II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 445

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14: Der schleienderBeatrice
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Theater.
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Häuser mne die behaglichen Menschen studiert, oder er gönnt in einen von
gedämpftem Licht erfüllten Interieur dem vielgeplagten Auge Ruhe.
(e,
Skarbina gehört zu denjenigen deutschen Künstlern der Gegenwart, die sich
nach einer Beseelung des Impressionismus sehnen, nach einer Aberwindung
des Dogmas vom „Nurmalerischen“, zu dem er verführen kann, bei Auf¬
rechterhaltung all der nie mehr entbehrlichen technischen Fortschritte, die er
uns gebracht hatt.
Diese Sehnsucht ist eine notwendige und eine gesunde. Ob sie aber
schon so bald ihr Ziel erreichen wird? Jedenfalls können wir vor der
Hand die Schule des Impressionismus, die uns so sehr gesund ist, noch auf
lange Zeit hinaus nicht entbehren. Und darum schadet es gar nichts, wenn
die Berliner Sezession mit solcher Energie auf diese nächste Aufgabe hin¬
weist und in ihrer fünften Sommerausstellung, die zu Beginn des April
eröffnet wurde, ihr Programm schärfer als je formuliert hat. Anser Ziel
in Deutschland geht über den Impressionismus hinaus. Doch unser Weg
führt durch ihn hindurch.
Theater.
Von Karl Strecker.
Die echt menschliche Gepflogenheit: Tote in ihrer Bedeutung nicht
nur gerechter, sondern schlechthin höher zu werten als Lebende —
seelenkundlich wohl zu erklären, weil die Toten weder eine Meinung über
den Schätzenden haben, noch, hors concours, ihm schaden können — hat in
den letzten Wochen auch im Berliner Theaterleben ihre Früchtchen gezeitigt,
freilich recht faule Früchtchen, von denen sich kaum ein Wort zu reden
lohnte, wenn es sich nicht um Namen wie Ernest Renan und gar
Giordano Bruno handelte. — Irgend einer jener wohltätigen Zwecke,
die, höchst unwohltätig für den Zuschauer, sich immer einstellen, wenn ein
seiner Meinung nach verkannter Dramaturg oder Regisseur a. D. den
Drang fühlt, die stumpfe Welt an sein Vorhandensein zu erinnern und sein
Licht in einer Sondervorstellung, just um die Mittagstunde, leuchten zu
lassen, verschaffte uns die Bühnenbekanntschaft von Ernest Renans „Ab¬
tissin von Jouarre“. Es ist das letzte „philosophische Drama“ des aus
Wesenszügen von Platon und Voltaire wunderlich zusammengesetzten
Jesubiographen. Die für einen deutschen Gelehrten schlechthin undenkbare
Idee, seine Philosophie von den Brettern der Kulissenwelt herab ver¬
künden zu wollen, hatte in Renans echt französischer Veranlagung, seinem
geistigen Mutterboden, der von deutscher Bildung freilich wohl beackert
war, feste Wurzeln gefaßt. Er glaubte allen Ernstes, daß die moderne
Philosophie ihren „höchsten Ausdruck“ (seine eigenen Worte) im Drama
finden werde. Ihm träumte von einer Zukunftsbühne für frohe Adels¬
menschen, feine freie Geister, ein Theater, das nichts mehr gemein haben
sollte mit der heutigen dramatischen Industrieware, mit den Trauerspielen
für traurige, den Lustspielen für lächerliche Gesellen. Nein, „die tiefsten
Gedanken“, so ruft er in seiner Einleitung zu den „Drames philesophiques“
„sollen dort erklingen, und in dem Dialog der Ewigkeiten wird die