II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 339

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14: Der Schleier der Beatrice
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instinktiv schafft, und deren Ausstrahlungen und Beein=dig=schuldig, ein Bild der Qual u. der Hälflosigkeit steht sie

nüjsungen auf das Geschick von Männern.
eitleton.
da gleich einem Kinde, das ahnunglos ein Unersetzbares
— Von mir
zerstört und nun das Schelten nicht versteht. Und der Herzog
Geht sie nach Hause, läßt von Vittorino
Berliner Theater.
ringt mit diesem Geheimnis, stockend formen sich seine Gedan¬
Zur Ehe sich beredten, geht mit ihm
ken zu Worten:
K: „Der Schleier der Beatrice.“
Zur Kirche, trifft 'nen Andern auf dem Weg
Warst Du nicht Beatrice, nur ein Kind
hrt im „Deutschen Theater“.
Der Herzog ist, und läßt sich mit ihm trauen,
Das mit der Krone spielte, weil sie glänzte —
Indeß der andere stirbt,— ich aber warte ...
chleier liegt um Dich der letzten Stunden
Mit eines Dichters Seel, weil sie voll Rätsel —
Atet“ das Wort, das der Dichter Fi¬
Filippo, der Dichter sagt das, ein unbefriedigter nach
Mit eines Jünglings Herzen, weils Dir just
in Schnitzlers Dichtung spricht, gilt von
Unerfüllbarem durstender Lebenswerber, voll Sehnsucht, aus¬
Geschenkt ward? Aber wir sind allzu streng
Von den Poesien dieses Feinen und
zuschöpfen und voll Ueberdruß wenn er den Becher an die
Und leidens nicht, und jedes von uns wollte
wenige heut die wirr verstrickten Gänge
Lippen setzt. Er hat alles daran gegeben, Beatrice, das
Nicht nur das einfache Spielzeug sein — nein
es „Fühlens, Heut und Gestern“ voll
schönste Mädchen von Bologna zu gewinnen, und als sie ihm
mehr!
rerforscht, der die Chemie der Gefühle
am Halse hängt, stößt er sie von sich, weil sie ihn schonungslos
Die ganze Welt. So nannten wir Dein Tun
risches Ziel und einzig des Wissens
erzählt, sie habe im Traume in des Herzogs Arme gelegen.
Betrug und Frevel — und Du warst ein Kind.
dieses Drama die wundersamsten Rät¬
Sie geht, und ihren Weg bezeichnen jene eben zitierten Verse.
Wie eine Lösung setzt Schnitzer diese Worte hinter dieses
Seide, in Schimmerstoffe mit Edel¬
Wir stellen knapp, ohne Kommentar seine Etappen neben¬
fragen= und zweiselsschwere Werk. Ich kann wohl fühlen, was
behängt sie mit dem Prunk der Rede,
einander. Ihr Bruder, der sie den kupplerischen Eltern ent¬
er wollte. Die Beatrice am Ende garnicht so voll neuer uner¬
seltenen Worten. Doch ein müdes Be¬
reißen will, drängt sie zur Heirat mit einem braven Jungen.
hörter Sphinxaufgaben. Ist sie nicht der Salome verwandt
das dunkle Irren in dem Labyriuth
Da kommt der Herzog, der Traum beginnt in ihr zu spielen,
ng und Stimme bekommen, das Me¬
Zauber fliegt von ihr zu ihm. Er streckt die Hand nach ihr,
keinen Anteil hat. Ist sie nicht neugierig spielender Weib¬
, die nie und nimmer ganz zu deu¬
sie aber sagt, wie ein Kind, das unerhörten Wunsch wie eine
instinkt, der nach glänzenden Früchten greift, nur das Leben
sein eigenes Rätsel lösen, aber der
spielende Bitte ausspricht, sie will Herzogin sein. Und den
des Augenblickes führt und nur aus ihm heraus handelt, Der
nur zu gut, daß wir nichts wissen
Herzog packt das Fluidum der seltsamen Stunde; das Leben
Intellekt des Kindes, das die Hände begehrlich ausstreckt
n seltsam widerspruchsvoller Gestalten,
geht in diesem Moment ohnehin über die Grenzen des Ge¬
und im nächsten Augenblick das Spielding fallen läßt und
t ihres Wesens wandeln, die Schritte
wöhnlichen, denn der Tod hängt über ihnen, der Feind steht
nach neuen langt, dieser Intellekt des Kindes verbunden
unbegreiflich, und in den Abgrund stür¬
übermächtig vor den Toren, Weltuntergangsstimmung weht,
mit den jäherwachten Sinnen des jungen Weibes. Begegnen
kual um den Mund und der leidvollen
die letzte Nacht vom Sterben ists, Rausch und Ekstase, um
wir ihm nicht schon im Anatol und hörten wir nicht, über sie
wir getan?“ — diesen Reigen führt
glüht von roten Fackeln der Gefahr“, wirken lodernde Athmo¬
ein nahvertrautes Wort: „Sie ist, wie jede liebt das Leben
cene. Aber sein Gott und Schicksalsherr
späre, in wildem trotzigem Hochgefühl führt der Herzog sich
und denkt nicht nach. Wenn ich sie frage, liebst Du mich? so
er steht nicht über ihm, er selber ist ihm
sein Weib von der Straße in das Schloß, indes der Bräutigam
sagt sie ja und spricht die Wahrheit; und wenn ich sie frage, bist
chauert vor dem Schicksal seiner Men¬
sich ersticht. Ein Fest berauschenden Lebens voll Vernichtungs¬
Du treu, so sagt sie wieder ja und wieder spricht sie die Wahr¬
die Herrschaft über sie, er stößt sie in
dämonie soll jetzt unter den Schatten des Todes gefeiert werden.
heit, weil sie sich gar nicht an die Andern erinnert.“
nd stiehlt sich bei Seite, hülflos, matt,
Mitten im Fest aber flieht Beatrice zurück zu Filippo.
Schnitzler hat diesen Typus stilisiert, er hat Mord und
Unendliche Sehnsucht treibt sie ihr ist, als müßte sie mit
krinat Schwingung, Anregung; es führt
Gewalttat und eine heißer pulsierende Zeit dazu getan, aber
ihm sterben. Als er aber, verdüstert durch des Lebens Wirrsal
selbst. Aber der Frage, die es aufwirft,
seine Vorstellungen des müden Genußphilosophen voll Skep¬
durch diee Irrlicht=Verierspiele seines Schicksals, Ernst macht,
die es vorführt, ist es künstlerisch an
schaudert sie zurück. Voll Ekel und Bitterkeit leert Filippo
sis und Sentimentalität, voll mürben Ahselzuckens, und
n Geschliffenheit der Sondierung nicht
voll der kraftlosen Sehnsucht nach überfrömender Fülle
das Glas mit dem Gift allein. Aber den kostburen Schleier
durch das dunkelglitzernde Kolorit, durch
des Daseins, vermag er leibhaftiger im Gegenwartsgewande,
vergaß sie. Er wird der Verräter all ihrer geheimen Wege.
- und Liebesmelancholie, die sich darüber
in den Typen der Anatole und modernen Verges, Demivier
Der Herzog zwingt sie, ihn dorthin zu führen, wo sie ihn
e aber durch den Eindruck, daß der Dichter
gelassen. Und in dem Raume, wo der tote Filippo liegt,
ges und femmes zu gestalten und auszusprecken als in dieser
#ie die Figuren des Stückes auf dornig
wo Beatrices Lebensrätsel angefangen, erfüllt sich ihr Ende.
ihm fremden und nur künstlich beschworene Gobelin= und
In die Irre setzt, ohne den eigenen Weg
Goldbrokatwelt.
Der Bruder löst das Rätsel mit einem Dolchstich, er weiß
freilich einer darunter leidet, so
ist er
nichts und versteht nichts von dieser Stummen, die sich nicht
Wie ihm so ging es auch den Schauspilern des Deut¬
persten. Ein ähnliches Gefühl mag über¬
entschuldigen kann, nicht rechtfertigen wegen all der Unge¬
schen Theaters. Sie kleiden Verse und gestegerte Rede so
das Publikum ließ sich völlig durch
heuerlichkeit, die um sie geschehen. Er weiß nur, leben darf
schlecht wie Rasselrüstung und Mäntelchen vor starrer Seide
es Werks locken und ertrug das Spröde.
sie nicht. Und was wissen wir und die andern, die tiefer sehen,
übeer rotem Sammtwamms. Nur Irene Triesch war wie
gab es starken Beifall, für den Schnitzler
als die grobe Einfalt dieses Bruders?
gebannt im Grauen, da sich ihr Los erfüllt, und das Schick¬
en durfte. Was wir nun sehen war —.
„Der starb um Dich? Und den verrietest Du?
sal die Schlinge zuzieht, ein unvergeßliches Bild.
t überreich wuchernden Beiwerk und der
Und mich um ihn? Und wiedrum ihn um mich?
Beerlin, 9. Mürz.
Felix Poppenberg.
der Personen — Staffage
dieses.
Was bist Du für eein Wesen Beatrice?“
——
nandergerückter Schicksalssituationen, die So fragt der Herzog erschüttert, geängstet von diesem Unbe¬
Mädchen, Beatrice Nardi von Bologna, areiflichen, doch die Gefragte weiß nicht zu antworten, unschul¬