II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 4), Literatur, Seite 2

eenclteeeet ereeehagnen
die Natur in ihr schützendes Gewand. Dianora besestigt die seidene Strick
leiter an der Balustrade, sie beugt sich nieder, ihr üppiges, langes, seiden¬
weiches Haar hängt hmab, sie svielt damit wie ein Kind spielt. Da
ein Geräusch — er kommt, nem, es ist die Amme, die ergessen hatte, die
durstigen Blumen zu gießen. Sie spricht mit ihr —
von dem spanischen
Ordensbruder, der jetzt alle Weit durch seine Predigten fesselt, durch seine
wunderbare, hyvnotisirende Stimme. Dianora will morgen mit der Amm:
in die Kirche gehen, um diese Stimme zu hören, den bezaubernden Klang
seiner Worte, ach, sie hört die Männer so gern, die schon durch den
Ton ihrer Sprache eine so unne ibare seelische Einwirkung haben. Dann
kommt das Gespräch auf Dianoras Gatten, auf seine Riesenkraft und auf
das keine Unglück, das ihm jüngst zugestoßen — ein Pierd hat ihn im
Stalle in die Hand gebissen und er hat das Thier mit einem Schlage
seiner gewaltigen Faust so schwer getroffen daß es kaumelte. Und dann
erzählte die Amme eine geheimnißvolle Geschichte, die der Hirt beobachte!
hat = wieder von Dianoras Gatten. Die Vorgänge und wunderbar, fall
gespensterhaft, denn es fehit der Sinn. Braccio hat einen Brief, den ihm
Jemand draußen auf dem Felde überbrachte, zerrissen und die einzelnen
Stücke dem Fremden vor den Mund gehalten, daß er sie essen solle. Er
ist auf der Jagd demselben Manne dann noch einmal begegnet, auf einer
Brücke, und er hat geäußert, da sei ja der Herr, der nicht habe essen wollen,
jetzt werde er wohl Durst haben, zu trinken. Und Braccio hat dann den
Fremden durch seine Diener in den Flutz wersen lassen — er ist darin
erteunken. Die wunderbare Geschichte macht keinen Emndruck auf Dianora,
sie fragt nach nichts, forscht nicht nach der Ursache, sie denkt nur an ihn,
wie sie ihn zun. ersten Male sah, wie es aufmbeite in ihr, daß sie seine
beigen Hände fassen und küssen mußte — vor aller Welt!
Man #elie sich vor, daß das alles in einer buderreichen, verzückten S###e
geredet wird, gleichsam wie in einem Traumpoh#de. Und man stelle sich weiter
eine Tarstellermn vor, die Organ und Seeie auf die Dichtung einzustimmen
weiß, und man wird begreiten, wie faseintrend die Aufführung wirkt. Die
sontsbie Ttunord wurde
#n von Feau Aberime Zehme gespieft, die
reionntlich froher als Frl. Sonan unserer Buhne angehönt hal. Es war
eine Leistung von wunderbarem Stimmungszauber, die den Tichter selbst
zweifellos ebenso emzückt haben würde, wie das Publicu m, das der Dame
auten Beifall spendete. Da war alles Schmelz, alles Empfindung, alle
Nerven bis auf's Höchste gespaum in der Erwartung des Einzigen, der
ihre ganze Seele erfüllte, ihr ganzes Dasein ausmachte. Und nun wurde
er stand ve ihr, der finstere
der Gefühlsrausch plötzlich jäh zernört
Gatte, in jeder Miene der drohende Tod. Sie weiß, daß sie sterben muß.
und mit derselben Verzuckung bereitet sie sich aufs Ende vor, wie bisher
auf den beseligenden Genuß der Liebe. Sie erzählt aus ihrer Kindheit,
wie man sie zuerst aufs Pferd gehoben, wie sie später neben jemand geritten.
den sie liebte, sie beichtet merkwürdige Sünden. Am Wege saß einmal ein aller
Bettler, der die Züge ihres Vaiers trug, sie sah die Aehnlichkeit, aber weil
der Mann ihr Pferd am Zügel faßte, den sie liebte, lenkte sie es nicht ab¬
seits, sondern streifte den Alten, der seinen Fuß zurückziehen mußte — sie beichtet
diese Sünde! Und dann denkt sie des Geliebten und schildert den Vorgang,
bei dem sie die That begehen — wollte, und sie erleidet darüber den Tod. —
Das Bild dieser Dianora, die verzückten Minen, die Stimme, die so ganz
den Klang der Ueberempfindsamkeit trug, das Alles hatte einen geheimni߬
vollen Reiz, etwas Fesselndes, dem sich so leicht Niemand entziehen konnte.
Ob diese Dichtungsart, diese krankhafte Ueberschwänglichkeit, eine
Zukunft haben wird, dürfte mancher besorgt fragen, der vom
Drama etwas ganz anderes erwartet, der die Shalespeareschen Bahnen
nein, ein Hofmanns¬
noch immer für die einzig richtigen hält
thalscher Einacter ist eine kleine Delicatesse. Für eine kunstlerische
Matinee, aber mehr nicht. Man bietet damit dem verwöhnten Geschmacke
etwas, demjenigen, der alles andere bereits durchgekostet hat und
Solche Dinge
gesunden Kost.
der übersättigt ist mit der
haben aber nur einen vorübergehenden Werth, sie zeigen, wie
krankhaft verseinert die moderne Dichtung nach einer einzigen Richtung
hin, der des Gefühlschmeizes, werden kann, aber solche Absonderlichkeiten
haben keinen viel höheren Werth als Exverimemte. Ein kleiner Kreis wird
seinen Gefallen daran haben, wie überhaupt an der Hofmannsthalschen Poesie.
Der junge Dichter — er stiht erst im 27. Lebensjahre — hat geäußert:
„Die Leute süchen gern hinter einem Gedicht, was sie den eigemlichen
Sie sind wie die Affen, die auch immer mit den
„Sinn“ nennen.
Händen hinter einen Spiegel fahren, als müsse dort ein Körper zu fassen
ist Sinn,
Nun, in dem Dra#a, das wir gestern genossen,
sein.“
man greift nicht in einen leeren Raum, die Vorgänge sind natürlich und
latzbar und man kann viel hineinlegen, aber anders ist es freilich mit
gewissen Hofmannsthalschen Gedichten. Wenn er z. B. schreiht: Den¬
Erben laß verschwenden — An Adler, Lamm und Pfau — Das Salböl
Die Todien, die
aus den Händen — der todten alten Frau!
entgleiten, — Die Wipfel in dem Weiten — Ihm sind sie wie das
Schreiten — Der Tänzerinnen werth“ 2c. — so wärde allerdings Jeder,
der einen Sinn, einen wirklichen, gesunden Sinn dari suchen
würde, dem Affen gleichen, der hinter einen Spirgel greift. Das ist die
Dichtung eines affectirten Dekadenten, sie hat nur einen eingebildeten
Werth, und derlei dauert nicht lange.
Wir sprachen in der Einleitung von drei Damen und haben erst eine
kennen gelernt. Die beiden anderen waren freilich aus gesunderem Stoffe geformt.
Wie eine Erfrischung wirkte es, als auf Hofmannsthals „Frau im Fenster“
Welcher
folgle.
Schritziers reizender Einacter „Litieratur“
Und wie aus
Wirklichkeit gegriffen stehl
vikante Spott!
dieses drollige Litteratur=Dämchen Margarethe vor uns! Und
dann Hartlebens „Sittliche Forderung", diese amusante Satire
auf die spießbürgerliche Unmoral. Hiet die drnte Dame, Rita Revera, die
Sängerin vom Variété mit ihrer herbrechenden Vorgeschichte.
Die beiden Einact#e wurden übrigens gleichfalls ganz allerliebst ge¬
spielt. Frau Zehme zeigte als Run Revera die andere Seite ihres
meisterlich, Frl. Serda
Könnens und den seinen Spolt traf sie
vom Dresdner Hoftheater war ein drolliges Margarethchen. Herr Alban
Hahn gab dem Kaufmann Stierwald aus Rudolstadt ein so volles
Maß von bürgerliche., ko#ich wirkender Soltditä= und Unverfrorenheit,
Figur aus der Wirklichkeit nicht desser häue emt¬
daß die
In dem Schnitzlerschen Stücke zeich¬
nommen werden können.
In
neten sich noch weiter die Herren Grelle und Huth,
Die
aus.
dem Hofmannsthalschen Herr Job. Stange (als Braccio,
Vorstellung hatte in Wirklichkeit etwas Pitantes und Ungewöhnliches, und
es wäre zu wünschen, daß sie wiederholt würde.
Arthur Gadebusch.
uus=(Herrn Prost. So wie die früheren Sinke wird die „Großie
Bett
Sünde“ wegen ihres polemischen Charakters nicht einschlagen.
Leiche
Max Trausil.
aber
Carola=Theater. Matinee des Vereins „Leip¬
en zu
Man könnte die Veranstaltung „Buntes
ziger Presse.“
abge¬
Theater“ nennen, wenn nicht drei ganze Stücke gegeben
in die
worden wären. Den Anfang machte der jüngste Wiener
mauf=Poet Hugo von Hofmannsthal mit seinem einaktigen Schau¬
indert
spiel „Die Frauim Fenster“, das in Grillparzers blühen¬
ig de¬
der Bildersprache gehalten ist. Madoma Dianora erwarket
n nur
ihren Liebhaber, wird beim Wefren der Strickleitervon
orden,
ihrem Manne überrascht und mit dem Tode bestraft. 4 Frau
dürfte
Albertine Zehme spielte nicht die Dianora, sonßern sie
aderen
war es vom Scheitel bis zur Sohle. Sie ist eine Meisterin
abge¬
der tönenden Phrase im alliterirenden Styl, deren leiden¬
Lerch
schaftlich beseelter Vortrag uns über die Längen der Diktion
anden
hinweg half und uns den Mangel der*Spannung in der
dann
Handlung vergessen ließ. Als Gegensatz zu dieser hoch¬
ch ge¬
poetischen Sünderin mag die Amme getten, die Frau
lgegen
Kuntzschmann mit behäbiger Altbackenheit ausstattete.
eständ¬
Ein zweiter Oesterreicher Arthur Schnitzker war mit seinem
mmen
pikanten Lustspiel „Literatur“ vertreten. Baron Clemens
1 Ver¬
hat sich mit einer geschiedenen Frau, Herlobt, die eine etwas
dunkle schriftstellerische Thätigkeit hieter sich hat. Als Mar¬
annten
garethe ihren Clemens gesteht, daß sie außer den ihm be¬
kannten Band Gedichte auch nach einen Roman verbrochen
chwer¬
hat, verläßt er das Zimmer, um einem Literaten Platz zu
machen von der Sorte, der Indiskretion Ehrensache ist.
te
Der gute Hilbert, derstark auf das intime Ver¬
berg ist
haltniß mit Margarethe pocht, hat einen Roman geschriehen,
nach= worin ihre ungenirte Kopespondenz eingesugt worden ist;
worden seine ehemalige Freundig bekommt einen gewaltigen Schreck,
visch=weil sie in ihrem in den nächsten Tagen erscheinenden Roman
Feuer dasselbe gethan hat. Zum Glück erscheint der Baron mit
elegte.der Nachricht, Margsrethens Roman würde von dem Ver¬
er Auf-kleger eingestampft gberden. Das einzige Exemplar davon
Schieber sentreißt Mirgarsthe dem Baron und wirst es ins Feuer,
it zwei worauf Hilbert Hon dem versöhnten Paar hinauskomplimentirt
ühnen=Iwird. Fräulein Serda wußte dem zweifelhaften Wesen der
n Ver=„vielgeliebten Margarethe gut beizukommen, nur hätte sie
Rositzer etwas weniger Gebrauch vom süddeutschen Dialekt machen
lich auf können. Wenn Herr Grothe scharf gezeichnete Figuren zu
ird. —verkörpern hat, ist er immer in seinem Fahrwasser, so war
4 U.046.
Nr. 46
Dienstag
es auch mit dem prosaischen Baron Clemens der Fall. Die
schäbige Eleganz des abgebrühten Literaten Hilbert brachte
Herr Huth in köstlicher Selbstironie zur Anschauung. Hart¬
lebens Lustspiel „Die sittliche Forderung“ gab Frau##
Albertine Zehmen Gelegenheit, in Spiel und Gesang eine
spielende Leichtigkeit zu zeigen. Die internationale Konzert¬
sängerin, die sich durch Hunger und Kummer zur Berühmt¬
heit emporgeschwungen, und an welche plötzlich ihr steifleinener
Jugendfreund Friedrich Sittewald die sittliche Forderung
stellt, in ihren Rudolstädter Familienkreis als Frau¬
Sittewald zurückzukehren, wer eine vornehme Künstlerin,
die durchaus richt in den engen Familien=Pferch paßt. Ob
die emancipirte Diva dennoch in den Pferch kriecht
darüber läßt uns Hartleben mit der bei den Modernen.
üblichen Ungewißheit im Ungewissen. Der Vorsitzende
Vereins „Leipziger Presse“ Herr Alban von Hahn hat
uns eine doppelte Ueberraschung bereitet, nämlich erstens
als sattelfester Schauspieler und zweitens als geschmackvoller
Regisseur. Die Gestaltung des hausbackenen Sittewald
kann man sich kaum richtiger vorstellen als in der Fassung
des Herrn von Hahn. Die dekorative Ausstattung der drei
Einakter, die von dem brechend vollen Hause mit tosenden
Jubel ausgenommen wurden, waren aller Ehren werth.
Max Trausil.
Versammlungen.
v.„ Le
400