II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 95

habe nach der ersten Lektüre des Stückes keine Be¬
denken gegen dessen Aufführbarkeit erhoben, vielmehr
eine vorläufige Rollenbesetzung eigenhändig in das
Manuskript eingetragen und einige ihm nöthig er¬
scheinende Striche angebracht. Bei einer bald darauf
erfolgten Begegnung dankte Herr Direktor Schleuther
dem Verfasser mündlich für die Uebersendung des
Stückes, besprach einige Besetzungsfragen, doch nahm
er auch in dieser rein privaten Unterredung keinen Anlaß,
ein Bedenken gegen die Aufführbarkeit des Stückes am
Burgtheater zu äußern. Hierauf erfolgte die Uebergabe
der gedruckten Exemplare und beiläufig sechs Wochen späler
empfing Herr Arthur Schnitzler unter dem Datum des
13. Februar 1900 nachstehenden Bescheid von der Hand des
Herrn Dr. Schleuther:
„Lieber Dr. Schnitzler! Anbei das Resultat meiner
ersten, flüchtigen Durcharbeitung. Nicht alle meine Striche
sind mir selbst schon zweifelsohne. Am strittigsten wohl
die Weglassung des Andrea. Freundschaftlich warnen
möchte ich Sie vor dem Deutschen Theater, das bei seinem
jetzigen Personale, ohne Kainz und Sorma, der Riesen¬
aufgabe nicht gewachsen ist. Uebrigens wurde ich die Erst¬
aufführung am Burgtheater zur Vorbedingung der An¬
nahme machen. Ich glaube, nur das Burgtheater kann
dieses Stück spielen. In Berlin allenfalls die Hofbühne.
Filippo: Christraus, Herzog: Maikowsli, Beatrice: Poppe.
Unsere relativ beste Beatrice wäre doch wohl Fräulein
Witt. Mit herzlichem Gruß 2c. 2c.
In Erwiderung darauf ertheilte Herr Arthur Schnitzler
wenige Tage später dem Burgtheater, nebst seinem prin¬
zipiellen Einverständniß zu Strichen und Aenderungen,
das gewünschte Recht der Erstaufführung und erbat einen
Aufführungstermin und eine baldige Unterredung mit dem
Direklor. Vier Monate lang sei Herr Arthur Schnitzler
dann auf dieses in der Zwischenzeit erneuerte Ansuchen
ohne Antwort geblieben, mit Ausnahme einer
einzigen, erst Anfangs Juni angelangten Karte, in
welcher der Direktor mittheilt, er werde sich „dieser Tage
ium dritten Male an das Studium des Stückes machen",
und den Antor ersucht, „seine hart auf die Probe gestellte
1 Geduld noch einige Tage laufen zu lassen“. Erst am
18. Juni erhielt Herr Arthur Schnitzler ein Schreiben des
Direktors, worin dieser nunmehr Bedenken gegen die
Erfolgsmöglichkeit des Stückes erhebt und nach ausführ¬
licher Darlegung derselben dem Verfasser proponirt:
„Warten bis zum Frühjahr! Sehen, wie dann die Kon¬
stellation am Burgtheater ist.“ Das vier Monate inne¬
gehabte Recht der ersten Aufführung wurde in diesem
Schreiben zurückgelegt mit dem Beisatze: „Ich müßte es
mir selbstverständlich gefallen lassen, daß eventnell Berlin
oder München vorangehen.“
Diese für das Schicksal des Stückes so wichtigen
Eröffnungen entzogen sich, eben durch den Umstand, daß
sie erst knapp vor Eintitt der Ferien an den Verfasser
gelangten, einer sachgemäßen Entgegnung, weshalb Heir
Arthur Schnitzler erst zu Beginn des neuen, gegenwärtigen
Spieljahres an die Direktion des Bugtheaters einen
Brief richtete, in welchem er im Zusammenhalte der beiden
ihm vermittelten Bescheide vom 13. Februar und vom
117. Juni die Aufrage stellte, ob sein Stück innerhalb der
jetzt verlaufenden Saison, also über den proponirten
Leitmnkt der zu erwartenden „Konstellation“ hinaus,
angenommen sei oder nicht.
Auf dieses Schreiben vom 1. September erfolgte eine
endgiltig ablehnende Antwort am 2. September d. J.
Gegen diese Handlungsweise als eine „unstatthafte“
protestiren nun die Herren in ihrer öffentlichen Erklärung,
ohne im Uebrigen dem Direktor des Burgtheaters das
Recht, Stücke anzunehmen oder abzulehnen, das er kraft
seiner persönlichen Verantwortlichkeit zweifellos und un
antastbar besitzt, irgendwie schmälern zu wollen. Alleit
sie müßten Einsprache dagegen erheben, daß es dem
Direktor des Burgtheaters gestattet sein sollte, „sich in so
auffallender Weise zu widersprechen und im September
ein Stück abzulehnen, dessen Erstaufführung er im Februar
gewünscht hat.“ Im Interesse der Autorität des Direktors
des Burgtheaters erachten sie es für geboten, daß
sein in Ausübung seines Amtes gegebenes Wort einer
gewissen Verläßlichkeit nicht entbehre, und „sie sahen sich
genöthigt, in dem vorliegenden Fall das Wort zu ergreifen,
weil das Verfahren, das hier gegen einen bekannten
Schriftsteller geübt wurde, sie mit aufrichtiger Besorguiß
für die Behandlung erfüllt, die heranwachsenden, noch
nicht begläubigten Talenten am Burgtheater zu Theil
werden mag.“
Direktor Schleuther wird natürlich antworten und
man darf auf seine Ausführungen gewiß gespannt sein.