16.4. Literatun box 22/3
regen. „Der Kammersänger“, ist eine sichere Sache: Wedekind ist
hier frei und leicht ohne genialische Grimassen. Thimigs Regie
hat im Technischen jene unaufdringliche Gediegenheit und Disziplin,
die man immer an ihr rühmen darf, aber sie greift mir auch
diesmal bei den einzelnen Leistungen nicht fest genug zu. Man
kann den Kammersänger auf verschiedene Art auffassen und
darstell. Man mag den Tenoristen, den Frauenbeglücker, den
Kunstkommis oder den Tapezierergehilfen hervorkehren, den
Dummkopf oder den Cyniker spielen — aber man muß Farbe
haben und bekennen. Herr Reimers kann sich nicht entschließen
und spielt im Zweifel sich selbst. Er verliebt sich dabei sörmlich
in sich selbst und wird treuherzig langweilig. Auch todernst mag
er den Tristansklaven meinetwegen nehmen, aber dann beintrocken,
nur nicht saftig mit pathetischem Herzenston. Frau Kallina
hatte den Stil; das ist eine famose Schauspielerin, für die es sich
lohnt, Rollen zu suchen. Der Professor Dühring liegt Herrn
Straßer nicht. Arnold in Berlin hat eine rührende Gestalt
aus dieser Komikerrolle gemacht. Ist Herr Arndt noch krank? das
wäre eine Rolle für ihn gewesen. Sehr nett war Frl. Leschle
als Kuospe, die sich dem Künstler überreichen will und ungebrochen
nach Hause gehen muß.
Ausschnitt aus: Der Morgen Wien
Courtelines tragische Posse von Boubouroche, dem dümmsten
aller verliebten Spießbürger über Vierzig als prachtvoll karikiertes
2— Z. 4045
vom:
Normalexemplar, ist eine Verhöhnung von hinreißender Bustigkeit.
Geschriebener Caran d'Ache. Die Genialität und kühne Sicherheit
Theater der Woche.
der karikaturistischen Linie ist bewundernswert. Treßler spielt den
dicken Hahnxei als modernisierte Molisretype, im ganzen famos,
Burgtheater.
im einzelnen zuweilen scheinbar übertrieben, eigentlich aber nur
Ein sonderbares dramatisches Menü: Wedekind als
etwas zu absichtlich, zu merklich besorgt um die Wirkung manches
guten Details. Der Kaffeehausakt sehr hübsch in der Regie. Cier
Appetitbrötchen, Courteline als Hauptgericht und Schnitzler
spielt Herr Frank eine kleine Charge so hübsch und lebendig.
als Magenschluß. Die Reihenfolge wurde wohl Herrn-Trenker“
daß man ihn mit Vergnügen einmal lobt. Man sollte uns und
zuliebe gewählt, damit sein schlanker, eleganter Graf Klemens
ihm öfter solche Gelegenheiten bieten. Ganz entzückend in ihrer ver¬
nach dem drollig lugelrunden Boubouroche umso besser wirke.
ruchten Schelmerei ist Frau Retty als Adele. Auch Gimnig
Sonst wärt vulleicht Schnitzlers „Literatur“, dann Wedekinds
als „Nachhar“ und Zeska als der Herr aus dem Kasten sind zu
„Der Kammersänger“ und zum Schluß Courtelines „Bon¬
loben.
houroche“ eine entsprechendere Reihenfolge gewesen. In jedem
Schnitzlers „Literatur“ wurde der kngen und scharfen
Fall viel Geist, Satire und Respektlosigkeit an einem Abend.
Herr Thimig mnacht seine Sache sehr geschickt. Er öffnet Wedelind]Regie Heines überlassen, der schon vor Jahren mit der Rolle
das Burgtheater, ohne das Geringste dabei zu wagen; er läßt! Gilberts und seiner Gattin — damals Frl. Rabitow — auf
Courteline spielen, ohne auch nur das kleinste Aergeruis zu er= Reisen ging. Er spielt den Kaffeehausliteraten ganz ohne Mätzchen.—
vielleicht etwas zu puritanisch, aber jedenfalls mit unwiderstehlicher
Sicherheit. Treßlers diskret charakterisierter gräflicher Herrenreiler
wirkte unmittelbar nach der Derbheit des Boubouroche doppelt
als Triumph der Wandelbarkeit dieses erquickend spielfreudigen
Künstlers. Frl. Marberg schien mir die Margarete zu be¬
schränkt, zu fahrig und zu kolottenhaft aufgefaßt zu haben. Man
merkte, daß Herr Heine etwas mit ihr versucht hat, aber es war
nichts Rechtes daraus geworden. Die Leistung flimmeri einem vor
H. Leoster.
den Augen.
regen. „Der Kammersänger“, ist eine sichere Sache: Wedekind ist
hier frei und leicht ohne genialische Grimassen. Thimigs Regie
hat im Technischen jene unaufdringliche Gediegenheit und Disziplin,
die man immer an ihr rühmen darf, aber sie greift mir auch
diesmal bei den einzelnen Leistungen nicht fest genug zu. Man
kann den Kammersänger auf verschiedene Art auffassen und
darstell. Man mag den Tenoristen, den Frauenbeglücker, den
Kunstkommis oder den Tapezierergehilfen hervorkehren, den
Dummkopf oder den Cyniker spielen — aber man muß Farbe
haben und bekennen. Herr Reimers kann sich nicht entschließen
und spielt im Zweifel sich selbst. Er verliebt sich dabei sörmlich
in sich selbst und wird treuherzig langweilig. Auch todernst mag
er den Tristansklaven meinetwegen nehmen, aber dann beintrocken,
nur nicht saftig mit pathetischem Herzenston. Frau Kallina
hatte den Stil; das ist eine famose Schauspielerin, für die es sich
lohnt, Rollen zu suchen. Der Professor Dühring liegt Herrn
Straßer nicht. Arnold in Berlin hat eine rührende Gestalt
aus dieser Komikerrolle gemacht. Ist Herr Arndt noch krank? das
wäre eine Rolle für ihn gewesen. Sehr nett war Frl. Leschle
als Kuospe, die sich dem Künstler überreichen will und ungebrochen
nach Hause gehen muß.
Ausschnitt aus: Der Morgen Wien
Courtelines tragische Posse von Boubouroche, dem dümmsten
aller verliebten Spießbürger über Vierzig als prachtvoll karikiertes
2— Z. 4045
vom:
Normalexemplar, ist eine Verhöhnung von hinreißender Bustigkeit.
Geschriebener Caran d'Ache. Die Genialität und kühne Sicherheit
Theater der Woche.
der karikaturistischen Linie ist bewundernswert. Treßler spielt den
dicken Hahnxei als modernisierte Molisretype, im ganzen famos,
Burgtheater.
im einzelnen zuweilen scheinbar übertrieben, eigentlich aber nur
Ein sonderbares dramatisches Menü: Wedekind als
etwas zu absichtlich, zu merklich besorgt um die Wirkung manches
guten Details. Der Kaffeehausakt sehr hübsch in der Regie. Cier
Appetitbrötchen, Courteline als Hauptgericht und Schnitzler
spielt Herr Frank eine kleine Charge so hübsch und lebendig.
als Magenschluß. Die Reihenfolge wurde wohl Herrn-Trenker“
daß man ihn mit Vergnügen einmal lobt. Man sollte uns und
zuliebe gewählt, damit sein schlanker, eleganter Graf Klemens
ihm öfter solche Gelegenheiten bieten. Ganz entzückend in ihrer ver¬
nach dem drollig lugelrunden Boubouroche umso besser wirke.
ruchten Schelmerei ist Frau Retty als Adele. Auch Gimnig
Sonst wärt vulleicht Schnitzlers „Literatur“, dann Wedekinds
als „Nachhar“ und Zeska als der Herr aus dem Kasten sind zu
„Der Kammersänger“ und zum Schluß Courtelines „Bon¬
loben.
houroche“ eine entsprechendere Reihenfolge gewesen. In jedem
Schnitzlers „Literatur“ wurde der kngen und scharfen
Fall viel Geist, Satire und Respektlosigkeit an einem Abend.
Herr Thimig mnacht seine Sache sehr geschickt. Er öffnet Wedelind]Regie Heines überlassen, der schon vor Jahren mit der Rolle
das Burgtheater, ohne das Geringste dabei zu wagen; er läßt! Gilberts und seiner Gattin — damals Frl. Rabitow — auf
Courteline spielen, ohne auch nur das kleinste Aergeruis zu er= Reisen ging. Er spielt den Kaffeehausliteraten ganz ohne Mätzchen.—
vielleicht etwas zu puritanisch, aber jedenfalls mit unwiderstehlicher
Sicherheit. Treßlers diskret charakterisierter gräflicher Herrenreiler
wirkte unmittelbar nach der Derbheit des Boubouroche doppelt
als Triumph der Wandelbarkeit dieses erquickend spielfreudigen
Künstlers. Frl. Marberg schien mir die Margarete zu be¬
schränkt, zu fahrig und zu kolottenhaft aufgefaßt zu haben. Man
merkte, daß Herr Heine etwas mit ihr versucht hat, aber es war
nichts Rechtes daraus geworden. Die Leistung flimmeri einem vor
H. Leoster.
den Augen.