Symphonie pathétique von
Tschaikowsky wurde eine so monumentale Größe
und plastische Klarheit des Vortrages erreicht, daß
man dem Dirigenten das absichtliche Betonen krasser,
sun-brütaler Züge, wie sie allerdings für Tschai¬
kowskys Schaffen charakteristisch sind, verzieh. Am
Tageschronik.
deutlichsten zeigte es sich in „Tod und Verklärung“
Theater. Der von Herrn Teuber arran¬
von Richard Strauß, in wie hohem Grade der
gierte und inszenierte gestrige Einakter-Abend
Dirigent aus eigenen Mitteln heraus zu gestalten!
wies in seinem mittleren Teil zwei Piecen aus dem
vermag, wogegen Tempofreiheit und dergleichen
bekannten Schnitzle#schen Einakter=Zyklus
nicht allzuschwer in die Wagschale fallen. Die mit¬
„Lebendige-S auf, wührend den Anfang
wirkende Gattin des Dirigenten, Frau Sund¬
und Schluß des Arrangements zwei Hartleben¬
aren=Schnéevoigt bewährte sich mit dem
sche Sachen bildeten. Hartleben hat hierbei ent= Klavierkonzert in A-moll von Grieg als tüchtige
schieden den kürzeren gezogen, denn sowohl was Pianistin von gediegenem Können und künstlerischer!
inneren Gehalt, als auch was äußeren Effekt und Begabung. Ihr kraftvoller, dabei aber doch so
Erfolg anlangt,
können „Lore“ und „Abschiedmodisikationsfähiger Anschlag gestottet der Künstlerin
vom Regiment“ sich mit „Literatur“ und „Die alle Intentionen ihrer hervorragend energischen und
letzten Masken“ nicht entfernt messen.
tiefempfindenden Persönlichkeit zu verwirklichen.
„Lore“ ein „Schauspiel“ zu nennen, das invol¬
* Der Unterhalt eines kranken
viert denn doch eine Ueberschätzung der dramatischen
resp. verwundeten Soldaten im Fer¬
Bedeutung dieser auch inhaltlich, nicht nur dem Um¬
ien Osten kommt, wie der „St Pet. Herold“
fange nach minimen Studie. Die Behandlung des
mitteilt, nach einer Berechnung des „Roten
Sächelchens ist freilich eine psychologisch feine und
Kreuzes“ auf 2 Rbl. täglich zu stehen. Die Krone
im Dialog lebendig amüsante. Die Titelrolle hatte
gibt 65 Kop. und den Rest von 1 Rbl. 35 Kop.
leider Frau Ja
by inne. Ohne daß wir
gibt das „Rote Kreuz“ her.
nämlich der darstellerischen Befähigung genannter

Dame irgend zu nahe zu treten gedenken, will und
ihre Persönlichkeit zur Vertretung der 21jährigen
Lore, mit deren Mehr oder Minder an jugendlicher
Frische, Impulsität und Pikanterie ein erheblicher
Teil der Wirkung des Stückes steht oder fällt, nicht
hervorragend geeignet scheinen. Den Pedanten von
Petter gestaltete Herr Teuber mit bewahrter Fein¬
hheit in der Charakterisierung spleenig=neurasthenischer
Naturen. Dieser Vetter erzielte in dem mit Auf¬
bietung seiner ganzen sittlichen Ueberzeugung ge¬
führten, mit jähem Bruch endenden Kampfe um die
Restitution des abgerissenen Blusenknopfs, um die sich
das ganze Stücklein dreht, manch hochergötzliche Wirkung.
Den „Kleinen“ spielte natürlich der „kleine“ Herr
H
Einen beträchtlichen Aufschwung nahm der Er¬
folg des Abends mit dem hierauf folgenden Lust¬
spiel „Literatur“ einem ebenso geistvollen!
wie amüsanten Produkte der heiteren Muse Schnitz¬
lers. Mit Eleganz der Erscheinung und Chik
den Allüren verkörperte hier Frl. Brand die
„Dichterin“ Margarethe, deren je nach Umständen
blitzschnell wechselnde Entschließungen
zur ver¬
körperten persönlichen Opportunitätspolitik stempeln.]