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box 17/3
igen
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Die Sch
Wir müssen sie deshalb für un¬
passend zur öffentlichen Besprechung
drücke, in denen wir die Besprechung
führen könnten, für den öffentlichen
Gebrauch unschicklich sind.
Physiologen, die ein technisches
Wörterverzeichnis zu ihrer Ver¬
fügung haben, finden keine Schwie¬
rigkeit darin, und Meister der
Sprache, die anständig denken,
können volkstümliche Romane wie
Zolas „Fécondité“ oder Tolstois
„Auferstehung“ schreiben, ohne
Lesern, die auch anständig denken
können, das geringste Argernis zu
bereiten. Aber der moderne Dutzend¬
journalist, der solche Dinge niemals
anders als in unflätiger Weise be¬
prochen hat, kann zu einem Ehe¬
cheidungsfall keinen einfachen
Kommentar schreiben, ohne sich eine
bewußte Schändlichkeit oder einen
versteckten Witz zu leisten, die es
unmöglich machen, seinen Kommen¬
tar in der Gesellschaft vorzulesen.
So spricht Bernard Sha#
Bb.
Die Aschenbachs. Ein neutr
Name
— Armin Gimmerthal
eine erste Aufführung in Berlin
durch die „Neue freie Volksbühne“,
wahrscheinlich der mächtigen Pro¬
paganda des „Kunstwarts“ zu danken,
ein lauter äußerer Erfolg: nun
hätte ich eigentlich die Pflicht, aus¬
führlich zu begründen, warum ich
dieses Bauernstück — es spielt zur
Abwechslung
thüringischen
im
Dialekt — trotz unleugbarer Tüchtig¬
keit dennoch für eine keineswegs
aufregende Angelegenheit halte.
Aber ich tue es lieber nicht, ich will
nicht analysieren
—
wozu dem
Autor, der ohne Frage ein Mann
Unangenehmes
von Taleni ist,
sagen, da ich ihm doch sehr dankbar
bin: ich schulde ihm ganz pracht¬
volle schauspielerische Eindrücke.
Was kann schließlich er dafür, daß
der „Kunstwart“ mit seinen dra¬
Reinhardt engagiert, speite
verängstete gebrochene Greisin mit
feinster Charakterisierung, mit in¬
dividuellster Prägung, mit einer
vornehm=diskreten Kunst. In Paul
Wegener war gleich beim ersten Er¬
scheinen auf der Szene der Meister des
nicht die suggestive Persönlichkeits¬
atmosphäre: in diesem Künstler
scheint der seltene Zusammenklang
von hohem Können und starker
Individualität Wirklichkeit geworden
zu sein. Auf die höchsten Gipfel
ealistischer Darstellungskunst erhol
ich Hedwig Wangel, die sich mit
dieser Gestaltung dicht an die Seite
Else Lehmanns stellte. Wie sie
dieses Bauernmädel animalisch=erd¬
aft, üppige Kraft, Gesundheit und
Lachen, ein prächtiges Menschentier,
anlegt; wie sie als Frau nach und
nach immer bitterere, herbere Züge
in das Bild hineinzeichnet, bis e
zuletzt ganz Weh, Verzweiflung
ist:
die Töne des Schmerzes, die
zu Gebote stehen, ihr herzerschüttern¬
des Schluchzen und Weinen
war von bewundernswerter, hin¬
reißender Wahrheit und Intensität!
Und es mag auch dem Autor zu
Recht gesagt sein: es ist kein
schlechtes Verdienst, ein paar Fi¬
guren mit guten künstlerischen
Mitteln scharf und stark heraus¬
„Unsittliche Schriften.“ Eine umfangreiche Skrofsavegen
Verbreitung unsittlicher Schriften stand gestekp= vor irsten
Strafkammer des Landgerichks I gegen die beiben Inhaber der Ver¬
liner Verlagsbuchhandlung Gericke u. Co. zur Verhandlung an.
Der Kriminalkommiffür Dr. Kopp hatte im Geschäft der Firma
zweimal Haussuchung abgehalten und dabei eine große Anzahl Bücher
und Bilder beschlagnahmt. Daraus war die umfangreiche Anklage
entstanden,die unter Ausschluß der Oeffentlichkeit ver¬
handeltwurde. Sehr lange Zeit nahm die Vernehmung
der Poklzeibeamten in Anspruch, die die Bücher aufgefunden hatten.
Daptk stellte es sich heraus, daß eine Verlesung der Schriften nicht
zukumgehen war, da ihr unsittlicher Charakter bestritten wurde. Zu
den beschlagnahmten Schriften gehörte unter anderem Artur
Schnitzlers „Reigen, Brantomes „Galanie Frauen des
18. Jahrhunderts“, „Amerika beim Erziehen“, ein amerikanischer
Tendenzroman, ferner etwa zwanzig französische Bücher. Justizrat
Dr. Rich. Wolff beantragte für die Angeklagten die Vertagung, da
das Material noch nicht gesichtet sei. Für die Verlagsfirma „Leip¬
ziger Verlag“ war der Schriftsteller v. Schlichtegroll und Rechtsan¬
walt Dr. Werthauer als Verteidiger erschienen, da der Verlag zwar
nicht angeklagt, aber an dem objektiven Verfahren interessiert ist.
Rechtsanwalt Dr. Werthauer beantragte, vier der beschlagnahmten
Werke zu verlesen, da es sich bei ihnen um Uebersetzungen von
Büchern handle, die in anderen Ländern als wissenschaftliche oder
Tendenzschriften anerkannt seien. Das Gericht beschloß die Ver¬
tagung der Sache. Ein neuer Termin soll in etwa zwei Monaten
anberaumt werden. Zu diesem Termin sollen alle in Frage kom¬
menden Schriften beigefügt und durch Verhandlung über den Inhalt
ihr Charakter festgestellt und dazu Professor Dr. Tobler zugezogen
werden. Vorher sollen sich die Mitglieder des Gerichts durch
das Lesen der Schriften mit dem Inhalt bekannt machen.
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Die Sch
Wir müssen sie deshalb für un¬
passend zur öffentlichen Besprechung
drücke, in denen wir die Besprechung
führen könnten, für den öffentlichen
Gebrauch unschicklich sind.
Physiologen, die ein technisches
Wörterverzeichnis zu ihrer Ver¬
fügung haben, finden keine Schwie¬
rigkeit darin, und Meister der
Sprache, die anständig denken,
können volkstümliche Romane wie
Zolas „Fécondité“ oder Tolstois
„Auferstehung“ schreiben, ohne
Lesern, die auch anständig denken
können, das geringste Argernis zu
bereiten. Aber der moderne Dutzend¬
journalist, der solche Dinge niemals
anders als in unflätiger Weise be¬
prochen hat, kann zu einem Ehe¬
cheidungsfall keinen einfachen
Kommentar schreiben, ohne sich eine
bewußte Schändlichkeit oder einen
versteckten Witz zu leisten, die es
unmöglich machen, seinen Kommen¬
tar in der Gesellschaft vorzulesen.
So spricht Bernard Sha#
Bb.
Die Aschenbachs. Ein neutr
Name
— Armin Gimmerthal
eine erste Aufführung in Berlin
durch die „Neue freie Volksbühne“,
wahrscheinlich der mächtigen Pro¬
paganda des „Kunstwarts“ zu danken,
ein lauter äußerer Erfolg: nun
hätte ich eigentlich die Pflicht, aus¬
führlich zu begründen, warum ich
dieses Bauernstück — es spielt zur
Abwechslung
thüringischen
im
Dialekt — trotz unleugbarer Tüchtig¬
keit dennoch für eine keineswegs
aufregende Angelegenheit halte.
Aber ich tue es lieber nicht, ich will
nicht analysieren
—
wozu dem
Autor, der ohne Frage ein Mann
Unangenehmes
von Taleni ist,
sagen, da ich ihm doch sehr dankbar
bin: ich schulde ihm ganz pracht¬
volle schauspielerische Eindrücke.
Was kann schließlich er dafür, daß
der „Kunstwart“ mit seinen dra¬
Reinhardt engagiert, speite
verängstete gebrochene Greisin mit
feinster Charakterisierung, mit in¬
dividuellster Prägung, mit einer
vornehm=diskreten Kunst. In Paul
Wegener war gleich beim ersten Er¬
scheinen auf der Szene der Meister des
nicht die suggestive Persönlichkeits¬
atmosphäre: in diesem Künstler
scheint der seltene Zusammenklang
von hohem Können und starker
Individualität Wirklichkeit geworden
zu sein. Auf die höchsten Gipfel
ealistischer Darstellungskunst erhol
ich Hedwig Wangel, die sich mit
dieser Gestaltung dicht an die Seite
Else Lehmanns stellte. Wie sie
dieses Bauernmädel animalisch=erd¬
aft, üppige Kraft, Gesundheit und
Lachen, ein prächtiges Menschentier,
anlegt; wie sie als Frau nach und
nach immer bitterere, herbere Züge
in das Bild hineinzeichnet, bis e
zuletzt ganz Weh, Verzweiflung
ist:
die Töne des Schmerzes, die
zu Gebote stehen, ihr herzerschüttern¬
des Schluchzen und Weinen
war von bewundernswerter, hin¬
reißender Wahrheit und Intensität!
Und es mag auch dem Autor zu
Recht gesagt sein: es ist kein
schlechtes Verdienst, ein paar Fi¬
guren mit guten künstlerischen
Mitteln scharf und stark heraus¬
„Unsittliche Schriften.“ Eine umfangreiche Skrofsavegen
Verbreitung unsittlicher Schriften stand gestekp= vor irsten
Strafkammer des Landgerichks I gegen die beiben Inhaber der Ver¬
liner Verlagsbuchhandlung Gericke u. Co. zur Verhandlung an.
Der Kriminalkommiffür Dr. Kopp hatte im Geschäft der Firma
zweimal Haussuchung abgehalten und dabei eine große Anzahl Bücher
und Bilder beschlagnahmt. Daraus war die umfangreiche Anklage
entstanden,die unter Ausschluß der Oeffentlichkeit ver¬
handeltwurde. Sehr lange Zeit nahm die Vernehmung
der Poklzeibeamten in Anspruch, die die Bücher aufgefunden hatten.
Daptk stellte es sich heraus, daß eine Verlesung der Schriften nicht
zukumgehen war, da ihr unsittlicher Charakter bestritten wurde. Zu
den beschlagnahmten Schriften gehörte unter anderem Artur
Schnitzlers „Reigen, Brantomes „Galanie Frauen des
18. Jahrhunderts“, „Amerika beim Erziehen“, ein amerikanischer
Tendenzroman, ferner etwa zwanzig französische Bücher. Justizrat
Dr. Rich. Wolff beantragte für die Angeklagten die Vertagung, da
das Material noch nicht gesichtet sei. Für die Verlagsfirma „Leip¬
ziger Verlag“ war der Schriftsteller v. Schlichtegroll und Rechtsan¬
walt Dr. Werthauer als Verteidiger erschienen, da der Verlag zwar
nicht angeklagt, aber an dem objektiven Verfahren interessiert ist.
Rechtsanwalt Dr. Werthauer beantragte, vier der beschlagnahmten
Werke zu verlesen, da es sich bei ihnen um Uebersetzungen von
Büchern handle, die in anderen Ländern als wissenschaftliche oder
Tendenzschriften anerkannt seien. Das Gericht beschloß die Ver¬
tagung der Sache. Ein neuer Termin soll in etwa zwei Monaten
anberaumt werden. Zu diesem Termin sollen alle in Frage kom¬
menden Schriften beigefügt und durch Verhandlung über den Inhalt
ihr Charakter festgestellt und dazu Professor Dr. Tobler zugezogen
werden. Vorher sollen sich die Mitglieder des Gerichts durch
das Lesen der Schriften mit dem Inhalt bekannt machen.