II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 705

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16.1. Lebendige Stunden—Zyklus
G
Jurr
Deutsche Zeitung von Mexiko.
In eine Stunde kannst du Leben pressen Wie wundervoll sind diese Wesen,
LEBENDIGE STUNDEN.“
Die, was nicht deutbar, dennoch deuten,
Mehr als das ganze Leben konnte halten,
Was nie geschrieben wurde, lesen,
Das Schattenhafte will ich ganz vergessen.
Und weih mich deinen Wundern und Gewalten.?' Verworrenes beherrschend binden
*
Lebendige Stunden nennt Arthur Schnitz¬
Und versöhnend klingen über den toten Toren Und Wege noch im ewig Dunkel finden.
die letzten Worte des Todes:
Ernst Feise.
der einen Einakterzyklus, dem auch das dem¬
nächst hier aufzuführend. Lustspiel“ Literatur?
W
angehört.“ Lebendige Stunden!' sind solche,
in denen sich uns plötzlich das Leben enthüllt
in seiner ganzen Tiefe oder Schönheit oder Sinn¬
N Baren
losigkeit oder Grausamkeit, in denen wir stau¬
Handels- u
nend erschrecken oder sanft traurig zum ersten¬
mal erkennen, was, wir aus diesem Dasein ge¬
macht haben, was wir daraus hätten machen
N
können oder sollen. Eine Mutter stirbt und ihr
Sohn macht gross Aufhebens von seiner Trauer,
aber lebendige Stunden waren die paar warmen
Stunden Gesprächs mit ihrem Freunde. Zwar —
für den Sohn hat sie ihr Leben hingegeben —
aber für ihn wird die Stunde dieser Entdeckung
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nicht zur lebendigen, er muss sie erst ins Reich

von Tinte und Papier übertragen, um sie leben¬
Sti
dig zu machen, denn er ist ja ein Dichter?'!
Hochmütig?' nennt ihn der alte Freund seiner
Mid
Auf
Mutter.
* Hochmütig seid ihr — das ist es: hoch¬
mütig, alle die Grossen wie die Kleinen: Was mar
ist denn deine ganze Schreiberei, und wenn du
das grösste Genie bist, was ist sie denn gegen
s0 eine Stünde, so eine lebendige Stunde, in der
deine Mutter hier auf dem Lehnstuhl gesessen
ist und zu uns geredet hat, oder auch geschwie¬
gen, — aber da ist sie gewesen — dal und sie
hat gelebt, gelebt!“
Und der Sohn:
Lebendige Stunden! Sie leben doch nicht 4
länger als der letzte, der sich ihrer erinnert.
Es ist nicht der schlechteste Beruf, solchen
Stunden Dauer zu verleihn, über ihre Zeit hin¬
aus. — Leben Sie wohl, Herr Hausdorffer. Ihr
Schmerz gibt Ihnen heute noch das Recht, mich
misszuverstehn. Im Frühjahr, wenn ihr Garten
aufs neue blüht, sprechen wir uns wieder. Denn 2
auch Sie leben weiter.'
Ein grosser Künstier hätte so sprechen
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dürfen, oder er hätte wobl schweigend so ge¬
dacht und schweigend das grosse Erlebnis um¬
geschaffen, denn darauf kommt es an, aufs
Erlebenkönnen. Aber wir haben es ja hier nicht
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mit wirklichen Dichtern zu tun, sondern mit
kleinen Literaten, die nicht erleben können, son¬
dern das Leben nur ausbeuten wollen für ihre
Ca
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Bücher. Die"mit kleinem Leid und schaler
Lust'' ihr Leben selbst.
Das man zur Hülft noch nicht und halb nicht
mehr begreift, erleben wie ein Buch,
Fr.
und hinter dem der Sinn erst nach Lebend¬
gem schweift.?
Das ist die Tragik dieser Menschen, die
Ge
Schnitzler aus den Vorkriegszeiten Oesterreichs
G.
kennt und meisterhaft in seinen Stücken wieder¬
H
gibt. Und auch ihre Komik.“ Literatur'' das
W
Satyrspiel dieses Cyclus, ist sozusagen die Rück¬
seite der Münze. Da findet eine kleine Frau
ins Leben zurück, aus dem Geniedünkel der

Kaffeehausliteraten. Und sie erkauft sich ein
Liebesglück mit ihrem geliebten Baron (ein
Glück, das auf keine grossen Worte und hohlen