II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 22

11. Reige
ereiten.
des Verfassers etreicht werden soll. Der
Dichters ist es ja nicht, mit den einzelnen
zenen die Sinne des Lesers zu kitzein. Wer
ndiesem Sinne liest, ist einfach ein Trottel,
ter, indifferenter Lackel, der sich — ist's
in einen Veteranenverein einschreiben
ist's ein Weid, unter dem Schutze der
n der Reuschule Tänze aufführen soll. Er
nur den Kasienunterschier, den unsere
Weltordnung geschaffen, ad absurdum
zeigen, daß das Rein=Menschliche sich an
nilen nicht stoßt. Daß dieses Rein=Mensch¬
nur bei edel denkenden Menschen — in
e vom Dichter — mit dem Schimmer
ebeslust verklärt werden kann, ist eben die
schlechtlichen Vorgänge an sich sind Aus¬
atur und die ekelerregende oder banale
ben, die uns anstößig erscheint und es
h ist, nur die Wirkung unserer sozialen
iße Mädel! Warum ist diese Bezeichnung
gekommen? Weil so ein liebes, herziges
wenn es den Blütenstaub der materiellen
gestreift, wirklich süß und begehrenswert
zum Spielballe des Erstbesten wird, der
die trauliche Liebeszweisamkeit zwischen
änden eines Separtes oder in den Räumen
giquartiers zu bezahlen und daß das süße
immer Süßigkeit für den ist, der es sicht
r damit kaust, daß er die Gelegenheit bezah,
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Gruseln gelesen haben, wie bei einer erfolgreichen
nd dieses süße Mädel nur unter den einigermaßen nicht: Bruder in „tristo“) — wie solltest du ihm es
kapitals kräftigen Unternehmungslustigen wählen kann=Dneiden? Das Dichterhandwerk hat wohl einen
und es ganz ausgeschlossen erscheint, daß auch ein
goldenen Boden, aber der Dichter, der seinem Brot¬
Arbeitsstlave erfahren könnte, wie so ein süßes Mädel
geber, dem Verleger, nicht parieren will, liegt gerade¬
schmeckt, das ist das korrupte bei der Geschichte.
so auf der Straße wie ihr. Schnitzler hat seinen
Sie praktizieren die freie Liebe und uns höhnen
„Reigen“ im Winter 1896/97 geschrieben. Warum¬
sie damit.
erschien das Buch erst solange danach? Kein Ver¬
Denn, wenn der „Reigen“ schon nachweist, daß sich
leger hätte es damals drucken lassen, wenn er nicht
alles im Reigen dreht, warum soll dann der, der die
Dekoration für die Räume des verseinerten Lebens¬
Auflage von 200 für seine Freunde drucken zu lassen,
genusses liefert, nur unten am Schlammboden der
die daun, wie bei uns die Vertrauensmänner, den
Liebe unter freiem Himmel oder im Proletarierehejoch
nötigen Druck ausübten, heute noch würde das Manu¬
oben in der Dachkammer tanzen? Auch das ist eine
skript in Schnitzlers Tischlade liegen.
soziale Frage! Die mächtigste — meine ich. — „Wie
Warum das Buch so teuer ist? Das Publikum
die Hunde auf der Straße möchten sie es machen!“
schreit nach dem Buch — Schnitzler verlangt — wie
höre ich da unser sittsames Spießervolk schreien. „Ihr,
ihr habt doch an jeder Straßenecke ein Haus, in das
will bei der Geschichte eben auch die günstige Kon¬
ihr mit „ehrbarer“ Miene schleicht und aus dem ihr
junktur, wie man in der Profitsprache sagt, ausnützen.
mit einem saunischen Lächeln auf den Lippen heraus¬
und für sich wenigstens ebensoviel als der Dichter be¬
tretet.“ Es ist ganz gut, daß Arthur Schnitzler dem
kommt, herausschlagen. Fraget nur einen Genossen¬
Proletarier, der den Grasen füglich als Schwager an¬
Buchdrucker, der wird euch schon die Sache klar
reden kann, die Uniform des gemeinen Soldaten ange¬
machen. In der Welt, die vom Mehrwert lebt, gehr
zogen hat; wenigstens weiß er, wozu er in dieser
es nicht anders — bei uns in Oesterreich schon gar
gottgewollten Ordnung gut genug ist. Daß er, wenn
nicht, da die Druckereibesitzer wie die Apotheker Kon¬
er die bunte Jacke ausgezogen, arbeitet und Werte
zessionen haben. Das gilt aber auch da nur für die
schofft, das betrachtet das „bessere Volk“ doch nur
Großen. Die kleineren Druckec, wie unserer, der ver¬
als Nebenbeschäftigung, obgleich es von diesen Werten
hält sich zum „Wiener Verlag“ geradeso, wie die
lebt und sich das Vergnügen des süßen Mädels gönn“,
Maus zum Löwen. Doch die Maus, sie nagt und wird
das ihm, wenn der Rahm abgeschöpft ist, als Dirne
die Stricke zerbeißen, die den anderen Löwen sesseln.
zusällt — und dann nicht ausschließlich.
Willbald.
Dem Dichter, dem neid ich's nicht; du wohl auch
* Trist (lateinisch), traurig — in der Lebenslage.