II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 407

box 20//4
14: Der Schleier der Beatrice
Die Zukunft.
522
Mann nicht aus; wie sollte ein unerfahrenes Mädchen ihn nach zwei Tagen
kennen? Einen Traum hatte sie ihm erzählt; er würde gewiß lachen. Auf
ihrem Bett war sie, als sie sich für ihn schmücken wollte, eingeschlummert, für
Minuten nur; und im Traum — wie drollig! — sah sie sich im Brautbett
der Herzogin, fühlte den heißen Athem des Fürften dicht an ihren Lippen und
fuhr jäh auf. So wunderlichen Traum muß man doch erzählen. Aber der Freund
lacht nicht. Einen Schöpfer hatte er sich gewähnt. Und sein Geschöpf träumtsich
aufs Buhlbett eines Anderen? Du sollst keine Götter haben neben mir! Jeder
Schöpferwahn befiehlt so. Liebe könnte verzeihen; Manneseitelkeit kann nie
vergessen. Mit rauhem Wort jagt der Freund das Mädchen hinaus. Beschmutzt
bist Du, Deines Traumes Dirne, nie umfängt Dich wieder mein Arm! Beatrice
faßts nicht. Ganz betäubt kehrt sie ins enge Haus heim. Der Bruder bringt
ihr den Bräutigam: sie fügt sich. Der Herzog wirbt: sie wird Herzogin. Nun
aber, da der Traum Wahrheit werden soll, da die Mägde schon das Braut¬
gemach rüsten, nun packt sie die Scham. Bei ihm nur war Leben gewesen.
Puppen hatte seine Rede zu Menschen gewandelt. Aus dem Palast läuft sie
zu ihm. Sterben, gemeinsam sterben mit ihm, der sie leben lehrte! Eines
Mädchenhirns dünnes Gespinnst. Nardis schöne Tochter ist keine Heldin.
Als der Geliebte ihr, sie zu prüfen, den Glauben einspricht, sie habe Gift ge¬
trunken, flackert die Lebenssucht aller Kreatur auf. Schmach und Lüge lieber
als Tod. Von des Freundes Leiche eilt sie zum Herzog zurück, ins Leben.
Und nun muß sie zum dritten Male an diesem Tag der Wirrung den wohl¬
bekannten Weg gehen, muß den Mann, dem sie angetraut ward, in den Raum
führen, der ihres Glückes Brautkammer war, ihres Liebstenletzte Ruhstätte ist.
Die Kerzen sind herabgebrannt. Auf dem Tisch die Reste eines Mahles,
bei dem der Hausherr mit florentinischen Metzen tröstenden Rausch gesucht
hatte. Und da liegt der Schleier; auf sein Geheiß ließ sie ihn fallen. Schnell
wieder fort. Ist nicht unsere Hochzeitnacht, Lionardo? Leise naht schon die
Sonne dem erglühenden Erdball. Früh mußt Du ins Feld. Schnell ins
Schloß heim! Ist die Sehnsucht nach meinem Kuß denn verraucht? Das
arme, von Todesschauern geschüttelte Weib müht sich, bräutliche Lust zu
heucheln. Doch in dieser Nacht soll ihr nichts mehr gelingen. Hier, worin An¬
derer ihren Leibwärmte, will der Herzog sein Eheherrnrecht; wozu in die kalte
Pracht erst zurück? Da sieht er, am Fuß des Bettes, den Körper des Glück¬
lichen, dessen Reiz eine Fürstin vom Thron gelockt hat. Der also ists. Und
schläft, kann schlafen, wie ein Stallknecht, der nach viehisch gierigem Saufen
an der Krippe hinsank. Wach auf, Du Lümmel, Du lahmer Buhle, Du