II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 578

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14. Der Schleier der atrice
jungen Soldaten Francesco, der die geliebte Schwester
Beatrice.
die Seite des Borgia schlagen und ihm die Thore der!
in den drohenden Verhältnissen unter sicherem Schutz
Sollt ich nicht kommen?
Stadt öffnen werde. Die Gefahr, die über Bologna
wissen möchte, überreden, dem scheuen Vittorino die
Nein, wie du seltsam bist! Was ist dir nur?
brütet, rückt mit jedem Augenblick näher. Eine Ver¬
Hand zum ehelichen Bund zu reichen. Man beschließt,
Filippo.
zweiflung ohnegleichen erfaßt die Gemüter. Man
sogleich in die Kirche zu gehen. Unterwegs begegnen sie
Kommst so beschmutzt hieher —
wähnt, der jüngste Tag sei gekommen. Alles bereitet
dem Herzog, dem die schöne Beatrice bereits vor einigen
Beatrice
sich auf schmachvollen Untergang vor. Nur an dem ge¬
Stunden aufgefallen ist. Er redet sie an. Doch sie
(leise, als hätte er sie mißverstanden).
feierten Dichter Filippo Loschi prallen alle diese
schweigt. Sie bleibt nur wie versteinert vor ihm stehen
Ein Traum wars doch!
Schrecken und Gefahren wie an einem kalten Felsen
starrt ihn mit großen Augen an und schweigt. Ihr ists,
Filippo.
ab. Er hat keinen Sinn für das Schicksal seiner
als sollte jener schöne Traum Wirklichkeit werden. In
Ich wollt', es wäre Wahrheit, Beatrice!
Heimat. Ihm ist nur eins Wahrheit: Glück, woher es
dem Herzog aber, diesem weisen Epikuräer, wie er vom
So könnt ich eher ohne Schmerz und Ekel
kommt: Und dieses Glück besitzt er, seitdem er vor
Dichter mit wenigen Strichen trefflich gezeichnet ist,
Dich sehn; das Leben selbst thut alles ab.
drei Tagen der schönen Tochter eines Wappenschneiders
weckt sie heiße Wünsche. Morgen muß er sich mit dem
Doch Träume sind Begierden ohne Mut,
Beatrice Nardi begegnet ist, einem sechzehnjährigen
Borgia messen und er weiß, daß er unterliegt. Und
Sind freche Wünsche, die das Licht des Tags
Kinde, kaum von den ersten Ahnungen der Lust be¬
so will er denn noch einmal, in dieser letzten Nacht, das
Zurückjagt in die Winkel unsrer Seele,
rührt. Ihm wiegt sie alles: Ruhm, Ehre, Vaterland,
Glück umarmen. Er wirbt um Beatrice und bittet sie
Daraus sie erst bei Nacht zu kriechen wagen;
Kunst auf. Indes die schrecklichsten Gerüchte durch die
auf sein Schloß. Doch sie läßt sich nicht kaufen. Auch
Und solch ein Traum, mit ausgestreckten Armen,
Straßen toben, sitzen die beiden im Garten des
nicht um hohen Preis:
Sehnsüchtig läßt er, durstig dich zurück.
Filippo, abgeschlossen von der Welt, taub gegen alles,
„. .. behaltet alles, Herr, es nützt mir nichts,
So wenig warst du mein, daß schlossest du
was um sie herum vorgeht. Sie erzählt ihm in ihrer
Doch nehmt zur Gattin mich!“
Die Augen, deine Seel' auf Abenteuer
naiven Art, was sie in den letzten Stunden durchlebt.
Die Höflinge fahren höhnisch auf. Sie verlangen,
Ausfliegen konnte, und ich war dir nur
Sie sah den Herzog, den man bereits aufgegeben hatte,
das Mädchen möge ihre Frechheit nach Gebühr büßen.
Von Tausend Einer, kniete wie die andern
in die Stadt einrücken. In der Schwüle des Tages
Allein der Herzog antwortet ruhig:
Vor dir und war dir nichts und bin dir nichts,
ging sie hierauf auf ihre Kammer und entschlummerte.
„Ich nehme dich zum Weib, wie du verlangst!“
Ich, der dir so viel gab, als du nicht ahnst,
Und da träumte sie, sie wäre Herzogin und alle ihre
Beatrice
So viel, daß meiner Liebe wert zu sein,
Bekannten und auch Filippo knieten vor ihrem Throne.
Dich Ekel fassen müßte, wenn du denkst,
(reicht ihm die Stirn; er küßt sie. — Bewegung).
Und dann war sie im Gemach des Herzogs, sah das
Es leben andre Männer auf der Welt!
Herzog:
helle Leuchten seiner Augen, fühlte den Hauch seiner
Und du willst, daß gefäll'gem Eh'mann gleich
.... Nun komme, Beatrice!
Lippen — und erwachte. Ein wunderlicher Traum!
Ich fremden Kuß von deinen Lippen trinke
Beatrice:
Doch Filippo fährt auf:
Und kommst daher als Dirne deines Traums!
Nein, mein Fürst!
„Filippo.
Geh, Beatrice!“
Nun will ich Euer treu zu Hause warten,
Er schickt sie fort. Beatrice geht nun nach Hause
Beatrice!
und läßt sich von ihrem übermütigen Bruder, dem Bis Gott aus Kriegsgefahren Euch entläßt!
Und so kommst du zu mir!