II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 200

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Breslau.
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Leitung noch zu Ende der Spielzeit 1900/1901 Musteraufführungen
statt; Sudermanns „Glück im Winkel“ erlebte durch Frl. Illings
Elisabeth in der vorigen Spielzeit wie in der laufenden die „Heimat“
eine Reihe von Aufführungen. Wenn als die erfolgreichsten Dramen
der Breslauer Spielzeit 1900 auf 1901 Hartlebens „Rosenmontag“,
Ernsts „Flachsmann als Erzieher“ und der erste Theil von Björnsons
„Uber die Kraft“ hervortreten, so war auch der Erfolg der Tragödie
des Wunderglaubens durch Frl. Illings Darstellung bedingt. Der zweite
Theil hat infolge ihrer Verhinderung nur schwachen Beifall gefunden.
Das tiefe Innenleben Klara Sangs mit seelenvoller Empfindungsmacht
ausströmen zu lassen, den dämonischen Lebensdrang einer Hedda
Gabler oder Rebekka West. Magdas sieghafte Kraft und Seelensehmerz
erschütternd zum Ausdruck zu bringen, durch Leidenschaft und Leiden
aufs tiefste zu ergreifen, das alles vermag Frl. Illing in einer Voll¬
endung, die sie in derartigen Rollen den größten Künstlerinnen eben¬
bürtig macht. Sie spielte vorigen Winter auch Francillon und in der
„Jugend von heute“, in diesem die „Fee Caprice“ und etwa vierzigmal
die „Zwillingsschwester“ geistvoll und reizend. Aber ihre Stärke liegt
nicht auf diesem heiteren Gebiete. So berechtigt sie ist, in ihren eigensten
Rollen neben, ja vor Agnes Sorma zu treten, so wenig kann sie als Fuldas
„Zwillingsschwester“ sich mit Fran Sormas entzückender Wiedergabe
der Rolle messen.
Wir hatten im December 1901 wieder ein zehntägiges Gast¬
spiel der in Breslau stets jjubelnd aufgenommenen Frau Sorma. Si¬
gab aufs neue ihre alten Paraderollen, Ibsens „Nora“ und die Claire
in Ohnets unausstehlichem „Hüttenbesitzer“ und in mehr eigenthüm¬
lich düsterer als zulässiger Auffassung das Faust’sche Gretchen. Als
frische Rollen brachte sie uns die Marikke in Sudermanns „Johannis¬
feuer“ und die „Zwillingsschwester“; als neue Stücke Donnays lang¬
weiligen französischen „Giebbach“, der so missfiel, dass die beabsich¬
#tigte Wiederholung unterbleiben musste, und das deutsche Schauspiel „Die
Collegin“ des talentvollen Hlermann Katsch. Das Ernst und Humor mischende
Drama, das Verführung und Selbstmord eines studierenden Mädchens mit
schlichter und ergreifender Wahrheit vorführt, ist neben der „Zwillings¬
schwester“ das einzige nicht durchgefallene Stück dieser Spielzeit (bis
Ende 1901). Das hohle Tendenzdrama Skowroneks „Die goldene Brücke“
und Otto Ernsts „Größte Sünde“, dieses traurige Zeugnis einer von Schlag¬
wörtern genarrten Halbbildung, Halbes „Haus Rosenhagen“ und etliche
Possen sind abgelehnt worden. Dass Björnsons „Paul Lange und Torn
Parsberg“ dies Schicksal theilen musste, vermochte jeder Leser des nur für
Norwegen interessanten Stückes ebenso vorauszusagen, wie man Björnsor
„ Leonardar bei Frl. Illings Verkörperung der Titelrolle Erfolg weissa,
könnte. Aber natürlich durfte hier nur das Stück erscheinen, das k..
vorher an einer anderen Bühne gegeben worden war. Wirkliche Erstauft
führungen werden jn in Breslau meistens nur in Halms Sommertheaten
gewagt, wenigstens solche, die der Erwähnung wert wären. Nur ganz
wenige Ausnahmefälle sind aus dem Spielplan unserer Winterbühnen zu
verzeichnen.