II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 4), Literatur, Seite 102

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16.4. Literatur
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Eatrait du Journat:
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BERNE
22-5-29
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rgehen
fende Zeigmis daftr Gs wird von besonderem In¬
Sorgfalt auf seinen Kammersänger
Berner Kammerspiele.
#teresse sein, das Stück, das eine Berliner Bühne
dessen Doppelspiel von scheinbarer
heute als Gastspiel aufführt und das dem gleichen
und brutalem Egoismus, durchsetzt
4 Frank Wedekind: Der Kammersänger.
Boden und der gleichen Tendenz erwachsen, ver¬
licher innerer Verzagtheit, klar und
Arthur Schnitzler: Literalur.
gleichend zu betrachten; ich fürchte, daß die 40
arbeitet. Warum er sich am Schlufs
E. B. Man hätte sich wehl einen künstlerich noch
Jahre Differenz in der Entstehung und vor allem
fallsbezeugungen des Publikums so
#tieser gehenden Abschluß, der Kammerspiele und der
der Weltkrieg, der zwischen ihnen liegt, in erschre¬
hielt, entzog sich der Kenntnis des
diesjährigen Spielzeit denken können, aber kaum
ckender Weise zum Ausdruck kommen wird!
Theaterverhältnissen nicht vertraut
einen wirksameren und exfolgreichern, als er mit
Der „Kammersänger", gewöhnlich als Groteske be¬
es wirkte aber auffallend und befr
der Wahl und Wiedergabe (djeser beiden Einakter
zeichnet, bedeutet im Grunde den Zusammenstoß
lasko betreute den schwärmenden B
erzielt worden ist. Mag Wedekind auch heute nicht
zwischen einer rücksichtslosen Intelligenz und ver¬
gen diese Rollen der halb aufgebr
mehr die große Mode sein wie vor einem Jahrzehnt,
schiedenen Stufen blinder Leidenschaft. Der Kam¬
ausgezeichnet; wie immer war auch
kurz nach seinem Tode, mögen seine Stücke durch
mersänger, hinter dessen erfolgreichem Künstlertum
von erfreulicher Durchgebildetheit.
ihre stoffliche Brutalität und verzerrte Perspektive
sich nichts als seelenloser Geschäftssinn verbirgt, ist
fehlt in der Leidenschaft die inner
nie einen reinen Genuß aufkommen lassen, so ses¬
die trügerische Hoffnung, die die zügelloser Lei¬
allem fehlt sie in der Stimme; so
selt an dieser bis zum letzten Atemzuge nicht zur
denschaft verfallenen Opfer lockt und ihnen Steine
Stelle der tragischen Figur die
Ruhe gekommenen Seele, an dieser schon von den
gibt statt Brot. An drei Menschentypen — in drei
die beim Zuhörer keine Erschütt
beiden Eltern als verhängnisvolles Erbe übernom¬
Szenen — wirkte sich seine wortreiche, öde Künstler¬
Schicksal auszulösen vermochte. Ga
mene Bohemenatur, die sich einzig den Zirkusmen¬
ichsucht aus: das junge Mädchen läßt sich mit sei¬
war Carl Weiß in seiner Rolle der
schen als den „Menschen des fünften Standes“ ver¬
nem Bilde und guten Ratschlägen abfertigen; dem
noch vom ungebrochenen Künstlerg
bunden fühlte — es fesselt an ihm auch heute noch
über seiner Opernpartitur zum Greise gewordenen
menschlichen Ruine, wie eindrucksvo
seine glühende innere Ehrlichkeit, die Leidenschaft,
Komponisten nimmt er den letzten Glauben an die
in königlicher Haltung!
mit der er sich in seinen Stücken für seine Ueber¬
Möglichkeit der Aufführung, aber nicht den Glau¬
Arthur Schnitzlers Literatur gehö
zeugung einsetzt und den furchtbaren Kampf kämpft
ben an sein Künstlertum; die ihm in blinder Lei¬
der Einatter, die der Wiener Arzt
nicht selten im Harlekingewande — gegen das,
denschaft verfallene Frau treibt er in den Tod. Wer
folg pflegt, und die einen typische
was er als bürgerliche Moral und gesellschaftliche
ist im Grunde der Sieger und wer der Besiegte?
terarischen Wienertums repräsentie
Konvention aus dem Grunde seines an der Kunst
Wie immer in seinen Stücken gibt Wedekind auch
gewöhnlich eine melancholisch geni
und der Gesellschaft enttäuschten Herzens haßt und
hier keine Antwort, keine innere Lösung; es bleibt
figur den Mittelpunkt dieser dialog
verdammt. Man vergißt immer wieder, ob der selt¬
bei der furchtbaren Anklage.
bildet, so sind hier die Figuren
samen Aufmachung, daß seine Stücke, im Sittlichen
Friedrich Stampe als Kammersänger, Ilde Over¬
Frische (und wo sie es eigentlich
wurzelnd, blutigernste Tendenzstücke sein wollen,
hoff als Frau Helen, Carl Weiß als Professor Düh¬
bei Dichter Gilbert, hat sie der T#
und er die Bühne stets als moralische Anstalt be¬
ring und Viktoria Ballasko als Miß Isabel teilten
dazu gemacht), sporttreibende A
trachtet hat; sein künstlerisch bestes Stück „Früh¬
sich in die Hauptrollen; F. Stampe, noch vom 1.
schriftstellernde Bohème stehen sich
lingserwachen“ war das beredte und lang nachwir= Kammerspiel her in guter Erinnerung, hatte viel lehnend gegenüber, bis sich durch
meg