11. Reigen
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daß Herr Gfrorner seit 16. Oktober a. c. aus dem Exekutiv¬
Komitee ausgetreten ist. Hochachtungsvoll Josef Mayer, Obmann
des Kaiserin Elisabeth Denkmal-Komitees, k. u. k. Hof- und Kammer¬
Juwelier.=
Ich onehme zur Kenntnise.
Liebe Fackel!
In den Tagen, da dem neudeutschen Geistesleben die Ver¬
bindung von Wagner's Musik und Leichner’s Fettpuder organisch
entsprossen ist, war ich in einer Berliner Gesellschaft Ohrenzeuge
des folgenden Tafelgesprächs:
Meine Gnädigste, ich verehre ja Wagner als den Jenius
des deutschen Volkes. -Lohengrine und -Tannhäusere — nischt
zu sagen. Aber der -Ringe — nee! Wissen Sie, das Lied von
dem Piepmatz im =Siegfried: is ja janz niedlich. Aber sonst
— nich viel los!
ANTWORTEN DES HERAUSGBBERS.
Chroniqueur. Wenn man von Wiener Schriftstellern Wahrheiten
erfahren will, muß man ihre Besträge in auswärtigen Blättern lesen. Es
gibt Wiener Wahrheiten, die sich ner Leser, wenn er schon durchaus
nicht zur „Fackel“ greifen will, in Frankfurt, Hamburg oder München
bequem zusammenklauben kann. Mit der Randglosse: -Warum schreibt
Dr. Robert Hirschfeld das alles in Frankfurt, warum nicht in Wien?
sendet mir ein Leser das beachtenswerte Feuilleton, das der Wiener
Korrespondent der „Frankfurter Zeitung“ am 22. November erscheinen
ließ. Nichts ist für unseren literarischen Notstand bezeichnender: wer
nicht, alles aufs Spiel setzend, sich die eigene Tribüne errichtet, muß
mit seiner ehrlichen Meinung ins Ausland flüchten. Was Hirschfeld
über Schnitzler's -Reigen- und Herrn Bahr's Versuch, an der
Reigens-Reklame zu schmarotzen, sagt, deckt sich so ziemlich mit
meiner eigenen Meinung, die ich hier zufällig noch nicht ausgesprochen
habe, wiewohl mich die Uberschätzung wie die törichte antisemitische
Vernaderung des Buches oft gereizt haben: -Wo das Unterscheidungs
vermögen für die Schattierungen des Anstands geschwunden ist, da
wird den Anhängern des literarischen Skandals der Weg geebnet.
Hermann Bahr kündigt eine öffentliche Vorlesung des Schnitzler¬
schen „Reigen“ an. Ich halte den „Reigen“ für ein Kunstwerk; er ist
gerade so Kunstwerk wie die Kleinkunst im geheimen Kabinett zu
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daß Herr Gfrorner seit 16. Oktober a. c. aus dem Exekutiv¬
Komitee ausgetreten ist. Hochachtungsvoll Josef Mayer, Obmann
des Kaiserin Elisabeth Denkmal-Komitees, k. u. k. Hof- und Kammer¬
Juwelier.=
Ich onehme zur Kenntnise.
Liebe Fackel!
In den Tagen, da dem neudeutschen Geistesleben die Ver¬
bindung von Wagner's Musik und Leichner’s Fettpuder organisch
entsprossen ist, war ich in einer Berliner Gesellschaft Ohrenzeuge
des folgenden Tafelgesprächs:
Meine Gnädigste, ich verehre ja Wagner als den Jenius
des deutschen Volkes. -Lohengrine und -Tannhäusere — nischt
zu sagen. Aber der -Ringe — nee! Wissen Sie, das Lied von
dem Piepmatz im =Siegfried: is ja janz niedlich. Aber sonst
— nich viel los!
ANTWORTEN DES HERAUSGBBERS.
Chroniqueur. Wenn man von Wiener Schriftstellern Wahrheiten
erfahren will, muß man ihre Besträge in auswärtigen Blättern lesen. Es
gibt Wiener Wahrheiten, die sich ner Leser, wenn er schon durchaus
nicht zur „Fackel“ greifen will, in Frankfurt, Hamburg oder München
bequem zusammenklauben kann. Mit der Randglosse: -Warum schreibt
Dr. Robert Hirschfeld das alles in Frankfurt, warum nicht in Wien?
sendet mir ein Leser das beachtenswerte Feuilleton, das der Wiener
Korrespondent der „Frankfurter Zeitung“ am 22. November erscheinen
ließ. Nichts ist für unseren literarischen Notstand bezeichnender: wer
nicht, alles aufs Spiel setzend, sich die eigene Tribüne errichtet, muß
mit seiner ehrlichen Meinung ins Ausland flüchten. Was Hirschfeld
über Schnitzler's -Reigen- und Herrn Bahr's Versuch, an der
Reigens-Reklame zu schmarotzen, sagt, deckt sich so ziemlich mit
meiner eigenen Meinung, die ich hier zufällig noch nicht ausgesprochen
habe, wiewohl mich die Uberschätzung wie die törichte antisemitische
Vernaderung des Buches oft gereizt haben: -Wo das Unterscheidungs
vermögen für die Schattierungen des Anstands geschwunden ist, da
wird den Anhängern des literarischen Skandals der Weg geebnet.
Hermann Bahr kündigt eine öffentliche Vorlesung des Schnitzler¬
schen „Reigen“ an. Ich halte den „Reigen“ für ein Kunstwerk; er ist
gerade so Kunstwerk wie die Kleinkunst im geheimen Kabinett zu