II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 4), Literatur, Seite 35

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16.4. Literatur
Ahemtage über Hehdeotands
Willen und ter.. Meinung hat. Er mag! Schlußworte dort hinweg zum liberal=konservativen Bekenntnis
des Gans zu Putlitz! Welch sonderbares Gemisch von Tönen,
sgegeben haben. Deren Uebersetzung ins
t er nicht.. Das kostet uns viel an Wäg= das aus der Katholikenklagerede Hertlings, der demokratischen
arem. Und es ist dringend zu wünschen,j und Fortschrittsrede Fehrenbachs und der Sozialistentötung
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Die mit ersichtlicher Sorgfalt bereitete Aufführung war
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litsches Theater., ####
im ganzen recht stimmungsvoll. Freilich: der geheimnisvoll ab.
gedämpfte Grundton, der das Visionare der Vorgänge dem
nd: „Der Tor und der Tod“, ein
Zuschauer näherbringen mußte, wollte nicht so recht gelingen.
Hofmannsthal. — „Eine floren¬
Das lag vor allem an der zu lebfrischen Art, mit der Herr
bdie“, ein Akt von Oskar Wilde.
Vollmer seinen Claudio packte. D.e Rolle Wesen ist seinem
Lustspiel in einem Akt von Artur
Wesen im Grunde fremd; ein guter Charakterspieler mußte
Leiter der Aufführung: Robert Forsch
sie gestalten. So verfiel das Reflexive des Auftaktmonologs
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einem lyrisch=melodramatischen Tasten nach Gestaltung und
gmit verteilten Rollen möchte man, eines
zerstört. sich in willkürlicher Gedankenzersplitterung. Weit
enend, die Hofmannthalsche Dichtung nen¬
besser ward der zweite Teil (vom Auftritt des „Todes“ ab)
aute Gedankenlyrik. Fur die groberen
bewältigt. Die echten Ausbrüche ringenden Gefühls fanden
einmal das Rampenlicht erfordert, ist cs
da bisweilen schöne Unterstützung der Pose wie der Mimik.
eilen fast zu zart; von dem reichen, fein
Herr Forsch als Tod verdarb sich den starken Eindruck
n Gedankenspiel geht mancherlei, einer
seines Auftritts und der vorzüglichen Maske durch die Matt¬
sich wendenden Wirkung zuliebe, verloren.
heit seines stummen Spiels; was seinem Organ an Melodik
es Dichters, bekanntlich, ist dies 1894 zu¬
mangelt, suchte er durch eindringliche Klarheit des Deklama¬
piel, in dem sich der gewiß recht seltene
torischen wettzumachen. Die schlichte, traumhafte Innigkeit
daß ein Poet zu seines Lauxes Beginn
der Muttergestalt des Frl. Leithner fand einen würdigen
rammatik künftigen Schaffens in poetischer
Part in der edel=ernsten Art der Freundgestalt des Herrn
e. Das ist recht interessant. Für Hof¬
Ruhbeck.
nd weiter für die Jungwiener Schule, der
II.
allem psychologisch interessant: denn in dem
Ein seltsam Schicksal hat über Oskar Wildes „Floren¬
,der ein Schattendasein lebte und bei sei¬
tinischer Tragödie"*) obwaltet. Ein Torso nur ist's,
etischen Zurückhaltung dem lebendig pulsen¬
was wir davon besitzen. Die Eingangsszene (fünf Seiten etwa)
ber erst im Angesicht des Todes zu der Er¬
fehlt. Wilde hat sie nie geschrieben, wohl aber, wie die
#aß Leben Erleben heiße, Hingabe aus
meisten seiner Werke, fertig im Kopfe mit sich getragen und
in diesem Claudio
, wie an sein Leid: —
wahrscheinlich nach seiner Gewohnheit Freunden Proben dar¬
l selber. Und der Tod, der, nach helleni¬
aus mitgeteilt. Auch ist der Schluß (vielleicht) nur pointen¬
ein ernster, schöner Jüngling, den Blüten¬
haft fixiert, wenn schon, man denke an den Schluß der „Sa¬
nklen Locken, vor den Edelmann tritt, die
lome“, in seiner apodiktischen Kürze, die auf den Darsteller
te, den Freund ihm zeigend, die alle Le¬
Lasten abwälzt, nicht wider Wildesche Art. Was wir be¬
Leben, wo er ein lebendig Toter: — die¬
sitzen, ist wertvoll genug und von einer Energie der Konzen¬
verkörpert keinen anderen, als den Hof¬
tration, wie sie dieser große Dichter nicht wieder erreicht hat.
nnsthalscher Sehnsucht und seines
Ein uralter Stoff, Renaissancenovellen nicht fremd, wird hier
ermögens. Des Dichters „Elektra“, sein
zu einer einzigen Katastrophe zusammengeballt, auf letzte
Projektionen einer Sehnsucht nach Hellenen¬
Typen und Symbole stilisiert, im engsten Rahmen zu einem
Dasein und Daseinsgestaltung, die mit ur¬
Mikrokosmos des Menschheitkampfes verdichtet. Was ein¬
ität“ aus dem Vollen schöpft; und gerade
gangs kommen sollte, wir vermissen's nicht, auch da wir von
muten, ihrer spezifischen Werte unbe¬
ihm wissen. Die mise en scène erscheint vollendet. Ins
chisch an. Unbewußt (vielleicht) gab Hof¬
spärlich erleuchtete Gemach, von dessen dichtem Gemäuer wie
hr und Tod“ den Schlüssel eigenen Wesens,
drohende Schatten alte Möbelstücke ragen, tritt, mit dem
stets bei aller Schönheit der Diktion, allem
Warenpack beladen, Simone, der Kaufmann. Eben, da die
on einem Hauche der Müdigkeit, Lebens¬
woben bleibt, deren Gestaltungen bei allen
**) Deutsch mit einer Einleitung von Max Meyerfeld,
antiellen doch den Astralleibern dieses alle¬
erschienen bei S. Fischer, Berlin 1007.
ts ähneln.
des Reichstags wieder und sie zeigen auch, daß die Phautasten
der Presse der Finanzreformmehrheit über die radikale Revo¬
lution innerhalb der nationalliberalen Partei in der Luft
schweben.
Dielen draußen unter seinen Tritien knackten, fuhren über
der spärlichen Lampe zwei Köpfe auseinder: Bianca, Si¬
mones Weib, und Guido Bardi, der Sohn des Herrschers von
Florenz. Der Fuchs ist in der Falle; mit der sicheren Beute
spielt der Jäger. Der ist schon an den Schläfen grau, und
Sorge um den Daseinskampf macht ihn zum Liebegirren
nicht geneigter. Daß der gewandte Lüstling des jungen
Weibes Sinn betörte, scheint ihm nicht seltsam. Doch
wichtig, ihr des Gatten höheren Wert zu zeigen.
Auch in des Krämers Seele wohnt ein Herrenmensch, der
Knaben zu züchtigen, Weiber sich untertan zu machen weiß.
Nur rostig von der Ruhe ist sein Schwert. Doch härter ist
sein Stahl, als Guido Bardis schmiegsame Klinge. Mit List
lockt er den Feind, beginnt bei dem, was ihm das Nächste ist.
Waren bietet er ihm, Gewänder, Edelsteine. Der Werte schaf¬
fende Fleiß des Bürgertums strafft seinen Stolz vor dem ge¬
raubten Gold der Herren. Mit dem ratlos ungeduldig Tasten¬
den spielt er ein grausam Spiel vorgetäuschter Unterwürfig.
keit, verhaltener Drohung, hohnvoller Bewirtung. Dem Weibe
und dem Nebenbuhler zeigt er den Herrn und seinen inneren
Adel, der unter des Biedermanns Mienen schlummerte. Pracht¬
voll ist dieser Kampf, dieses letzte Heraufholen verborgenen
Kraft gesteigert. Die große Welt da draußen, ihren Glanz wie
ihre Kleinlichkeit fängt Simone in diesen Kampf zu dreien
ein, dessen bedrängte Einsamkeit die Weltbrände symbolisch
widerspiegelt. Das ist mit ungeheurer Meisterschaft, mit einer
Treffsicherheit, einer künstlerischen Souveränität ohne Gleichen
gemacht. Und da der Gast sich drücken will, für den Früh¬
morgen schier unter des „Betrogenen“ Augen das Stelldichein
verabredend, da lockt Simone ihn zum Kampf des Schwerts,
des Dolchs. „Töt ihn“ flüstert Bianca dem Liebhaber zu. Der
aber verliert die Waffen und verröchelt unter der drosselnden
Faust des Rächers, auf dessen Geheiß Bianca selbst die Fackel
löschte. In epigrammatischer Kürze zieht der Dichter das Fazit
des uralten Prozesses des Männerkampfes um Weibergunst.
Wo die Triebe sprechen, versagen Reflexion und Wort. Das
Mysterium des Geschlechtes vollzieht sich in Bianca: „Warum
hast Du mir nicht gesagt, daß Du so stark?“ — Simone darauf,
dem Sieggefühl das Weib verklärt: „Warum hast Du mir nicht
gesagt, daß Du so schön?“
Lapidar und primitiv wie die Empfindungen selbst, um
die es sich hier handelt, sind diese entscheidenden Worte hin¬
gesetzt. Die Genialität eines Seelenkenners zar' Goxhv ver¬
mochte sich nicht tiefer zu offenbaren. Sie hat ein Gegen¬
beispiel nur in des gleichen Autors „Salome“, da des Herodes —
gräßliche Ernüchterung nur in den kurzen Worten Ausdruck“
findet: „Man töte dieses Weib!“ ...