II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 4), Literatur, Seite 34

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16.4. Literatur
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(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
#n 6 :Schweizerische Handelszeitung
2
E vom:
Feuilleton.
0
Kunst und Wissenschaft.
Stadttheater (Pfauenbühne). Der „Wiener
Autorenabend“ vom letzten Samstag, der ein fast
ausverkauftes Haus erzielte und allseitig große An¬
erkennung fand, hatte zur Einleitung des liebens¬
würdigen Wiener Feuilletonisten Raoul Auernheimer
„Carrière“ ein echtes lever de rideau, geistreich
frisch, ohne sonderlich plastische Handlung, dargestell
von Frl. Ilm (Carole) und Herrn Ehrens (Eugen
in zutreffender Weise. Mit Hermann Bahrs Schau
spiel „Der arme Narr“ wuchs der Abend zu
richtigen Höhe. Man braucht Bahrs hemdärmelige
kraftliebende unwahre Pose nicht zu goutieren, abe¬
man wird finden, daß in diesem kleinen Charakter
bild von diesen Eigenschaften wenig Störendes zu
spüren, daß hingegen dem Bild einer gut bürger
lich zu nennenden Familie, wie es in Wahrheit nu
zu öft vorkommen mag, soviel glaubhafte Roh
zeichnung als fein psychologische Ausarbeitung nach¬
gerühmt werden muß. Die beiden der Kunst uni
dem Leben ergebenen und verunglückten Brüder, de¬
„arme Narr“ Hugo (Herr Nowotny) und de
einstige Dieb Eduard (Herr Ehrens) wachsen in
Verlaufe der Handlung weit über den unbegabter
Erhalter der Familie, den neidischen, kleinphiliströse:
Vincenz (Herr Duschak) hinaus und des letzterei
moralische Tiraden zeigen sich in ihrer ganzen Ver¬
logenheit. Die Aufführung war recht brav. Her¬
Nowotny hat für die Verkörperung des Narren
eine von Kainz's Glanzrollen, noch nicht die nötige
iefdurchbildende Routine, aber er hat Talent, Wärme
und Liebenswürdigkeit und erwarb sich damit, sowie
nit der gelungenen Maske des Dichters vollen Bei¬
all. Den gleichen hätte Herr Ehrens verdient,
den die Regie ganz unzutreffend in eine Art von
Sträflingskittel drückte und der den Ton des durch
eigene Schuld weit Zurückgesetzten in manchmal
rührender Weise traf. Herrn Duschak fehlte es
nicht an gut zeichnenden Momenten, sein Hang, jede
Rolle übermäßig zu dehnen und übertrieben heiser
und staccato zu sprechen, verdarb aber den Eindruck.
Recht gut und schlicht war Herr Moser als Notar;
Frl. Koch (Sophie) gefiel uns etwas besser als
sonst. Woher mag ihr nur die sezessionistische Frisur
suggeriert worden sein, die so gar nicht paßte? — Den
Schluß des Abends machte Schnitzlers „Litera¬
tur“, darstellerisch das Beste des Abends. Frl.
Ilm (Margarethe) sah wundervoll aus und traf
den Ton der selbstbewußten Auch=Dichterin mit sehr
problematischer oder schon gar nicht mehr proble¬
matischer Vergangenheit ohne jede Uebertreibung
sehr gut. Dasselbe muß von Hrn. Nowotny
gesagt werden, der den Clemens reizend und ganz
im echten Stil des bornierten aristokratischen
Jüngelchens, dabei durchaus sympathisch gab. Und
endlich traf Herr Ehrens (Gilbert) in der wohl¬
gelungenen Maske eines bekannten Wiener Poeten
den Ton des abenteuernden Dichters so köstlich und
brachte die zahllosen Schnitzler'schen „Schlager“ so
prächtig zur Geltung, daß das Haus für diese letzte
Darbietung des Abends am dankbarsten zu sein
schien. Schnitzler, der erste und vollbürtige Dichter,
trug über die Feuilletondichter Auernheimer und
Bahr trotz deren starker Talente entschieden den
Sieg davon.

zier hier keinen Willen und teine Meinung hat. Er mag! Schlußworte dort hinweg zum
e Generalidee ausgegeben haben. Deren Uebersetzung ins des Gans zu Putlitz! Welch
aktische kontrolliert er nicht.: Das kostet uns viel an Wäg=; das aus der Katholikenklagerede
cem und Unwägbarem. Und es ist dringend zu wünschen, und Fortschrittsrede Fehrenba
A
Sloun
Die mit ersichtlicher Sor
Deutsches Theater.
im ganzen recht stimmungsvoll
Literarischer Abend: „Der Tor und der Tod, ein
gedämpfte Grundton, der das
kt von Hugo v. Hofmannsthal. —
„Eine floren:
Zuschauer näherbringen mußt
nische Tragödie“, ein Akt von Oskar Wilde.
Das lag vor allem an der zu
Ziteratur", Lustspiel in einem Akt von Artur
Vollmer seinen Claudio pach
chnitzler. — Leiter der Aufführung: Robert Forsch
Wesen im Grunde fremd; ein
sie gestalten. So verfiel das
I.
einem lyrisch=melodramatischen
Einen Monolog mit verteilten Rollen möchte man, eines
zerstörl. sich in willkürlicher
aradoxon sich bedienend, die Hofmannthalsche Dichtung nen¬
besser ward der zweite Teil
en: szenisch geschaute Gedankenlyrik.
Für die gröberen
bewältigt. Die echten Ausbrü
Lirkungen, die nun einmal das Rampenlicht erfordert, ist es
da bisweilen schöne Unterstütz
n seinen besten Teilen fast zu zart; von dem reichen, fein
Herr Forsch als Tod verdi
neinander getönten Gedankenspiel geht mancherlei, einer
seines Auftritts und der vorz
nehr an die Sinne sich wendenden Wirkung zuliebe, verloren.
heit seines stummen Spiels;
Eine frühe Gabe des Dichters, bekanntlich, ist dies 1894 zu¬
mangelt, suchte er durch eindr
erst erschienene Sviel, in dem sich der gewiß recht seltene
torischen mittzumachen. Die
Fall inaugurierte, daß ein Poet zu seines Laufes Beginn
der Muttergestalt des Frl.
gleichsam die Programmatik künftigen Schaffens in poetischer
Part in der edel=ernsten Art
Form also festlegte. Das ist recht interessant. Für Hof¬
Ruhbeck.
mannsthal selber und weiter für die Jungwiener Schule, der
er angehört. Vor allem psychologisch interessant: denn in dem
Edelmann Claudio, der ein Schattendasein lebte und bei sei¬
Ein seltsam Schicksal hat
ner archaistisch=ästhetischen Zurückhaltung dem lebendig pulsen¬
tinischer Tragödie"")
den Dasein gegenüber erst im Angesicht des Todes zu der Er¬
was wir davon besitzen. Die E
kenntnis kommt, daß Leben Erleben heiße, Hingabe aus
fehlt. Wilde hat sie nie ge
Dasein, seine Lust, wie an sein Leid: — in diesem Claudio
meisten seiner Werke, fertig in
steckt Hofmannsthal selber. Und der Tod, der, nach helleni¬
wahrscheinlich nach seiner Gen
scher Vorstellung, ein ernster, schöner Jüngling, den Blüten¬
aus mitgeteilt. Auch ist der
kranz auf den dunklen Locken, vor den Edelmann tritt, die
haft fixiert, wenn schon, man
Mutter, die Geliebte, den Freund ihm zeigend, die alle Le¬
lome“, in seiner apodiktischen
bende waren im Leben, wo er ein lebendig Toter: — die¬
Lasten abwälzt, nicht wider
ser Totengenius verkörpert keinen anderen, als den Hof¬
sitzen, ist wertvoll genug und
mannsthal Hofmannsthalscher Sehnsucht und seines
tration, wie sie dieser große D
(partiellen) Nichtvermögens. Des Dichters „Elektra“ sein
Ein uralter Stoff, Renaissance
„Oedipus““ sind Projektionen einer Sehnsucht nach Hellenen¬
zu einer einzigen Katastroph
tum, nach einem Dasein und Daseinsgestaltung, die mit ur¬
Typen und Symbole stilisiert,
sprünglicher „Naivität“ aus dem Vollen schöpft; und gerade
Mikrokosmos des Menschheitk
diese Schöpfungen muten, ihrer spezifischen Werte unbe¬
gangs kommen sollte, wir vern
schadet, so ungriechisch an. Unbewußt (vielleicht) gab Hof¬
ihm wissen. Die mise en ##
mannsthal in „Tor und Tod“ den Schlüssel eigenen Wesens,
spärlich erleuchtete Gemach, vo
eigener Kunst, die stets bei aller Schönheit der Diktion, allem
drohende Schatten alte Möb
Duft der Idee von einem Hauche der Müdigkeit, Lebens¬
Warenpack beladen, Simone,
abgewandtheit umwoben bleibt, deren Gestaltungen bei allen
Willen zum Substantiellen doch den Astralleibern dieses alle¬
*) Deutsch, mit einer Es
gorischen Dramolets ähneln....
erschienen bei S. Fischer, Berl