II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 132

11.
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Reigen
folgreiche Theatelarheit, denn gerade im letzten Jahrzehnt
haben immer häufiger Literaten und Journalisten die Direktions¬
sessel der Theater besetzt, und in den meisten Fällen haben sie
ihre Sache wenigstens nicht schlechter gemacht als einer, der
direkt „vom Bau“ war. Übrigens waren auch Laube und
Dingelstedt keine „Fachleute“ und haben doch ganz anständig
Regie geführt ... Und mit aller Energie muß man dagegen
remonstrieren, wenn jetzt, zuungunsten Bahrs, die bisherige
Regieführung auch in der nichtklerikalen Presse da und dort
über den grünen Klee gelobt werden soll. Als vor etlichen
Monaten Herr v. Possart abging, wurden ihm künstlerische
und materielle Erfolge der Theaierleitung nachgerühmt, daß
man sich mit Staunen fragte: „Warum ist denn seit Jahren
über Schauspielverfall und Defizit gejammert worden, wenn
dieses Genie doch Meisteraufführungen zustande brachte und
die Kasse bis zum Bersten füllte?!“ Jetzt wird der Regie
gegenüber genau dieselbe Farce aufgeführt; mit überschweng¬
lichen Ausdrücken wird ihr versichert, daß sie Tüchtiges, ja
Großes geleistet. Aber zum Kuckuck, woher kommt denn
dann der von niemanden geleugnete unsägliche Verfall unsres
Schauspiels, wenn sowohl der Intendant wie der Oberregisseur
höchstes Lob verdienten? Nein, immer wieder muß laut und
unverhohlen gesagt werden, daß unsre einst so glänzende
Bühne, dank liebloser, schlechtberatener, unkünstlerischer und
nachlässiger Leitung, auf das Niveau eines Stadttheaters
gesunken ist. Jeder, der da leugnen, beschönigen, zum Guten
reden will, dient nicht der guten Sache der Kunst, sondern
irgend einer Person oder einem System.
Ob es Bahr gelingen wird, diese verfahrene Bühne wieder
zu heben? Prophezeiungen sind ein übles Ding, — aber
jeder, der die Verhältnisse kennt, wird mit seinen Hoffnungen
in dieser Hinsicht sehr vorsichtig sein. Unserm Hoftheater
mangelt es am allerwichtigsten Faktor — am Geld. Seit
dem Tode Ludu##
lhvention aus der könig¬
lichen Privatschatu#l
thegte
Subvention
Stelle
esten Interesselosigkeit
gegenüber und tut also gar nichts dafür. Oder doch, eins ist
getan worden: man hat dem Intendanten finanzielle Beiräte
gegeben, die alle Gagen (mit Ausnahme der durch alte Kon¬
trakte fixierten) auf eine Armseligkeit herabdrücken, deren sich
große Stadttheater schämen würden. Der neue Oberregisseur
sprach von einem Hebbel= und einem Kleist=Zyklus, den er
geben will. Ich möcht' ihn gerne fragen: „Mit wem?“ Wir
besitzen ja weder einen Helden, noch einen Liebhaber, noch
eine Heroine, noch eine Tragödin . .. Wir besitzen nur Leute,
die diese Rollenfächer spielen — „aber fragt mich nur nicht
wie". Die wirklich guten Schauspieler (von großen Künstlern
red' ich noch gar nicht!) lassen sich an den Fingern einer Hand
herzählen, beim weiblichen Personal sind gerade die paar
Talente, die da sind, von der „Einsicht“ eines jahrelangen
Regimes vernachlässig oder kaltgestellt worden. Der letzte
aus der großen Zeit unsrer Bühne, der geradezu geniale
Häusser, ein Menschenda steller ersten Ranges, wenn auch ohne
Weitruhm, hat uns seine größten Schöpfungen — Shylock,
Lear und noch manch andere — zeitlebens schuldig bleiben
müssen, weil der Intendant Herr v. Possart diese Rollen dem
Komödianten Possart reserviert hielt Bahr wird wahrschein¬
lich den besten Willen haben, das Personal künstlerisch zu er¬
gänzen — aber für die Preise, die das Hoftheater bezahlt,
wird es immer nur Dilettanten oder Provinzware finden.
Und was helfen die schönsten Stücke, wenn niemand da ist,
der sie entsprechend darstellt?
Ja und wird Bahr selbst, der eben doch immerfort Herr¬
mann der Schmiegsame bleibt, die höfische Atmosphäre ver¬
tragen? Sie hat schon allzuoft aus roten Revolutionären
glänzende Schranzen gemacht — sollte nicht nach kurzer Zeit
der stets sich Überwindende auch den Modernen in sich über¬
wunden haben? On en a vu de ces saints-la ... Auch
Schleuther stürzte einst alte Götzen, wurde bei der Ernennung
zum Burgdirektor mit ähnlichem Alißtrauen und Geschimpfe
in Wien empfangen, wie Bahr jetzt bei uns und hat
doch
so schnell alles vergessen und sehr viel dazugelernt
ogar
die Sittlichkeitsvorstellungen der k. k. Erzherzoginnen
gehen
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