II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 226

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Seite 185.
20. September 1902.
Die Zeit.
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Wie
Nr. 416.
dem „das Wort“ „der Menge tönendes Erz“ ist und der „hl. Bu¬
vertreter auf Erden gehaben und in affenartiger Eitelkeit sich bei
reaukratius“ herrscht. Ganz märchenhaft ist auch die Tragödie
jedem kritischen Wort über einen von den großen Todten gebärden,
„Einer für alle“ von Friedrich Dukmeyer:), die einen Conflict
als ob ihre nichtige Erbärmlichkeit angegriffen worden wäre.
zwischen Militärpersonen und Civilisten behandelt und damit endigt,
Eine kleine Münchhausen=Episode behandelt eine Komödie
dass ein Oberst, der einen Redacteur, weil dieser die Ehre des
„Münchhausens Antwort“ von Hanns v. Gumppenberg“,
Regiments verletzte, einfach niederschießt, vom Kriegsgericht als
der Münchhausen in seinem Schlosse „im Hannöver'schen“ eine
Verbrecher „aus dem Kriegsdienst ausgestoßen und auf acht Jahre
adelige Gesellschaft dem Spotte des Publicums preisgibt und zu
nach Sibirien verbannt“ wird. Das Stück spielt eben in Samar¬
Gunsten einer Stallmagd schröpft. Zum Titelhelden eines Lust¬
kand, also in dem barbarischen Rufsland. In unseren Culturstaaten
spieles hat Münchhausen Fritz Lienhard') gemacht. Bei ihm ist
wäre ein solches Utheil wohl kaum möglich. Erwähnt sei schließlich
Münchhausen ganz der alte Lügenheld geblieben. Das wäre an sich
noch das Drama „Ananian“ von Curt Aram'), das die Lage
kein Uebel, wenn nur die neuen Lügen, die Lienhard ihn vor¬
der Christen an der persisch=türkischen Grenze und ihr Verhältnis
bringen lässt, etwas besser wären. Außerdem ist Lienhards Münch¬
zu Kurden und Mohammedanern schildert. Den Kern der Handlung
hausen au fond ein guter Mann. Auch das wäre kein Fehler.
bildet ein Versuch des Titelhelden, die Christen von der Herrschaft
Aber er ist etwas dumm, und das sollte Münchhausen denn doch
der Ungläubigen zu befreien; als pikante Zuthat scheinen die ver¬
nicht sein. Freilich will der Autor seinen Münchhausen als den
gnüglichen Reden, in denen sich der Kurdenfürst Mommedacha, der
ganz Gescheiten darstellen, der seine Gäste, die ihn übertrumpfen
des Ananias Weib vergewaltigt hat, über dieses Thema der Ge¬
wollen, selber übertrumpft; aber er fällt auf ihre albernen, plumpen
nothzüchtigten und ihrem Gatten gegenüber ergeht.
Späße, dass sie ihm z. B. drei Landjunker als Cagliostro, Lavater
Max Burckhard.
(Schlufs folgt.)
und — Goethe vorstellen, doch zunächst hinein, und erst wenn ihm
andere einen Anschlag verrathen haben, weiß er hinterher den
Klugen zu spielen.
Bei Nennung des Freiherrn von Münchhausen, des adeligen
Der kunsthistorische Congress in Innsbruck.
Schelms, denkt man unwillkürlich an Till Eulenspiegel, den Schelm
Tenn Jahre sind seit der Wiederbelebung der kunsthistorischen
aus der Sphäre des „fahrenden Volkes“. Auch ihn hat Lienhard
X Congresse, deren der Wiener Kunsthistoriker Karl v. Lützow
schon einmal zum Titelhelden einer Bühnendichtung gemacht, nun
sich erfolgreichst angenommen hatte, dahingegangen. An die allen
bringt er ihn nochmal in einer Episode, dem Schelmenspiel „Der
Theilnehmern in angenehmster Erinnerung gebliebenen Tagungen
Fremde“.5) Handlung und Charakteristik sind recht schwach, und
in Nürnberg, Köln, Budapest, Amsterdam und Lübeck reiht sich nun
was sich als Witz und Laune gibt, dürfte kaum auf irgend jemanden
jene in Tirols gern besuchter Hauptstadt, unter deren Kunstschätzen
als solche wirken. Auch von der berühmten „Heimatskunst", hin¬
das berühmte Maximiliansgrabmal die Bewunderung der ganzen
sichtlich derer man gethan, als hätte das neue Schlagwort für eine
gebildeten Welt genießt. Der zahlreiche Besuch des Innsbrucker
alte Sache ganz neue Ideenkreise eröffnet, kann ich nichts in
kunsthistorischen Congresses ließ in erfreulichster Weise erkennen,
Lienhards Sachen finden. Es wäre denn der Satz, den er in seinem
dafs die betheiligten Kreise den Wert der von den Congressen aus¬
„Münchhausen“ einem Liebhaber in den Mund legt: „Ich kann
gegangenen Anregungen und Unternehmungen immer richtiger und
keinen Menschen so gut leiden, wie dich, den König von Preußen
höher einschätzen lernen, obzwar auch bis zur Stunde weder der
ausgenommen.“ Ein vernünftiges Mädchen wird vielleicht einen
offene noch der versteckte Widerstand von bestimmten Seiten trotz
solchen Liebhaber nicht nach Verdienst zu schätzen wissen, der Lieb¬
der unbestreitbaren Erfolge gebrochen ist. Zu letzteren rechnet in
haber hat aber mit feinem Empfinden den König des Landes ge¬
erster Reihe die 1893 zu Nürnberg in Aussicht genommene und
nannt, in dem man „maßgebenden Ortes“ dermalen ein besonders
seither in schönster Weise verwirklichte Gründung des kunsthisto¬
gutes Verständnis für derartige „Heimatskunst“ besitzt.
rischen Institutes in Florenz, das unter der sachkundigen Leitung
Die Vorgeschichte Eulenspiegels, wie er zu dem wurde, was
des Leipziger Professors Brockhaus sich immer mehr zu einer wich¬
er der Welt war und ist, führt uns in ansprechender Weise Carlot
tigen Förderungsstätte für streng methodische Einführung in die
Gottfried Reuling“) in seinem Drama „Der Retter“ vor. Der
kunsthistorische Forschung ausbildet, die Constituierung der Gesell¬
junge Till kommt nach Schilda zur Zeit einer Seuche und rettet
schaft für photographische Publicationen, deren sehr beachtenswerte
einer großen Anzahl Schildaer und auch der Tochter des Bürger¬
und stattliche Veröffentlichungsreihe eine Fülle wichtigen, bisher
meisters das Leben. Nachdem aber die Gefahr vorüber ist, erwachen
unbeachteten Materiales erschlossen hat, das Inslebenrufen einer
der Hass des heimischen Arztes, der Geiz des Bürgermeisters, dem
Corporation für ikonographische Studien und die Unterstützung der
um das verheißene Honorar leid ist, die Eifersucht des Rath¬
Actionen für Denkmalpflege durch Erörterung wichtiger Fragen
schreibers, dessen Braut, ein Spielmannskind, sich Till zugewendet
derselben auf den Congressen selbst und durch Ueberreichung von
hat; da sich herausstellt, Till habe sein Diplom nicht im römischen
Resolutionen behufs Erlassung eines gesetzlichen Denkmalschutzes bei
Reich, sondern in Paris erworben, und er sei der Sohn einer der
einzelnen Regierungen. Die Bedeutung der Congresse besteht ja
Hexerei verdächtigen, in ungeweihter Erde bestatteten Schildaerin,
hauptsächlich in der Inangriffnahme großer weitaussehender Unter¬
„der Alten vom Ulenhorst“, setzen sie auch bei dem parteiischen und
nehmungen, welche die Kräfte des Einzelnen übersteigen und all¬
bornierten Richter durch, dass „der Retter“ verurtheilt wird, am
gemeinen Interessen des ganzen Wissenszweiges oder Kunstgutes
Pranger zu stehen. Und da das Volk, das anfangs auf seiner Seite
dienen. Für geistreichelnde Hypothesen eines eng umschriebenen
gestanden hatte, erfährt, der berühmte Arzt, der ihm Rettung ge¬
Sonderthemas bieten, wenn nicht ein Werk eines hochberühmten
bracht, sei ein „Hiesiger“, sucht es Till zu steinigen. Schon ist seine
Meisters, ein ganz actuelles Problem in Frage steht oder eine nähere
Braut von einem Steinwurf getödtet, auch er würde gewiss er¬
Orientierung auf einem sonst etwas seitab liegenden Gebiete ver¬
schlagen — da kommt die Nachricht, die Seuche sei neu ausge¬
sucht werden soll, die bestehenden Fachzeitschriften ausreichende Ge¬
brochen und der Bürgermeister selbst erkrankt. Till wird aus dem
legenheit zu anregender Erörterung vor einem größeren Publicum.
Halseisen befreit und soll den Bürgermeister retten. Ja, sagt er,
Dagegen kann für methodisch bedeutungsvolle Neuerungen, die bei
wenn Ihr mir die erschlagene Braut wieder lebendig macht. Und
Einzelforschungen eben erst mit Erfolg eingeführt wurden, aber
dabei bleibt er, nimmt dem Stadtnarren Kappe und Pritsche ab
noch manchen Einwänden begegnen, gerade in Congressvorträgen
und zieht, die Kappe wie eine Krone am Haupt, die Pritsche wie
und Congressdiscussionen manch fruchtbarer Gedanke ausgeseilt und
ein Seepter tragend, in die weite Welt.
zu größerer Ertragfähigkeit geläutert werden. Große Fragen selbst
An die Kategorie der Sagen und Märchen lassen sich einige
auregen oder zielbewusst fördern, dem wissenschaftlichen Betriebe
Stücke angliedern, deren Schauplatz in den Orient verlegt ist. Da
unter Zustimmung der Mehrheit der Fachgenossen neue Bahnen
ist eine dramatische Satire" „Wahrheit“ von Fritz Krempien?),
erschließen und auf einzelne hervorragende Schätze bestimmter Land¬
die in Samarkand spielt und uns zeigt, wie von zwei Volks¬
striche oder Gebiete durch Sonderausstellungen, gemeinsame Aus¬
befreiern jener, der die Massen belügt und ihnen Unerfüllbares
flüge u. s. w. die allgemeinere Aufmerksamkeit der Forschung hin¬
verspricht, dauernden Erfolg hat, während jener, der ihnen die
lenken, bildet das Programm der kunsthistorischen Congresse. Um
Wahrheit sagt, erschlagen wird. Dem Sterbenden, der übrigens
seine Verwirklichung haben sich zwei der Congrefssache leider zu
selber scrupellos seine Braut belogen hat, ruft auf seine visionäre
früh durch den Tod entrissene hochangesehene Kunstforscher, Karl
Verkündigung einer wahrheitsfreundlichen Zukunft ein Bürger
v. Lützow und Franz Xaver Kraus, ganz außerordentliche Verdienste
nach: „Schau nimmer erdwärts, hoffnungsvoller Streiter,
als Präsidenten des geschäftsführenden Ausschusses erworben, an
Samarkand lügt Alles ruhig weiter.“ Eine ebenfalls satirische
dessen Spitze in ihrem Geiste August Schmarsow (Leipzig) unbeirrt
„Komödie“ „Phrasien“ von Franz Neubauer“) führt uns zuerst
und unverdrossen die Interessen der Kunstwissenschaft möglichst
nach Indien, wo wir mit der trefflichen Einrichtung bekannt ge¬
allseitig zu fördern bemüht ist.
macht werden, dass alle Leute einen falschen Buckel tragen müssen,
In der Vortragsreihe des Innsbrucker Congresses dessen
weil der Sohn des Königs einen echten hat, und dann in Beglei¬
Verhandlungen Prof. Schmarsow leitete, ließen sich drei Gruppen
tung des alten Herrn Ahasver nach „Phrasien“, einem Lande, in
von verschiedenartiger Bedeutung scharf unterscheiden: eine mit
einem weite Kreise der Bilderbesitzer interessierenden allgemeinen
Berlin, E. Bloch. 64 S.
Berlin, G. H. Meyer. 106 S.
Thema, die zweite mit dankenswerten Darlegungen über speciell
Berlin, G. H. Meyer 39 S.
Berlin, E. Bloch. 125 S.
) München, Staegmeyr. 124 S.
Dresden, E. Pierson. 51 S.
2) Dresden, E. Pierson. 98 S.
*) Leipzig, R. Wöpke. 118 S.