II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 54

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11. Reigen
treffen gereifte Männer nach Jahren in Paris ihre einstigen
Maitressen wieder, und beide Male sind beide Teile ent¬
täuscht
Unter dem Titel „Der schwarze Engel“ sind offenbar
allerlei Sächelchen Ecksteins zusammengesucht worden, von
denen indessen keines ein besonderes Kunstwerk oder sonst¬
wie bedeutend in Aber fast allen
Skizzen liegen
Gedanken zu grunde, ## in ihrem
ym¬
bolischen Genunde gus anregend wirten
in Beitrag
zur Kantfeier liest sich z. B. das Gespräch der beiden
Austern über #us Ding an sich mit der feinen Ironie, die
darin liegt. Diese blitzt auch sonst hier und da auf, und
in anderen Stücken ist irgend ein leichteres oder schwereres
Problem in eine anmutige Form gegossen. Aber ich habe
beim Lesen nie den Verfasser des „Besuches im Karzer
vergessen können, dem der gewichtige Ernst nicht recht anstehen
will. Ich weiß nicht, ist es ein Glück oder ein Unglück,
wenn einer einmal durch eine Geschichte so berühmt ge¬
worden ist, wie Eckstein vor Jahren durch die genannte
Humoreske: er bleibt eben dann für alle Zeit der Verfasser
des „Besuches im Karzer“.
Auf Vorposten von Ella Mensch ist der 19. Band
der „Modernen Frauenbioliothek“, aber ganz vernünstig. Nur
ist's kein Roman, am wenigsten, wie der Verlagsumschlag
rühmt: Der erste Roman über weibliches Studentenleben.
Den haben andere, z. B. Ilse Frapan in ihrem Roman
„Arbeit“ vorweggenommen. In diesem erscheint die Univer¬
sität Zürich in einem ebenso wenig anmutenden Lichte wie
hier in einem idealen. Und wenn Ella Mensch mit dem
Schluß ihres Romans Recht hat: „Verdorren soll die Hand,
die je einen Stein nach dir wirft!“ dann schreibt Ilse Frapan
keine Zeile mehr. Was Ella Mensch uns hier erzählt, ist
ein Abschnitt aus dem Leben einer Züricher Studentin der
siebziger Jahre, als deren Gegenfiguren ein paar andere
Studentinnen auftreten; in den Gesprächen dieser Studen¬
tinnen entwickelt die Verfasserin ihre Ansichten über vernünf¬
tiges Studententum der Frau, denen man wohl beipflichten
kann. Das andere Gegenstück zu der Heldin ist ihre Schwester
in der nordischen Heimat, deren Wesen in ihren Briefen zum
Ausdruck kommt, und bei welcher die Verfasserin eher etwas
von der Kunst der Gestaltung zeigt. Diese geht ihr im all¬
gemeinen ab; es ist alles lehrhaft entwickelt, statt gestaltend
erzählt. Noch eine Bemerkung: Ausdrücke wie sich „indirekt
decouprieren“ sind doch ein fragwürdiges Deutsch, und Zehn¬
markscheine gibt es in Deutschland nicht
Zwei Dorfgeschichten erzählen uns Hermine Vil¬
linger im „Weg der Schmerzen" und Richard Bre¬
denbrücker in der „Flucht ins Paradies“; die eine
spielt im badischen Schwarzwald, die andere in Südtirol.
Beide Schriftsteller, deren Erzählungstalent anerkannt ist,
sind wohl vertraut mit der Bauernseele, die hier insbesondere
in ihrer Härte wie in der Zähigkeit geschildert wird mit
der ein Ziel, in beiden ist's eine Art Kampf um das Kind
erstrebt wird. Beide Erzählungen sind nicht mit der bei
Dorfgeschichten üblichen Schablone gemacht; sie bel andeln
Ausnahmsmenschen und Außnahmeverhältnisse, die aber eben
doch nur auf dem Boden des Schwarzwaldes oder Südtirols
erwachsen, nur hier sich auswachsen und zu der wahrhaft
beängstigenden Höhe entwickeln können, auf welcher z. B.
der sündentrotzige Herrenbauer (im „Weg der Schmerzen")
mit seiner brutalen Sinnlichkeit steht. Und auch die arme
mit ihrem Kinde in den Tod gehetzte Tschaveller Vrena mit
ihrer aus Götterglauben und Kirchenglauben sonderbar zu¬
sammengesetzten Religion ist nur in Tirol möglich. Vil¬
linger sucht in das Gemälde wenigstens einige Gemütstöne
und einen versöhnenden Ausgang hineinzulegen, Breden¬
brücker erzählt seine grausame Geschichte hart und grausam
von der ersten bis letzten Seite. Es mag einem vor so viel
Hartherzigkeit, Roheit und Elend schaudern, und fast tut es
einetn weh, den Vorhana von dem wie bekannt äußerst
Die Skizzen von Fritz Anders, von denen eben das
dritte Bändchen erschienen ist, haben nicht bloß den Wert, uns
vortrefflich zu unterhalten und zu ergötzen, sondern sie sind eine
Art von Kulturgemälden aus der Gegenwart. Der Ver¬
fasser sieht scharf allerlei Schäden unseres Volkslebens, am
schärfsten aber die der Bürokratie, und geht ihnen mit der
Waffe des Witzes und Humors zu Leibe. Und er nimmt
mnapcherlei vor
e Jubiläumsseuche und die Denkmalswut,
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Dr. Max Goldschmidt
„ Bureau für
Zeitungsausschnitte
verbunden mit direktem Nachrichtendienst durch
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Berlin N 24.
Telephon: III, 3051.

Ausschnitt aus
Deutsche Zeitung, Berlin
28 2. 04
Stimmen der Zeit.
* Der Kampf wider die Schmutzliteratur Bei
den Kunstdebatten im Reichstag ist mir eines aufgefallen,
was ziemlich unbeachtet vorüberging, da die Gesamtrichtung
der Darlegungen ja nach ganz anderer Seite ging. Sobald
nämlich ein Wort fiel, das die Unsittlichkeit, die Frechheit
mancher Kunstweike tadelte oder gar verlangte, daß gegen
diese Ausschreitungen Stellung genommen werde, entstand
„Widerspruch“ oder „Lärm auf der Linken“. Einmal rief
man entsetzt dazwischen: „Eine neue Lex Heintze!“ Hier
zeigt sich das Pünktlein, auf das manche Leute so ständig
hinstarren, daß sie sonst nichts mehr sehen. Ich habe nicht
eine Minute die Ablehnung des genannten Gesetzes be¬
dauert und würde mich nicht einen Augenblick besinnen,
gegen ein gleichartiges dehnbares und zur Willkür ver¬
leitendes Gesetz Stellung zu nehmen. Aber zwischen „Frei¬
heit der Kunst“ und „Loslassung aller Schweinerei“ ist denn
doch immer noch ein Unterschied. Man schränkt doch auch
die Freiheit der Prostitution ein und schützt die Oeffentlich¬
keit vor der Belästigung durch offenkundige Schamlosigkeit.
Soll diese dadurch frei werden, daß sie sich den Anschein
gibt, Kunst und Wissenschaft zu sein? Ja, auch Wissen¬
schaft! In einem langen Artikel im „Tag“ zählt Professor
Julius v. Pflugk=Harttung eine solche Fülle „trübseliger
Literatur“ auf, daß einem angst und bange werden kann.
Es ist die Literatur über geschlechtliche Verirrungen und
widernatürliche Dinge gemeint. Schon klagen die ernsten
Wissenschaftler, daß die Fachliteratur dieser Gebiete ins Un¬
geheure zu wachsen droht. Aber sie ist doch nur ein kleiner
Bruchteil der ganzen Masse von derartigen Werken, die das
von der Fachliteratur gebrachte Material populär verarbeiten
„Die Literatur ist zu allen Zeiten ein Spiegelbild der
Menschheit gewesen; sollte sie heuer eine Ausnahme machen?
In unseren Fällen bewegt sie sich von der wissenschaftlichen
Forschung bis zur frei erfundenen Erzählung, umfaßt mithin
einen weiten Kreis. Dabei wird sie nicht etwa geheim ge¬
halten, sondern „schmückt“ reihenweise die Schaufenster von
Buchhandlungen, ja füllt solche sogar von unten bis oben.