II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 565

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Der schleier der Beatrice
Nr. 132
Wiener tägl. Theater- u. Fremdenzeitung (Karl Ed. Klopfer), XXVII. Jahrg., II. Juni-Hälfte 1925
gende Sonne, die ihm zu — fröhlichem Tod im Argste in dieser Beziehung gibt Hr. A. übrigens stößen gegen den Sprachgeist bewahn
nutzlosen Kampf mit den überlegenen Streit- schon im I. Aufzug zum Besten, als er in der So fühle nun ich mich verpflichtet,
kräften des Borgia leuchten soll, als leuchte sie Rede an den Geheimschreiber Cosini, der ihm aufmerksam zu machen, daß in dem S
ganz allein ihm, der dem letzten Abenteuer als die Einladung zu Hof bringt: „Ich bin heut nicht
werbenden Herzog: „Es wur zu w
dem gewaltigsten mit mächtiger Neugier ent- mehr, den der Herzog sucht“ mit aller Kraft
(nur nicht das Rechte)“ nicht die
gegensehe, denn: „Das Leben ist die Fülle, nichtldas mehr betont statt des „bin“. (Merkwürdig!
sondern „wenig“ zu betonen ist u
Sonst reiten die Herrschaften auf der Ver¬
die Zeit, und noch der nächste Augenblick ist
wenig das nicht: ihrer Versicherun
weit“, heißt es im Buch. Schnitzler hat dieser(neinungspartikel herum, und wo sie allenfalls
„Ich werd’ ihn nicht zum zweitenmal
betont werden dürfte, weichen sie ihr aus. Das
Sentenz, die eine lichtvolle und tröstliche Lebens¬
(den Schleier). Auf der Hauptprobe
kommt eben davon, daß der Sprachgeist ent¬
betrachtung gibt, nun „in's Logisch-Grammatika¬
zweiten-mal“ schon am Richtigen.
flohen ist und durch Spintisiererei ersetzt wird.)
lische übertragen“ mit der prächtigen Fassung:
Eine ausgezeichnete Darstellerin
Am besten ist Hr. A. — als Toter. Sein Ver¬
tricens Schwester Rosina in Frl. Wa
Des Lebens Maßist Fülle und nicht Zeit
halten, wie sein Körper unter den Händen des
sündiger Liebe Verschmachtende liegt
usw.
Herzogs auf der Boden hinschlägt, ist wirklich
gat wie die neiderfüllt Hassende. Dall
Der Erfolg war groß, der Dichter wurde
vorzüglich.
merken, daß sie doch eines Sta
mit Beifall überschüttet, und sein Werk würde
Hr. Aslan (Bentivoglio) ist seiner Rolle nicht
Beatrice ist, nur ein verdorbener Zwe
sich zweifellos dauernd im Repertoire behaupten,
immer sicher, füllt andererseits seinem Partner
schaft ist ihre Domäne. Davon ist
wenn es in allen Teilen und bei allen Mitwirkenden
mitunter zu früh ins Wort und schwelgt stellen¬
sehr fern. Sie gibt die sentimen
die verdiente Sorgfalt erfahren hätte Daß dies
weis wieder in seinen armenischen Nasentönen
Lucrezia wie eine ägyptische Nach
nicht geschah, muß man nun auch Schnitzlern
und in der überhellen Artikulierung des a. Das
Dazu hat sie sich wieder ein geradez
zum Vorwurf machen, der bei den Proben Ge¬
ich spricht er, dem Wiener gleich, wie ein h#
Gesicht gemacht. Ihr ebenso hohler, of
legenheit gehabt hütte, darauf zu dringen und
(„Kir-he“). Das Wort „Baldachin“ betont er auf Ton bei geschlossenen Augenlidern 1
seine Monita anzubringen. Am rein szenischen
der ersten Silbe, obwohl er einen Italiener spielt. angetan, sie als Göttin der preziös
Arrangement ließ es Direktor Herterich als
(Baldacchino geht auf die Stadt Bagdäd, denVerscheinen zu lassen. An aparter Al
Regisseur ja nicht fehlen; ihm gebührt da nicht
Erzeugungsort feinster Seidenstoffe, zurück.) Als leistet auch sie ein Erkleckliches, Ich
weniger Anerkennung als Geyling mit seinen
er Beaèricen als Braut Vittorinos begegnet und #nur erwähnen, daß sie im IV. Akt in
Bühnenbildern (von denen besonders das des
sie mit der Aufforderung, ihren Weg fortzusetzen
„0 dankt mir, daß ich ehrlich bin!“
IV. Aktes: die Terrasse des Herzogsschlosses mit
auf die Probe stellt: „Du bleibst? Denkst du, ich hervorhebt und in der Versicherung
den beleuchteten Fenstern im Parkhintergrunde
will's?“ betont erstatt des letzten Wortes das ich, Isie an meinerstatt!) Ihr dauert mich
hervorsticht). Aber in der Führung der Darsteller
als er sodann auf sie nicht zu verzichten gedenkt, mich. Man muß das schaudernd er
und in der Uberwachung des Wortes lassen sich
wenn sie selber nach ihm verlange, statt: „Dich um es zu glauben. — Frl. Rita Bur
böse Mängel feststellen, obwohl de gar Vieles
nicht umarmen“ fein säuberlich bühnenjuristisch
Isabella, die doch eine Aspasia präs
noch nach der Generalprobe (die im Burgtheater
das nicht (ebenso im IV. Akt zu ihr: „Und
als gar zu vulgäres Hürchen.
nun auch die — Leseprobe ersetzen zu sollen
hab nicht Furcht!“ was dem Vers das Genick bemerkungen zu dem Bericht Ercoles
scheint) verbessert wurde, so daß ich es in meiner
bricht) und hierauf in dem Satz:
„ alse „Die Unverschämte!“ „Der Narr!“ ko
„Merkerliste“ gottlob löschen durfte, Was aber
kümmert’s niemand mehr“ — das mehr, das Papageisprüche heraus, nicht als Urte
unverbessert blieb (hoffentlich nicht unverbesser¬
er somit — gleich Hrn. Andersen — für den einem niedern Charakter begründet si#
lich), ist schlimm genug, und ich werde natürlich
Komparativ von „viel“ nimmt, den z. B. die bayr.
Hr. Hennings weiß mit de
nur davon reden und mich auch dabei nicht mit
Mundart als „mehrer“ sehr genau von dem hier
Andren, der eine schöne Aufgabe hätt
Belanglosem beschäftigen.
gemeinten „mehr“ als „fernerhin, sonst noch“ nichts anzufangen. Er gibt ihn wie
unterscheidet. Horrend ist’s, in dem Satz: „Ich eines schauerlichen Geheimnisses —
Daß das Burgtheater für den Filippo keinen
will nicht sein wie dieser Herr von Pisa“ das
Robert und keinen Kainz mehr hat, wurde uns
so leer, daß man die Rolle fast
will zu unterstreichen, als ob einer Zumutung findet. In der Szene mit Filippo zis
diesmal wieder sehr schmerzlich fühlbar. Hr. An¬
dersen ist ein zu farbloser Thilosoph, ein zu trotzen wäre. — Im Großen und Ganzen jjedoch ein Bösewicht des alten Theaters. In
Liebhaber mit nur geheucheltem Temperamentjsteht Aslans Leistung hoch obenan. Er charak¬
„Und siehst du noch der nächs
und ein Sprecher, der den schönsten Stellen der#terisiert den Renaissancefürsten in allen Licht¬
Glanz beront er den „Glanz“. (W
Dichtung den Glanz nimmt und außerdem und Schattenseiten vortrefflich, und seine edle
denn sonst an den Sternen zu sehn?
wichtige Dialogstellen, deren Deutlichkeit zum Erscheinung läßt uns verstehn, was Beatrice an finstrung doch nicht? Zu betonen ist
ihm berückt.
Verständnis der Handlung sehr notwendig ist,
weil er doch sagen will, das Loschi wal
zu Gespräcnsfetzen zerpflückt. Die Schwermuts¬
Mit der weiblichen Hauptrolle ist Frl. Wa-Idie letzte Nacht vor „sich hat)
gener der entscheidende Schritt in ihr eigent- Lohners Francesco ist zu berichten,
brühe, in die er die ganze Gestalt taucht, würde
liches „Fach“ sehr glücklich gelungen. Wir prachtvoll angelegt hat und daß er
der Wiener Volksmund bald „fade Soß“ nennen.
dürfen ihn mindestens als ein hochgemutes Ver¬
Er versteht auch nicht immer Das, was er redet.
ist, wie er den Dolchstoß gegen die
sprechen annehmen, dessen volle Erfüllung nicht vorbereitet. Im Übrigen war er auf
Als ihm Beatrice mitteilt, daß sie der Herzog
lang angeblickt habe, entgegnet er: „Was geht's ausbleiben wird, denn sie hat den „Funken“. Ihre probe noch besser als bei der Aufführt
Beatrice steht von allem Anfang an ungemein von Anfang an doch zu viel tat. Sein
dich an?“, statt: „Was geht’s dich an?“ (wie's
schon der Jambns erfordern würde), denn er will überzeugend jenseits von Gut und Böse. Ihrei dem Herzog (II. Akt) ist da so übert
doch nicht behaupten, daß es emand Anderen Traumerzählung ist wundervoll, besonders das
es sich Bentivoglio schuldig wäre, d
anginge, sondern daß sie keinen Wert darauf Nachempfinden, wie sie sich als Herzogin An-als Majestätsbeleidiger dingfest machen
stand gab: „Und so hab' ich gelächelt, siehst
legen dürte, von diesen Leichtlebigen angegallt
In seiner Uberheizung passiert es ihm
du — fürstlich!“ Auch im II. Akt, bei der#trieft“ mit doppeltem f zu sprechen
zu werden. In dem von ihm ganz verschwerumten
Wiederbegegnung mit Bentivoglio und als sienoch aufzumatzen, daß er einer di
Eröffnungsmonolog des III Akts, legt er an der
Stelle: „Ist dies nur meiner Feigheit neustes
ihm ihre Bedingungen stellt, steht sie auf voller notwendigen Betonung der Verneinu
Kleid? Herab mit ihm!“ den Ton auf „ihm“, statt Höhe. Im III. Akt, wo sie am stärfsten „aus ausweicht, als er auf des Freunde
Frage: „Träum' ich?“ erwidert: „D
auf „herab“. Bei den drei Fragen an den un- sich herauszugehn“ hat und ihr die Kraft des
verhofft eindringenden Freund Ercole: „Du erschütternden Wolterschreies zu wünschen wäre, Vittorino, du träumst nicst!“, was
bist's? Wokommst du her? Was willst du hier?“ zicht sie sich wenigstens mit Ehren aus der Vers zerstört, der freilich den Schön
betont er ganz richtig das erste „du“ und das Affäre. Im IV. müßte sie deutlicher zeigen, daß hat, ein so gewichtiges Wort auf
„her“, in der dritten Frage aber nochmals das
sie mit der ersten Lüge halb unbewußt einer Silbe zu nehmen. — Dafür läßt sich
„du“, während jetzt aller Nachdruck auf „willst Suggestion ihres Filippo gehorcht und im V.,
(der als Malvezzi sonst einen recht
gehört. Würd' er das „hier“ betonen, so wäre daß von den Wänden dieses Totengemaches Abend — als todesbereiter Genießer
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