II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 688

16. 1. Lebendige Stunden zuklus box 21/5
Vorstellung war ausgezeichnet. Das Publikum nahm die von Herrn
Feldner wieder aufs sorgfältigste inszenirten Novitäten mit nach jedem
Fallen des Vorhanges sich steigerndem Beifall auf. Und hoffentlich wird
dieser Aufwand von Fleiß und Talent, der in der Wiedergabe des Ein¬
Lebendige Stunden.
akter=Cyklus steckt, auch durch eine stattliche Reihe von Wiederholungen
gelohnt. Den Besuch derselben können wir wenigstens nur angelegent¬
lichst empfehlen. Hat eine Posse wie „Seine Kleine“ eine so über
Dier Einakter von Arthur Schnitzler.
Erwarten große Zahl von Freunden gefunden, so werden sich hoffentlich
nicht weniger auch für Schöpfungen interessiren, in denen ein Dichter
wie Schnitzler sein Bestes zu bieten versucht hat.
Aufführung am Wilhelm=Theater zu Lübeck.
(Ueber die glänzende Aufnahme berichten dortige Glätter.
„Lübeckische Anzeigen“.
Der lebhafte Erfolg, den Schnitzlers „Lebendige Stunden“ über¬
all gefunden haben, war ihnen auch hier beschieden. Und das verdanken
sie in erster Linie den eigenartigen Motiven, die der Dichter in seinen
vier Einaktern in künstlerischer Weise behandelt. Es ist richtig, jedes
angeschlagene Thema — vielleicht mit Ausnahme des ersten — wird
dem Zuschauer in derb=sinnlichem Realismus vorgeführt, aber es baut
debet den Wassern.
sich auf so viel Mithülfe der Phantasie auf, daß die unangenehmen
Nebenwirkungen unserer Modernsten nicht zu verspüren sind. Das ist
Drama in 5 Aufzügen von Georg Engel.
ein großer Gewinn und, wenn man will, auch ein Fortschritt in der
heutigen Bühnenlitteratur. Alles, was der Dichter uns zu sagen hat,
ist in so viel Empfindung und Gefühlsleben umgesetzt, daß auch die
Aufführung am Wilhelm=Theater zu Lübeck.
kraffesten Begleiterscheinungen seiner Themata gemildert und bis zu
einem gewissen Grade aufgehoben erscheinen. Selbst da, wo Grund vor¬
Auch in Lübeck fand das Stück einen glänzenden Erfolg,
handen ist zur nur melancholischer Betrachtung, wie in den „beiden
Masken“, wo einem der grellste Einblick in eine zerfressene und zerrüttete
wie aus nachsteßenden Gerichten zu ersehzen ist.
Menschenseele gewährt wird, hat zum Schluß eine Gefühlsregung von
unendlicher Weichheit und Weihe doch schließlich gesiegt. Und mit welchen!
„Lübecker General-Anzeiger“.
einfachen Mitteln werden diese tiefgehenden Wirkungen erreicht! Nirgends
die Spur einer raffinirt=theatralischen Mache, Alles schlicht und natur¬
Günstige Sterne haben auch in diesem Jahre über der Auswahl der
wahr, und dann im letzten Einakter Alles so keck und frisch, so sprudelnd,
Neuheiten für unsere Sommerbühne geleuchtet. Ein Erfolg reiht sich an
so geistreich=satirisch und frohlaunig hingeworfen, daß der Dichter die
den andern. Kaum eine Novität ging bisher in Scene, die an äußerer
Schlacht gewonnen hatte, ehe sie eigentlich begann. Selbst die Schärfe
Wirkung zu wünschen übrig gelassen hätte. In dieser Hinsicht bedeutet
des Spottes, die er über eine bestimmte Gattung selbstgefälliger Schrift¬
auch der Erwerb des Dramas „Ueber den Wassern“ von Engel
steller ausgießt, wird in einer derart gefälligen Form und mit solcher
wieder einen Haupttreffer. Nach dem zwingenden Eindruck zu urtheilen,
Schelmenlaune gegeben, daß eine mehr als sympathische Wirkung, ein
den seine Wiedergabe am Freitag hier hervorrief, wird sicherlich dem
voller Erfolg erzielt werden mußte. Die Darstellung kam den Absichten
Stück eine ansehnliche Reihe von Wiederholungen beschieden sein. Unge¬
des Dichters auf das Beste entgegen. Die ganze Vorstellung übte einen
wöhnlich spannend setzt die Handlung gleich ein. Das Drama fordert
erfreulichen Eindruck aus und verdie#t wohl noch eine Reihe rasch auf¬
einste Beachtung heraus. Denn es ist das Werk eines Werdenden, dem
einander folgender Wiederholungen um so mehr, als das Publikum sich
es an Kraft nicht zu mangeln scheint. Die Charakteristik weist zahlreiche
glückliche Züge auf. Eine prächt mit liebevoller Sorgfalt ausgeführte
dabei sichtlich ganz ausgezeichnet unterhalten hat.
Figur, die noch durch den trefflich Gegensatz zum Pastor Holm wirkt,
„Lübecker Nachrichten“.
wird besonders in dem alten Pastor Siewert geboten. Außerordentlich
Das Wilhelm=Theater hatte gestern einen überaus glänzen¬
geschickt, einen scharfen Blick für das theatralisch Wirksame verrathend,
bauen sich die Akte auf, vor allem jedoch nimmt die von Anfang an das
den Erfolg zu verzeichnen. „Lebendige Stunden“ hat Artbur
Stück durchgehende Stimmung gefangen. Und so wird durch das Zu¬
Schnitzler die vier Einakter genannt, die, in aufsteigender Linie sich
sammenwirken dieser Faktoren denn ein Spannungsreiz ausgelöst, wie
bewegend, das Publikum zu immer neuen Beifallskundgebungen veran¬
ihn stärker auch nicht Philippi's Sensationsdrama „Das große Licht“
laßten. Das erste Stück hat dem Ganzen den Namen gegeben. Es
zu erzeugen vermochte. — Die Aufführung zählte zu den gelungensten,
bereitet gleichsam die Stimmung vor. Außerordentlich interessant ist der
die die bisherige Saison gezeitigt hat. Und so war denn die überaus
Dialog in ihm, vorzüglich der Charakter Anton Hausdorfers gezeichnet.
warme Aufnahme des Stückes durchaus begreiflich und verdient.
Die zweite Darbietung „Die Frau mit dem Dolche“ ist eine tech¬
nische Meisterleistung. Das Thema von der Seelenwanderung wird in
„Lübecker Nachrichten“.
geistreicher Weise darin gestreift. Ganz unmittelbar wirkte das im Spital
spielende Stuck „Die letzten Masken“. Und dann kommt als Krö¬
Herr Feldhusen hat in diesem Sommer noch mehr Glück als
nung des Ganzen das lustige letzte Stück „Litteratur“. Die Figuren
gewöhnlich. Was nicht wenig sagen will. Zunächst war ihm der Wetter¬
dieses Einakters sind trefflich herausgearbeitet, die Handlung witzig er¬
gott günstig gesinnt. Insofern als wir einen mehr als nassen Mai und
dacht. Als tüchtiger Regisseur zeigte sich gestern Abend wiederum Herr
Juni hatten. Und der Superlativ: An den Sonntägen regnete es fast
Friedrich Feldner. Die gestrige Vorstellung dürfte noch zahlreiche
regelmäßig. Dazu kommt, daß Herr Feldhusen über vorzügliche
Wiederholungen erleben. Ihr Besuch sei bestens empfohlen.
darstellerische Kräfte verfügt, an deren Spitze ein trefflicher Regisseur
steht. Und zum dritten: Trotzdem die Neuheiten am dramatischen Markt
„Lübecker General-Anzeiger“.
sehr knapp, ihm ist es gelungen, sich gut zu versorgen. „Ueber den
Wassern“ von Engel ist ein Zugstück ersten Ranges. Als solches
In dem ungewöhnlich interessanten Einakter=Cyklus „Lebendige
Stunden“ von Arthur Schnitzler bescheerte uns der Sonntag eine
wird es sich auch in Lübeck bewähren. Zum Schluß der Vorstellung
recht werthvolle und dankbar hingenommene Gabe. Nicht daß uns ein
wurden die Darsteller wiederholt gerufen.
kraftvoll pulsirendes Leben in diesen Stücken in seinen Bann zwingt.
„Lübeckische Anzeigen“.
Mehr oder weniger tragen auch sie das Gepräge unserer Zeit, erscheinen
auch sie „von des Gedankens Blässe“ angekränkelt. Aber sie sind aus¬
Freitag Abend fand die Erstaufführung von Georg Engel's
nahmslos virtuos ausgeführte Schöpfungen von feinem Stimmungs¬
„Ueber den Wassern“ statt. Herr Engel hat recht effektvoll ge¬
gehalt, die hinsichtlich der Dialogführung wie der Charakteristik und der
dichtet. Und in der That, der erste Akt fließt nach der etwas schwer¬
Milieuschilderung jene glänzenden Vorzuge wieder aufweisen, die dem
fälligen Exposition frisch und lebendig dahin, wird kräftig gesteigert und
Schaffen dieses österreichischen Dichters die ernsteste Beachtung gesichert
schließt wirkungsvoll. Der zweite Akt beginnt vielversprechend und er¬
reicht in dem Zwiegespräch der beiden Pastoren einen stimmungsvollen
haben. In diesen Einaktern schildert er Stunden, die gleichsam lebendig,
persönlich werden, die weihend oder anschlußgebend unser Erleben und
Höhepunkt. — Beim Verlassen des Theaters weiß man, daß „Ueber
Thun mitbestimmen. Sie wirken befruchtend auf den schöpferischen Geist;
den Wassern“ in den nächsten Wochen noch viele Aufführungen er¬
sie deuten ein über dem Menschen hängendes Fatum, ein ewiges Sich¬
leben wird.
Wiederholen der Begebenheiten an; sie enthüllen dem in Angesicht des
Todes Stehenden die Wichtigkeit des Lebenswerthes; persiflirend äußern
sie sich endlich im letzten Stück, wo sie bei den kleingeistigen Litteratur¬
hausirern zu schamlosen Indiskretionen herabsinken. Zwei Typen von
denn rastlos das
Menschen scheint Schnitzler hier zeichnen zu wollen;
Leben nur Genießenden und den, der die Erlebnisse künstlerisch festzu¬
halten, ihnen „Dauer über ihre Zeit hinaus“ zu verleihen vermag. Das
tritt überaus klar hervor im ersten den Lebendigen Stunden“. Die