II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 4), Literatur, Seite 101

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Stilbühnenabend des Kaufmännischen Vereins.
„Gute, heiter=anmutige alte Musik leitete am letzten
Samstag abend den Stilbühnenabend des
Kaufmännischen Vereins ein, dessen Publikum
die Aula des Vereinshauses an der Kornhausgasse
kaum fassen konnte. „Eine kleine Nachtmusik“
von Mozart erklang, trefflich gespielt vom Quartett:
Frl. E. Semisch und den Herren F. Grämer, A
Ruesch und Th. Wohler.
.50
Und nun trat die Dramatische Sektion auf den Plan. —
diesmal mit zwei modernen Lustspielen. Zunächs
Schnitzlers überlegener Spott in dem geistvoller'
Einakter: „Literatur“. Es liegt ein gut Teil Selbstiée
ironie des Dichters und Literaten in dieser keck=pikanten
Komödie von der jungen Schriftstellerin mit „Ver¬
gangenheit“, welche die Liebe eines geistig nicht sonder¬
lich bedeutenden, aber feelisch saubern und anständigen
Aristokraten zwar beglückt, aber doch nicht ganz aus
der Bohsme=Atmosphäre und dem Empfinden dieser
dubiosen Vergangenheit herauszureißen vermag. Das
bringt erst der Besuch ihres alten Liebhabers, des Li¬
teraten Gilbert, fertig, in dessen eitel=unvornehmem
Wesen, dessen seelischer Unbedenklichkeit, um nicht
zu sagen Schamlosigkeit, sie sich und ihr Tun
und Empfinden in der Karrikatur erblickt. Nun erst
wendet sie sich ganz und mit Bewußtsein von jener
lockenden Welt ab und opfert mit großer Geste den
Flammen ihren Roman, der sie allerdings durch ein
sonderbares Zusammentreffen der Umstände nun aufs
schlimmste kompromittieren würde! Das geistreiche Lust¬
spiel wurde unter der Leitung des Herrn Heß vom
Stadttheater sehr fein und verständnisvoll wiederge¬
geben. Besonders Frl. Schäublin, der Schnitzler
überhaupt vortrefflich „liegt“, bot als Margarethe eine
ausgezeichnete und abgerundete Leistung. Sie wußte
die liebende Frau, die Dame mit dem Willen zu inne¬
yrer wie äußerer Sauberkeit nicht weniger glaubhaft zu
machen, als das eitle, nervös=fahrige Literaturweiblein,
das immer noch mit jener Unterwelt kokettieren muß.
Sympathisch war Herr O. Müller als Clemens,
dessen noble, einfache Männlichkeit er sehr gut wieder=
gab. Herr Manta in der Rolle des Literaten Gilbert
hätte in Spiel und Maske bei aller Minderwertigkeit,
allem Komödiantischen vielleicht etwas liebenswürdi¬
ger, naiv=gemütlicher sein dürfen: er war ein bischen
zu sehr Intrigant und verbissener Neidhammel, zu
wenig harmloses Kaffeehaus=Genie.
Und nun folgte eine kurze, reizende Improvisation:
ein begabtes und bewährtes Mitglied las mit meister¬
licher Rezitationskunst die kleine Skizze Felix Mösch¬
lins: „Die Selbstmörderin“ vor, die mit stür¬
mischem Beifall verdankt wurde. Dann wieder Mozart¬
Musik des Quartetts und nun erhielt zum Schluß Kurt
Goetz das Wort zu seiner Groteske: „Der flie¬
gende Geheimrat.“
Arbeitet Schnitzlers fein ironisierende Kunst mit
Nuancen, so setzt Goetz keck und unbedenklich die grell¬
sten Farben nebeneinander: die fast quälende Misère
des stupiden seinem Beruf in keiner Weise gewachse¬
nen Arztes, das Grauen des leibhaftig erscheinenden
Todes — und die groteske Plattheit der sächselnden
Geheimrätin, in deren „holdem" Mund auch das
Gruslige zum Komischen wird. Auch diese Komödie
wurde unter Herrn Hessens Regie sehr gut gespielt. Da
war der Geheimrat des Herrn Kubli, ganz gespreizie
Einfalt, Wille zum Dekorum — und dann ängstliche
Menschlichkeit, erwachende Schlauheit —
eine recht ge¬
lungene Gestalt. Die schwierige Rolle des Herrn Mors,
des leibhaftigen Todes, lag in Herrn Mantas Hän¬
den; er wußte das Grauen, das von dieser Gestalt aus¬
geht, in Maske und Spiel so glaubhaft zu gestalten,
daß man nach seinem Verschwinden allgemein auf¬
atmete; eine Entspannung, die in frische Heiterkeit um¬
schlug beim Erscheinen der sächselnden Geheimrätin, die
Frl. Biedermann mit köstlichem Humor wieder¬
gab.
M

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Lileralur
von Arthur Schnitzler wirkte nach der schweren
Atmosphäre, die—der Kammersänger geschaffen,
geradezu erlösend. „Das Stück ist eine wundervolle
E Satire auf das Kaffeehaus=Literatentum. Wir können
des Raumes wegen auf diese köstliche Komödie nicht P. 50

näher eintreten.] Zu hoffen ist, daß sie gelegentlich . 50
Ermas wieder in das Repertoite“ausgenommen werde.
ohne Auch hier zine glänzende Aufführung. Musil,b—
Einst
der gleichfalls nun von Bern Abschied nimmt, nach¬
dem er als jugendlicher Held und Liebhaber, gelegent¬
24
lich auch in Charakterrollen, seinen Mann gestellt, als
nur sportlich interessierter Aristokrat, der das Dichten
als eine plebejische Gelegenheit hält und in diesem
Fall auch recht hat, Ilde Overhoff als ent¬
zückende Margarethe, fesch und schlau und doch nicht
ohne Herz, Kohlund, der gewandte und geschäfts¬
tüchtige Romancier und Lyriker, ein Dichterling vom
Scheitel (pardon Glatze) bis zur Sohle. — Beifall und
Blumen blieben denn auch nicht aus.
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H
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