II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 79

11.
R
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Reigen
Des Erestaner Karwnatstonon—
lbart betont in der Sozialen Praxis die dringliche Not= derausstellung zu Hannover ihre 1
Hilbck (nat.=lib.)
Schnitzlers „Reigen“ unmöglich is
sundheit der Geschlechter stehen auf dem Spiele! Und da
stand ihm vollkommen frei, es für einen intimen Kreis,
Sie das im Berliner Tageblatt n
geht einer der ersten und geachtetsten deutschen Schrift¬
unter Ausschluß der Oeffentlichkeit, drucken zu lassen; wie
Als literarisch gebildete junge
steller her und überläßt der Oeffentlichkeit ein Buch, das
viel Achtung er seinen Freunden gegenüber aufs Spiel zu
sagen, daß, wenn je ein Stück, so
wie ein Aphrodisiakum wirken muß, wie Kanthariden und
setzen hat, muß er selbst wissen. Aber was ihm nicht mehr
ler reine Lesedramen sind. Da
Jembahoa!
frei stand, war, die Dialoge in die Oeffentlichkeit zu werfen;
Kommilitonen mußte Ihnen sag
Vor mir liegt das Buchhändlerbörsenblatt vom 2. Juni.
Gescheiteres zu tun hätten, als v
denn er hatte einen angesehenen. Namen zu verlieren, nicht
Damals waren 5000 Exemplare in vier Wochen verkauft.
das Renommee des nächsten besten Kaffeehausliteraten,
verfehltesten Werke aufzuführen.
Anpreisende Kritiken sind zu lesen: „ein wundervolles
„Schleier der Beatrice“ gebracht
einen der besten, öffentlich am meisten geehrten Namen.
Buch“; „eine der keuschesten Dichtungen, deren ein blut¬
dienst und unsern Dank erworbe
Er hat ihn durch diese Veröffentlichung beschmutzt und
100
voller Künstler fähig ist“; „einzig, ja klassisch in seiner Art“.
die 900 Mark Defizit, die Sie von
frivol gefährdet, wenn nicht verloren.
Hierzu bemerkt der Verlag: „Ihre freundliche Bestellung er¬
der Kasse haben, nur zum Teil we
bitten wir umgehend, da zu erwarten ist, daß die Neuauf¬
Denn wenn seine Verteidiger kommen und schwätzen,
Ihren Verein nicht einer Kritik
lage noch vor Erscheinen vergriffen ist. Das Buch steht
es sei sein Künstlerrecht, zu schreiben und drucken zu lassen,
nicht gleichgültig sein kann. Sie
einzig in seiner Art da und macht beispielloses Aufsehen.
was ihm beliebe, wie es ihm beliebe und wann es ihm be¬
geniert: nicht alle Ihre Mitgliede
Einige Firmen haben bereits 300 Exemplare dieses Buches
liebe, wenn es nur künstlerisch gearbeitet sei, so erwidern
lichen Namen auf. Sie werden
verkauft. Buchhandlungen in Sommerfrischen und Bade¬
wir ihnen, daß die sittliche Gesundheit und Kraft einer Na¬
daß ich Ihre Pfeudonyme besprech
orten können spielend 100 und mehr Exemplare absetzen.
tion denn doch bedeutend gewichtiger sind als die Ver¬
den drei Schnitzlerschen Stücken !
Auffallende Schleifen, welche die oben angeführten Be¬
öffentlichung einer noch so virtuos gemachten Alkovenstudie.
Gedankenstriche! Denn d
die —
sprechungen enthalten, stehen für die Auslage zur Ver¬
Wir können uns kaum mehr retten vor all dem Schmutz,
diesen kleinen Sauspielen die Ha
fügung.“ Jetzt wiederholen Sie, meine Herren vom art
der von Paris und Berlin, Wien und Budapest her in
Held dieser Akte. Ihr Pülbliku
pourt art=Klungel, angesichts dieses Erfolges, angesichts
applandiert, bei denen die Hau
Deütschland zusammenströmt; es ist geradezu unheimlich,
dieser Reklame, wiederholen Sie Ihren alten abgeleierten
drei Witzen gelacht, bei denen die
wie tief und rapid der Stand der öffentlichen Anständig¬
Spruch vom sonveränen Künstler, der auf die möglichen
keit in den letzten zehn Jahren gesunken ist; durch Bücher,
hatten, die Pointe zu wagen. M
oder wahrscheinlichen Wirkungen seines Werkes keine Rück¬
Bilder, Tingeltangel, Postkarten, Annoncen, Witzblätter,
digung des „Reigens“ war unb
sicht zu nehmen braucht! Oder wollen Sie uns einreden,
Gassenhauer, Operetten, Possen, reine und pfeudowissen¬
war schlecht, Ihre Bearbeitung
die künstlerische Vollendung des Buches habe diese Auf¬
durch gewisse Redouten und
Ein gutgemeintes, aber nur
schaftliche Pornographie,
lagenziffer hinaufgetrieben? Die Kunst mache es beson¬
Herrenabende, durch Schaufenster, durch breit und behaglich
den Abend ein. Da seine Gesin
ders für Sommerfrischen und Badeorte geeianet? Dieser
Mache, wurde es vom Publikum
nachgedruckte Gerichtsverhandlungen wird eine Art geistiger
ganze Erfolg habe nur das Geringste mit Kunst zu tun?
Syphilis verbreitet, die grauenhaft ist; der Schmutz türmt
akter von Schnitzler wurden
Die Aufführung wäre an sich ähnlich zu beurteilen, wie
sich höher und höher; er stinkt zum Himmel; kein Stand,
„Da verstanden wir uns gleich
der Druck des Manuskripts für Freunde. Der Akademisch¬
kein Lebensalter ist mehr intakt. Wenn heute Tacitus
interessant; es war sogar ein Tü
dramatische Verein muß selbst wissen, wieviel er von seinem
Es wäre mir nicht eingefal
käme, sähe er nur, daß alle unsere germanischen Laster treu¬
wohlerworbenen Verdienste aufs Spiel setzen darf, er muß
freiwillige Reklame zu machen.
lich geblieben sind das Saufen, das Raufen und das
auch wissen, wieviel sein Publikum verträgt. Aber der
dramatische Verein durch diese A
Spielen; aber die Tugenden sind beim Teufel; von einer
Verein hat die Kritik geladen und erwartet eine Be¬
sera juvenum Venus, inde inexhausta pubertas ist
hätte. Wenn aber jemand glat
sprechung. Ich bin stets für den Verein hier öffentlich ein¬
keine Rede mehr. Corrumpere et corrumpi sacculum
und seinem mißratenen Werke
getreten und habe ihn warm verteidigt. Die Mitglieder
spiel
vocatur! Alle politischen oder religiösen Streitigkeiten
erssggen! Ich
müssen es sich daher schon gefallen lassen, daß ich ihnen
müßten verschwinden vor dieser Seuche! Man mag Katholik
meine Meinung offen sage: Wie haben Sie so etwas tun
oder Protestant, Christ oder Atheist, radikal oder konser¬
2. Kgl. Akademie der Tonk
können! Der allerelementarste Takt, ja sogar rein praktische
vativ sein: Reinheit des Familienlebens, Keuschheit der
Frau, Treue des Mannes, Reinhaltung der Jugend, Ge##erwägungen mußten Ihnen sagen, daß die Aufführung von tragsabend brachte im ganzen wie