11.
Reigen
hössische Dramatik erworben. Zwanzig
Semester waren gekommen und gegangen,
kist lebendiger Teilnahme an allem Jungen,
und ein frischer Wagemut hatten sich von
Gründern bis auf das jüngste Geschlecht
t. Noch in den letzten Jahren war es der
Dramatische Verein, der die Wildesche
für Deutschland entdeckte und in einer un¬
Vorstellung hier zuerst herausbrachte.
t schien es freilich, als sei ein sanftes Ver¬
und Erlöschen über den Verein gekommen,
ich der Schnitzlersche „Reigen“ ein jähes
en und einen ehrenvollen Tod brachte.
ist der „Neue Verein“ mit allen Ehren und
n, die Maßregelungen dem Verfolgten ein¬
pflegen, in das Erbe des Toten eingetreten.
nchner Schriftsteller haben sich mit den
n Vertretern des aufgelösten Vereins
etan, um dessen. Traditionen auf breiterer
fortzuführen. Die erste Tat des neuen
hr eine Faschingsunterhaltung mit Molière
ntes als Einlage. Für Anfang März
Guiscard“ und „Diamant“ angekündigt.
also mehr antiquarisches Interesse als
Wegenwart! Warten wir ab!
stuell, aber weniger glücklich führte sich die
she Gesellschaft“ ein, die etwa gleichzeitig
Neuen Verein“ ins Leben trat, um ebenso
dem notleidenden deutschen Drama auf
ipfe zu helfen und dem schon vor den
box 17/2
Toren wartenden Messias des neuen großen dramatischen
Stils das Haus zu bereiten. (Ist doch jetzt sogar die
Schlaftänzerin Madeleine G., wie in den hiesigen
Zeitungen zu lesen steht, eigens behufs Wiedergeburt
des deutschen Dramas bei uns erschienen und wird
uns die langersehnte Erhebung aus den Niederungen
des Naturalismus zu den Höhen reiner Schönheit
bringen. Dem deutschen Drama wird es also, wie
so manchen anderen Glückskindern, vom Herrn im
Schlaf geschenkt.) Die „Dramatische Gesellschaft“ er¬
öffnete mit dem Drama „Die Krone“ von Emanuel
von Bodmann. Das Werk, an dieser Stelle schon
unter dem Titel „Die Kriwe“ besprochen, bedarf wohl
keiner weiteren Worte mehr. Das Experiment schlug
fehl, der Messias sagte ab, und das deutsche Drama
kann zur Freude aller Vereinsgründer weiler „gerettet“
werden. Dagegen gab das Werk Gelegenheit, uns
dankbar an den feinen und nachdenklichen Lyriker
Bodmann zu erinnern.
Während all dieser Taten hat unser Hof= und
Nationaltheater einem soliden und ausgiebigen Winter¬
schlaf obgelegen. Zuerst schien es, als wolle mit der
Ernennung des neuen Regisseurs Lützenkirchen ein
frischer Zug in das altehrwürdige Haus kommen.
Lützenkirchen debütierte sehr glücklich mit einer Neu¬
einstudierung des größten dramatischen Meisterwerkes,
das unser Zeitalter hervorgebracht hat. Ich meine
natürlich „Die Wildente“. Danach aber ward es still
und stiller, und schließlich setzte ein sanftes Schnarchen
ein, das sogar bis in unsere Zeitungsredaktionen
drang! Es gab einige scharfe Rüffel und ein höchst
verdrießliches Erwachen, gerade in dem Augenblick,
da das gute Geloissen im besten Schlummer gelegen
hatte. Nun soll's wieder losgehen! „Gyges und sein
Ring“ und Hirschfelds neues Drama „Nebeneinander“
sind für die nächsten Wochen angesetzt. Also wieder
abwarten!
Als ich zum letztenmal an dieser Stelle über
Münchner Dinge schrieb, hing düstere Allerseelen¬
stimmung tief lastend über der sterbenstraurigen Erde.
Und auf dem neuen Schwabinger Friedhofe, wo
zwischen den beiden verschlossen starrenden Sphinxen
mit den Vogelköpfen der Wanderer seinen letzten
Einzug hält, wurden die Gräber mit Astern und
Chrysanthemen gekränzt. Nun wollen Schneeglöckchen
und Primeln sprießen, samtweiche Kätzchen ründen
sich am Weidenstrauch, und junge Vogelbrut zwitschert
vor den Fenstern. Durch die Lüfte aber braust der
Föhnsturm hoch über den beiden wartenden Sphinxen
vor dem Friedhofstor und singt ihnen mit tönenden
Zungen ein dunkles Lied. Was mag sein Sinn sein?
Wiedererwachen? Neues Leben? Junges Werden?
Abwarten! Geduld haben!
Reigen
hössische Dramatik erworben. Zwanzig
Semester waren gekommen und gegangen,
kist lebendiger Teilnahme an allem Jungen,
und ein frischer Wagemut hatten sich von
Gründern bis auf das jüngste Geschlecht
t. Noch in den letzten Jahren war es der
Dramatische Verein, der die Wildesche
für Deutschland entdeckte und in einer un¬
Vorstellung hier zuerst herausbrachte.
t schien es freilich, als sei ein sanftes Ver¬
und Erlöschen über den Verein gekommen,
ich der Schnitzlersche „Reigen“ ein jähes
en und einen ehrenvollen Tod brachte.
ist der „Neue Verein“ mit allen Ehren und
n, die Maßregelungen dem Verfolgten ein¬
pflegen, in das Erbe des Toten eingetreten.
nchner Schriftsteller haben sich mit den
n Vertretern des aufgelösten Vereins
etan, um dessen. Traditionen auf breiterer
fortzuführen. Die erste Tat des neuen
hr eine Faschingsunterhaltung mit Molière
ntes als Einlage. Für Anfang März
Guiscard“ und „Diamant“ angekündigt.
also mehr antiquarisches Interesse als
Wegenwart! Warten wir ab!
stuell, aber weniger glücklich führte sich die
she Gesellschaft“ ein, die etwa gleichzeitig
Neuen Verein“ ins Leben trat, um ebenso
dem notleidenden deutschen Drama auf
ipfe zu helfen und dem schon vor den
box 17/2
Toren wartenden Messias des neuen großen dramatischen
Stils das Haus zu bereiten. (Ist doch jetzt sogar die
Schlaftänzerin Madeleine G., wie in den hiesigen
Zeitungen zu lesen steht, eigens behufs Wiedergeburt
des deutschen Dramas bei uns erschienen und wird
uns die langersehnte Erhebung aus den Niederungen
des Naturalismus zu den Höhen reiner Schönheit
bringen. Dem deutschen Drama wird es also, wie
so manchen anderen Glückskindern, vom Herrn im
Schlaf geschenkt.) Die „Dramatische Gesellschaft“ er¬
öffnete mit dem Drama „Die Krone“ von Emanuel
von Bodmann. Das Werk, an dieser Stelle schon
unter dem Titel „Die Kriwe“ besprochen, bedarf wohl
keiner weiteren Worte mehr. Das Experiment schlug
fehl, der Messias sagte ab, und das deutsche Drama
kann zur Freude aller Vereinsgründer weiler „gerettet“
werden. Dagegen gab das Werk Gelegenheit, uns
dankbar an den feinen und nachdenklichen Lyriker
Bodmann zu erinnern.
Während all dieser Taten hat unser Hof= und
Nationaltheater einem soliden und ausgiebigen Winter¬
schlaf obgelegen. Zuerst schien es, als wolle mit der
Ernennung des neuen Regisseurs Lützenkirchen ein
frischer Zug in das altehrwürdige Haus kommen.
Lützenkirchen debütierte sehr glücklich mit einer Neu¬
einstudierung des größten dramatischen Meisterwerkes,
das unser Zeitalter hervorgebracht hat. Ich meine
natürlich „Die Wildente“. Danach aber ward es still
und stiller, und schließlich setzte ein sanftes Schnarchen
ein, das sogar bis in unsere Zeitungsredaktionen
drang! Es gab einige scharfe Rüffel und ein höchst
verdrießliches Erwachen, gerade in dem Augenblick,
da das gute Geloissen im besten Schlummer gelegen
hatte. Nun soll's wieder losgehen! „Gyges und sein
Ring“ und Hirschfelds neues Drama „Nebeneinander“
sind für die nächsten Wochen angesetzt. Also wieder
abwarten!
Als ich zum letztenmal an dieser Stelle über
Münchner Dinge schrieb, hing düstere Allerseelen¬
stimmung tief lastend über der sterbenstraurigen Erde.
Und auf dem neuen Schwabinger Friedhofe, wo
zwischen den beiden verschlossen starrenden Sphinxen
mit den Vogelköpfen der Wanderer seinen letzten
Einzug hält, wurden die Gräber mit Astern und
Chrysanthemen gekränzt. Nun wollen Schneeglöckchen
und Primeln sprießen, samtweiche Kätzchen ründen
sich am Weidenstrauch, und junge Vogelbrut zwitschert
vor den Fenstern. Durch die Lüfte aber braust der
Föhnsturm hoch über den beiden wartenden Sphinxen
vor dem Friedhofstor und singt ihnen mit tönenden
Zungen ein dunkles Lied. Was mag sein Sinn sein?
Wiedererwachen? Neues Leben? Junges Werden?
Abwarten! Geduld haben!