II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 4), Literatur, Seite 43

16.4. Literatur box 22/3
Telephon 12.801.
„ODSENEN
I. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
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burg, Toronto.
Gnelienangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
vom:
Smmhaher denn Gunt un.
Norfonansgile
Vor den Kulissen.
* Der zweite Festabend zum Brannschweiger
Goftbeater=Zuoiann felle aesemn mit de
Wiedergabe von Braccos „Untreue" und
Schnitzlers Literatur“ Regie und Darsteller
bor—#e—schwere Aufgabe, in dem Riesenbau des
Braunschweiger Bühnenhauses die intimen Reize
moderner Komödien schauspielerisch zu durchdringen
und zu gestalten. Mit lebhafter Freude konnte mar
erkennen, wie weit Intendant v. Frankenberg sein
Ensemble schon auf dem Wege zu moderner Dar¬
stellungskunst gebracht hat.
In Bühnenausschnitten
von intimem Stimmungsreiz wurden Schnitzlers Ein¬
akter und Braccos teilweise sehr muntere Komödic
wirkungsvoll lebendig verkörpert. Besonders in Frau
Horst und den Herren Schneeweiß, Kunath
und Paris lernte man elegante Darsteller kennen,
die geschmackvoll und gewandt zu konversieren wissen.
M#e o
ner Nachrichten
41. Jahrgang

man in England bereits im Jahre 1893 genossen, als die
Bergwerke von Yorkshire, Lancashire, Nottinghamshire, Der¬
byshire, Warwickshire und Staffordshire ihren Betrieb einstell¬
ten. Die anderen Kohlenbergwerke arbeiteten fort, da sie nicht
dem Bergwerkbesitzerverband angehörten, und dadurch war es
möglich, daß die Arbeit in den anderen Werken schon Monate
lang ruhen konnte. Sofort gingen die Kohlenpreise gewaltig
in die Höhe, man zahlte in London 4 Mark für den Zentner
Kohlen für Haushaltszwecke, die Fabriken arbeiteten mit
Verlust und stellten schließlich den Betrieb ein. Hunderttau¬
sende von Menschen waren brotlos und bitterster Not ausge¬
liefert; nur unter gewaltigen Anstrengungen gelang es den
Wohltätigkeitsorganisationen, durch Eröffnung von Frei¬
küchen das Gespenst des Hungertodes hintanzuhalten. Wenn
heute in England ein allgemeiner Kohlenstreik ausbricht, wer¬
den nach einigen Wochen 16 Millionen Menschen, Männer
und Frauen, durch das Stilliegen aller Betriebe und Geschäfte
brotlos. Zugleich aber steigen die Lebensmittelpreise gewaltig
an. Die Bergarbeiter selbst würden mit jeder Woche Streik
30 Millionen Mark Lohn einbüßen, und die Arbeiter der
Baumwolle=, Wolle=, Stahl= und Erdwarenindustrie nach kur¬
zer Zeit wöchentlich zusammen über 40 Millionen. Glücklicher¬
weise ist die Gefahr, daß ein Kohlenstreik in England längere
Zeit waltet, nicht allzugroß, aus dem einfachen Grunde, weil
auch die Arbeitnehmer bei einer längeren Dauer dieses Kamp¬
fes ökonomisch dezimiert würden. Der englische Bergarbeiter¬
verband zählt heute 730 000 Mitglieder, das Vermögen des
Verbandes und die Streikkasse verfügt über 30 Millionen
Mark. Selbst wenn der Verband seinen streikenden Mitglie¬
dern wöchentlich nur 10 Schilling bezahlt, würde das eine
Wochensumme von 7300 000 Mark bedeuten, sodaß im Ver¬
laufe von vier Wochen das Vermögen der Arbeiterorganisatien
vollkommen aufgezehrt wäre. Hierzu aber tritt noch die Frage:
wie sollen bei den sofort eintretenden Preissteigerungen aller
Lebensmittel die Bergarbeiterfamilien mit 10 Schilling in
der Woche existieren können. wenn sie bei jetzigen Verhältnissen
mit 30 kaum auskommen? Die Wahrscheinlichkeit eines
längeren Kohlenstrekks ist also gering.
Kunst und Wissenschaft.4
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Altonaer Stadttheater.
Am Mittwoch kamen im Altonaer Stadttheater zwei
Lustspiele zur Aufführung, die sich gegenseitig nichts vor¬
zuwerfen haben, ein Schnitzlerscher Einakter, betitelt „Lite¬
nheimer, „Die
ratur“, und ein Dreictt##
glücklichste Zeit". Schnitzler ist der bekanntere Autor und
#so wollen wir zuerst seine „Literatur“ unter die Lupe
nehmen, deren einziger Vorteil es ist, daß sie nur einen
Akt hindurch die Zuschauer in Anspruch nimmt. Drei Per¬
sonen treten in dem Lustspiel auf, Margarethe, eine schrift.
stellernde Dame, Clemens, ein Sportfex, der die Dame
heiraten will, und Gilbert, der verflossene Liebhaber Mar¬
garethes, in deren Boudoir sich das Ganze abspielt. Cle¬
mens ist bei Margarethe zu Besuch, nach endlosen Reden,
die ohne Interesse sind, wissen wir, daß die Dame die ge¬
schiedene Frau eines Fabrikanten ist und als Schriftstelle¬
rin in dem Stammcafé der Münchener Bohème verkehrt
hat, wo ihr Clemens begegnete und sie lieb gewann. Einen
Band Gedichte hat sie veröffentlicht, die Herrn Clemens
um ihrer erotischen Färbung willen wenig zusagen, denn
aus dieser Erotik folgert er eine Episode ihrer Vergangen¬
heit, aber Margarethe weiß seine aufsteigenden Zweifel
zu beschwichtigen mit der Erklärung, daß ja alles nichts
weiter als Phantastereien ohne realen Untergrund wären
Clemens glaubt es, aber Margarethe, die denselben Trieb
in sich fühlt wie der Dichter Balduin Bählamm, muß sich
schriftstellerisch betätigen, sie kann nicht anders, und nun
hat sie einen Roman geschrieben, in dem sie den Brief¬
wechsel mit ihrem verflossenen Liebhaber Gilbert wörtlich
veröffentlicht hat.
Als sie nun Clemens ihre abermalige schriftstellerische
Untat (vom Standpunkt des Herrn Clemens) beichtet, ist
er sehr empört und läuft zum Verleger, um Margarethens
Roman vernichten zu lassen. Während seiner Abwesenheit
taucht zeitgerecht der vielgenannte Gilbert auf der Bild¬
fläche auf, der seine einstige Geliebte nur en passant
begrüßen will. Das dauert aber reichlich lange, denn Gil¬
bert hat viel zu erzählen, auch hat er einen neuen Roman