11. Reigen
No. 1555.
Zeitung
stik.
s Wiener Waschermadel,
rd, und man weiß nicht,
würde, wenn er wirklich
das uns heut zur Auf¬
istischer Neuheiten als
ist eine nackte, mindestens
#rdernde Literatur, die
hüberall an einem Faden
den Heinzemännern denun¬
cheint nicht mehr für
hr
moch für jene Greise be¬
Bade belästigten und auch
kunterung ihres Humors
hen und oft noch dazu in
sen Greisenlektüre ist sehr
Bahnhöfen in bare Münze
stisch.
ekenner vornehmster Natur¬
solcher Juxartikel zu be¬
nnen wir seinen „Anatol“
te Saiten der Autor an¬
kapricen des Salons be¬
erlag, Wien und Leipzig)
rischen Lüstlinge der raffi¬
haben scheint, ist noch etwas
en: ihn zu charakterisieren
sagen läßt, und welches der
Feigenblättchen beschatteten
„Reigen“ ist nämlich
ßte.
treichen Dialogen zwischen
Sie der nächsten Sie oder
Vorgänger noch warmen
haine anglaise des Liebes¬
— das Stuben¬
er Soldat
inge Herr; der junge Herr
box 17/1
die junge Frau; die junge Frau — der Gatte; der Gatte
das süße Mädel; des süße Mädel — der Dichter; der Dichter
die Schauspielerin, die Schauspielerin — der Graf;
die Dirne. Das ist das Personal der zehn Szenen,
Graf —
die in genialer Gleichmäßigkeit und delektierender Variation auf
denselben Punkt und dieselben Gedankenstriche hinausführen. Die
Gedankenstriche (bald weniger bald mehr) sind die eigentliche
Handlung und zugleich die Katastrophe in diesen Dramoletchen.
Ihre Exposition kann nicht verständlicher, nicht durchsichtiger sein
die liebe Natur in ihrer ganzen, teils nackten, teils im Auskleiden
begriffenen Bedürftigkeit; ihre Steigerung ein ungehemmtes
Auswallen sehr bekannter aber in der Kunst bisher
immer noch ein bischen beschönigter Instinkte und
Schluß eine Abkühlung, in der selbst das glühendste Du
Omne animal triste!
zum eisig konventionellen Sie erfriert.
Die Beobachtung des — sagen wir Dichters ist von einer benei¬
denswerten Tiefe und Lückenlosigkeit, die Kunst, all diese Pärchen
im süßen Wiener Deutsch der „Situation“ und ihrer Individualität
gemäß mit einander plauschen oder konversieren zu lassen, schlecht¬
hin bewundernswert und auch ein Stückchen moderner Kultur.
Wie das Stubenmädel, die Grisette, wie namentlich die Schau¬
spielerin, eine „berühmte Tragödin“, alles Unsagbare sagt, das ist
eine Offenbarung dieses Departements der „weibliche.. Seele.
Die Daseinsberechtigung der Schnitzlerschen Dialoge liegt in ihrem
Dialog. Sonst würden sie sich am Ende doch besser zu einer
Separatdruck für persönliche Freunde geeignet haben. Und nun
gar jene Münchener literarische (1) Gesellschaft, die bereits drei
dieser intimsten Genrebilder mit Abmeißelung der Pointen auf ihre
Vereinsbühne gebracht hat! Bedurfte es für den Künstler Arthur
Schnitzler einer Strafe, so ist sie ihm mit dieser Einrichtung seines
Reigen für Pensionate zu teil geworden.
Der Name eines Schriftstellers von Klang, Octave Mix¬
beau, steht auch vor dem Bändchen nove#nische Skizzen, die
unter dem anlockenden Titel „Laster“ im gleichen Verlage als
Band 5 der „Bibliothek berühmter Autoren“ erschienen sind. Der
Pariser Mirbeau, der in Maupassants und Prévosts Spuren wan¬
delt, hat mit seinem fast frechen „Tagebuch einer Kammerjungfer
und seinen zum größten Teil brillanten „Bauernnovellen“ in
Dentschland Verständnis gefunden. Für die hier vorliegende
Sammlung feuilletonistischer Abschnitzel von ihm kann er nicht ver¬
antwortlich gemacht werden. Sie sind schwache Momentarbeiten.
Einige Kraft hut das titelgebende soziale Nachtbild in sich. Es ist
aber ein blöder Mißgriff, die bedauernswerte Unterhändlerin, die
von Hunger getrieben, nächtlich umherschweifende Männer Kindern
zuführt, auf dem Titelblatt in dieser vollständig ramponierten
Jammergestalt abzubilden. Das Firmenschild macht ja jedes Ge¬
schäft undenkbar. Es mag höchst gleichgiltig sein, aber wer sich
wirklich herbeiläßt, diesen Mirbeau zu lesen, der hat den Eindruck,
daß der Zeichner Natur und Inhalt der von ihm illustrierten
Straßenskizze garnicht gekannt hat.
Eine schlechthin unreinliche, ohne derbe Handschuhe garnicht
anzufassende Geschichte — trotz aller empfindsamen Verbrämung
ist „Die kleine Veronika“ von Felix Salten (S. Fischer,
Berlin). Nach einem glänzend humoristisch durchgeführten Motiv
von Maupassant versetzt sie eine völlig ahnungslose ländliche Un¬
schuld in den Sumv“ des großstädtischen Lasters und läßt
sie darin „tragisch“ intergehen. Das eben vierzehn Jahre
alt gewordene klei: Dorfkind Veronika wird am Tage der
ersten Kommunio., die die reiche Tante in der Großstadt aus¬
richtet, mit allem Raffinement der gedankenlosen Frivolität und
des Zufalls einem Lebejüngling entgegengeführt, der nicht zu den
verworfensten gehört, aber von der völlig verständnislosen Unschuld
seiner Beute keine Ahnung hat und in dieser Situation beinahe
mehr der Verführte als der Verführer ist. Das Kind, das gar
nicht weiß, was mit ihm vorgegangen ist, merkt erst an der
Wut, mit der ihn der Konkurrenzneid der Tante und ihrer
Freundinnen empfängt, daß ein Frevel sein kaum erschlosse¬
Die
nes Leben befleckt hat, und es geht ins Wasser.
Sachkenntnis des Autors und seine Fähigkeit, Unsagbares
hinter dem Schleier der Worte doch verständlich hervorschimmern
zu lassen, verdient eine Prämie, auch geben wir zu, daß die Schilde¬
rung den Wert einer sozialen Studie in Anspruch nehmen darf.
Aber noch nie haben wir von einem literarischen Produkt einen so
starken Widerwillen gegen die Wirklichkeit des Lebens mitgenommen,
und wir beneiden den „Dichter“ nicht, den sein „Genius“ zwingt.
sich gerade solche Fälle auszudenken.
Viel unschädlicher sind die „Lebemänner“ von Raoul
Auernheimer (Wiener Verlag), der sich auf den Flügernder
No. 1555.
Zeitung
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s Wiener Waschermadel,
rd, und man weiß nicht,
würde, wenn er wirklich
das uns heut zur Auf¬
istischer Neuheiten als
ist eine nackte, mindestens
#rdernde Literatur, die
hüberall an einem Faden
den Heinzemännern denun¬
cheint nicht mehr für
hr
moch für jene Greise be¬
Bade belästigten und auch
kunterung ihres Humors
hen und oft noch dazu in
sen Greisenlektüre ist sehr
Bahnhöfen in bare Münze
stisch.
ekenner vornehmster Natur¬
solcher Juxartikel zu be¬
nnen wir seinen „Anatol“
te Saiten der Autor an¬
kapricen des Salons be¬
erlag, Wien und Leipzig)
rischen Lüstlinge der raffi¬
haben scheint, ist noch etwas
en: ihn zu charakterisieren
sagen läßt, und welches der
Feigenblättchen beschatteten
„Reigen“ ist nämlich
ßte.
treichen Dialogen zwischen
Sie der nächsten Sie oder
Vorgänger noch warmen
haine anglaise des Liebes¬
— das Stuben¬
er Soldat
inge Herr; der junge Herr
box 17/1
die junge Frau; die junge Frau — der Gatte; der Gatte
das süße Mädel; des süße Mädel — der Dichter; der Dichter
die Schauspielerin, die Schauspielerin — der Graf;
die Dirne. Das ist das Personal der zehn Szenen,
Graf —
die in genialer Gleichmäßigkeit und delektierender Variation auf
denselben Punkt und dieselben Gedankenstriche hinausführen. Die
Gedankenstriche (bald weniger bald mehr) sind die eigentliche
Handlung und zugleich die Katastrophe in diesen Dramoletchen.
Ihre Exposition kann nicht verständlicher, nicht durchsichtiger sein
die liebe Natur in ihrer ganzen, teils nackten, teils im Auskleiden
begriffenen Bedürftigkeit; ihre Steigerung ein ungehemmtes
Auswallen sehr bekannter aber in der Kunst bisher
immer noch ein bischen beschönigter Instinkte und
Schluß eine Abkühlung, in der selbst das glühendste Du
Omne animal triste!
zum eisig konventionellen Sie erfriert.
Die Beobachtung des — sagen wir Dichters ist von einer benei¬
denswerten Tiefe und Lückenlosigkeit, die Kunst, all diese Pärchen
im süßen Wiener Deutsch der „Situation“ und ihrer Individualität
gemäß mit einander plauschen oder konversieren zu lassen, schlecht¬
hin bewundernswert und auch ein Stückchen moderner Kultur.
Wie das Stubenmädel, die Grisette, wie namentlich die Schau¬
spielerin, eine „berühmte Tragödin“, alles Unsagbare sagt, das ist
eine Offenbarung dieses Departements der „weibliche.. Seele.
Die Daseinsberechtigung der Schnitzlerschen Dialoge liegt in ihrem
Dialog. Sonst würden sie sich am Ende doch besser zu einer
Separatdruck für persönliche Freunde geeignet haben. Und nun
gar jene Münchener literarische (1) Gesellschaft, die bereits drei
dieser intimsten Genrebilder mit Abmeißelung der Pointen auf ihre
Vereinsbühne gebracht hat! Bedurfte es für den Künstler Arthur
Schnitzler einer Strafe, so ist sie ihm mit dieser Einrichtung seines
Reigen für Pensionate zu teil geworden.
Der Name eines Schriftstellers von Klang, Octave Mix¬
beau, steht auch vor dem Bändchen nove#nische Skizzen, die
unter dem anlockenden Titel „Laster“ im gleichen Verlage als
Band 5 der „Bibliothek berühmter Autoren“ erschienen sind. Der
Pariser Mirbeau, der in Maupassants und Prévosts Spuren wan¬
delt, hat mit seinem fast frechen „Tagebuch einer Kammerjungfer
und seinen zum größten Teil brillanten „Bauernnovellen“ in
Dentschland Verständnis gefunden. Für die hier vorliegende
Sammlung feuilletonistischer Abschnitzel von ihm kann er nicht ver¬
antwortlich gemacht werden. Sie sind schwache Momentarbeiten.
Einige Kraft hut das titelgebende soziale Nachtbild in sich. Es ist
aber ein blöder Mißgriff, die bedauernswerte Unterhändlerin, die
von Hunger getrieben, nächtlich umherschweifende Männer Kindern
zuführt, auf dem Titelblatt in dieser vollständig ramponierten
Jammergestalt abzubilden. Das Firmenschild macht ja jedes Ge¬
schäft undenkbar. Es mag höchst gleichgiltig sein, aber wer sich
wirklich herbeiläßt, diesen Mirbeau zu lesen, der hat den Eindruck,
daß der Zeichner Natur und Inhalt der von ihm illustrierten
Straßenskizze garnicht gekannt hat.
Eine schlechthin unreinliche, ohne derbe Handschuhe garnicht
anzufassende Geschichte — trotz aller empfindsamen Verbrämung
ist „Die kleine Veronika“ von Felix Salten (S. Fischer,
Berlin). Nach einem glänzend humoristisch durchgeführten Motiv
von Maupassant versetzt sie eine völlig ahnungslose ländliche Un¬
schuld in den Sumv“ des großstädtischen Lasters und läßt
sie darin „tragisch“ intergehen. Das eben vierzehn Jahre
alt gewordene klei: Dorfkind Veronika wird am Tage der
ersten Kommunio., die die reiche Tante in der Großstadt aus¬
richtet, mit allem Raffinement der gedankenlosen Frivolität und
des Zufalls einem Lebejüngling entgegengeführt, der nicht zu den
verworfensten gehört, aber von der völlig verständnislosen Unschuld
seiner Beute keine Ahnung hat und in dieser Situation beinahe
mehr der Verführte als der Verführer ist. Das Kind, das gar
nicht weiß, was mit ihm vorgegangen ist, merkt erst an der
Wut, mit der ihn der Konkurrenzneid der Tante und ihrer
Freundinnen empfängt, daß ein Frevel sein kaum erschlosse¬
Die
nes Leben befleckt hat, und es geht ins Wasser.
Sachkenntnis des Autors und seine Fähigkeit, Unsagbares
hinter dem Schleier der Worte doch verständlich hervorschimmern
zu lassen, verdient eine Prämie, auch geben wir zu, daß die Schilde¬
rung den Wert einer sozialen Studie in Anspruch nehmen darf.
Aber noch nie haben wir von einem literarischen Produkt einen so
starken Widerwillen gegen die Wirklichkeit des Lebens mitgenommen,
und wir beneiden den „Dichter“ nicht, den sein „Genius“ zwingt.
sich gerade solche Fälle auszudenken.
Viel unschädlicher sind die „Lebemänner“ von Raoul
Auernheimer (Wiener Verlag), der sich auf den Flügernder