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16.1. Lebendige Stunden vklus
Quixote nicht im geringsten an. Er pilgert seine Straße weiter: der wahre
Bettler, der allein der wahre König ist. Schnitzler aber will, so scheint
es, sagen, daß es unmöglich ist, menschliche Handlungen auch nur mit einem
Schimmer von Zuverlässigkeit zu richten, da niemand die heimlichen Motive
noch die Tragweite einer Tat erkennt. Diese Einsicht, diese schmerzliche
Entsagung gibt dem kleinen Drama sein bitteres Aroma. Um uns stärker,
um uns mit tragischen Gewalten anzurühren, hätte der Dichter uns nicht
blos die Endsumme hinwerfen dürfen von Posten, die wir ihm zu glauben
haben: er hätte vor unsern Augen die ganze Rechnung Schritt vor Schritt
vornehmen müssen.
Es ist das Schicksal des Einakters, daß ihm ein Rest Abruptheit bleibt.
Das zugegeben, ist Schnitzler Meister in der Abrundung und Zuspitzung
der bizarren Vorwürfe, an denen er sein Thema abwandelt. Dem Puppen¬
spieler war, notgedrungen, die Kunst nichts und das Leben alles. Für die
Gestalten der übrigen drei Akte hat das Leben keinerlei Selbstzweck. Sie
spielen mit den Inhalten des Lebens ganz so, wie dieses mit dem vor seiner
Göttlichkeit niemals erbangenden Drahtzieher spielte. Maler, Mimen und
Dichter sind Vampyre. Der große Maler vergißt den Ehebruch der eigenen
Frau, wenn der ihm jene Pose schenkt, die ihm noch für sein Bild gefehlt
hat. Die Kleinen von den Seinen unterscheiden sich nur durch den Wert
der Leistungen, nicht durch die Art des Schaffens. Der Komiker von Ol¬
mütz, selber sterbenskrank, studiert die Zuckungen von Todeskandidaten für
seine Rollen. Dem Modedichter ist an dem Spitalbesuch von weit ge¬
ringerer Wichtigkeit der hoffnungslose Zustand seines Jugendfreundes als
der bunte Eindruck des Milieus. Die Caféhausliteraten entwerfen und
kopieren ihre glühendsten Liebesepisteln und verwenden sie, mitsamt den
Antworten, wörtlich für ihre Bücher. So verfolgt Schnitzler sein Thema
von der Pathetik über den naturalistisch aufgefaßten Alltag bis in die
Karikatur. Je freier seine Ironie wird, desto belangvoller wird seine
Künstlerschaft.
„Die Frau mit dem Dolche wirkt am oberflächlichsten. Aus drei Gründen.
Schnitzlers Verssprache war damals nicht sehr individuell. An der mächtigen
Idee der Seelenwanderung wird gar zu spielerisch herumgetastet. Die Frau
mit dem Dolche, die nichts als Weibchen sein soll, gebietet über die gleiche
spitze und spitzfindige Dialektik, die ausgeprägten Geistesmenschen angemessen
ist: hier spricht Schnitzler selbst und kein objektiviertes Dramenfemininum. Es
kommt hinzu, daß das Lessingtheater in solchen schweren Fällen niemals
Hilfe leistet. Es läßt die Verse so unmusikalisch, wie sie sind. Es bleibt
der mittelalterlichen Maskerade alle Farben schuldig. Es hat für solche
italienische Paola nur Frau Triesch, die noch dreimal gescheiter tut als
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Quixote nicht im geringsten an. Er pilgert seine Straße weiter: der wahre
Bettler, der allein der wahre König ist. Schnitzler aber will, so scheint
es, sagen, daß es unmöglich ist, menschliche Handlungen auch nur mit einem
Schimmer von Zuverlässigkeit zu richten, da niemand die heimlichen Motive
noch die Tragweite einer Tat erkennt. Diese Einsicht, diese schmerzliche
Entsagung gibt dem kleinen Drama sein bitteres Aroma. Um uns stärker,
um uns mit tragischen Gewalten anzurühren, hätte der Dichter uns nicht
blos die Endsumme hinwerfen dürfen von Posten, die wir ihm zu glauben
haben: er hätte vor unsern Augen die ganze Rechnung Schritt vor Schritt
vornehmen müssen.
Es ist das Schicksal des Einakters, daß ihm ein Rest Abruptheit bleibt.
Das zugegeben, ist Schnitzler Meister in der Abrundung und Zuspitzung
der bizarren Vorwürfe, an denen er sein Thema abwandelt. Dem Puppen¬
spieler war, notgedrungen, die Kunst nichts und das Leben alles. Für die
Gestalten der übrigen drei Akte hat das Leben keinerlei Selbstzweck. Sie
spielen mit den Inhalten des Lebens ganz so, wie dieses mit dem vor seiner
Göttlichkeit niemals erbangenden Drahtzieher spielte. Maler, Mimen und
Dichter sind Vampyre. Der große Maler vergißt den Ehebruch der eigenen
Frau, wenn der ihm jene Pose schenkt, die ihm noch für sein Bild gefehlt
hat. Die Kleinen von den Seinen unterscheiden sich nur durch den Wert
der Leistungen, nicht durch die Art des Schaffens. Der Komiker von Ol¬
mütz, selber sterbenskrank, studiert die Zuckungen von Todeskandidaten für
seine Rollen. Dem Modedichter ist an dem Spitalbesuch von weit ge¬
ringerer Wichtigkeit der hoffnungslose Zustand seines Jugendfreundes als
der bunte Eindruck des Milieus. Die Caféhausliteraten entwerfen und
kopieren ihre glühendsten Liebesepisteln und verwenden sie, mitsamt den
Antworten, wörtlich für ihre Bücher. So verfolgt Schnitzler sein Thema
von der Pathetik über den naturalistisch aufgefaßten Alltag bis in die
Karikatur. Je freier seine Ironie wird, desto belangvoller wird seine
Künstlerschaft.
„Die Frau mit dem Dolche wirkt am oberflächlichsten. Aus drei Gründen.
Schnitzlers Verssprache war damals nicht sehr individuell. An der mächtigen
Idee der Seelenwanderung wird gar zu spielerisch herumgetastet. Die Frau
mit dem Dolche, die nichts als Weibchen sein soll, gebietet über die gleiche
spitze und spitzfindige Dialektik, die ausgeprägten Geistesmenschen angemessen
ist: hier spricht Schnitzler selbst und kein objektiviertes Dramenfemininum. Es
kommt hinzu, daß das Lessingtheater in solchen schweren Fällen niemals
Hilfe leistet. Es läßt die Verse so unmusikalisch, wie sie sind. Es bleibt
der mittelalterlichen Maskerade alle Farben schuldig. Es hat für solche
italienische Paola nur Frau Triesch, die noch dreimal gescheiter tut als
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