II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 237

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11. Reigen
Theater und Kunst.
Hinter den Kulissen.
pilanteste Komödse
„Reigen“ und seiner Geschichte. — Schnitzle
(Vom
Republikanische Zeufur. — Ein Läffspielsichter gesucht.)
Man sollte es eigentlich nicht für möglich halten, daß
heute noch gute Theaterstücke gibt, die aus irgendeinem Grunde
nicht gespielt werden. Ebenso, wie man an die verkannten Gemtes
an die verkommenen Dichter nicht mehr glaubt, die ihre mitleid
lose Welt am Hungertuch nagen läßt. Von den über schiecht
ATA
Geschlissene Federn, Halbflaumen und Daunen, nür echt böhmischer Herkunft,
Tuchenten, Pölstei und
bis zur feinsten Qualität. Auch fertige Betten
Preisliste grates und franko.
Plumeaux) in verschiedenen Gattungen.
Erste böhmische Bettfedernniederlagen Adoif Gaus,
Zenirale: Wien, XVII., Ottakringerstraße 48.
Filialen: I., Tuchlauben 7a (Tuchlaubenhof),
III., Lauvstraßer Hauptstraße 88.
VI., Amerlingstraße 8,

„Reigen“ in der Reiserasche nach Berlin zurückfahren, dör 19
noch vor Weihnachten die Premiere sein. Mit einigen Wiener
Schauspielern in den Hauptrollen. Edthofer, Ettlinger, der junge
Thimig sollen unter anderen mitwirken. Für Wien hält sich
Schnitzler noch Bedenkzeit. Die Direktoren bestürmen ihn wegen
des Stückes, aber er hat sich bisher für keine Bühne entschieden.
Schnitzler hat förmlich Angst vor dem großen „Reigen"=Erfolg.
Er schätzt den „Reigen“ als eine liehe Jugendspielerei, aber es ver¬
drießt des Dichters Herz, daß der „Einsame Weg“ fünf-, sechs¬
mal in einer Saison und der „Reigen“ vielleicht zweihundertmal
gespielt werden soll.
Und was wird die Zensur zum „Reigen“ sagen? Es gibt
nämlich noch immer oder schon wieder eine Zenfur, obgleich es
immer hieß, so etwas brauche man in einer freien Republik nicht.
Trotzvem ist die Zenfar in manchen Dingen für die Oessentlichteit
von nicht zu unterschätzendem Wert. Denn unsere Zensur hat sich
den Zeitverhältnissen angepaßt. Sie ist nicht mehr so unnachsicht¬
lich strenge wie vor Jahren, als sie in Wedekinds „Kammer¬
sänger“ noch das k. k. vor dem Kammersänger strich, weil dieser
Tenor doch Dinge tat und sprach, die ein k. k. Mensch nicht tun
und sprechen darf. Als man in der Josefstadt unlängst wieder das
Zensurexemplar des „Kammersängers“ hervorholte, mußte man
über die kindliche Aengstlichkeit des Zensors von damals lächeln.
Heute ist das anders. So kam es, daß neulich, als in einem
Wiener Theater ein Stück gespielt wurde, dessen letzter Akt in
einem öffentlichen Haus vor sich geht, nicht der Zensor rot wurde,
sondern der Direktor.
Die Zensur von heute wird also gegen Schnitzlers „Reigen“
sicherlich nichts einzuwenden haben, weil sie ja weiß, daß es sich
bei Schnitzler um ein künstlerisches Werk und nicht um speku¬
lative Absichten handelt. Es ist die Frage, die eine taktvolle
Regie zu beantworten haben wird, wie die Gedankenstriche, die
in jeder einzelnen der „Reigen“=Szenen stehen, in Bühnenwirk¬
lichkeit umzusetzen sind. Man erinnert sich ja der heiklen Situation,
in der sich im „Reigen“ Mann und Frau jeweilig befinden. Im
Buch, das ja eine Bühnenaufführung nie in Betracht zog, ist die
Pause, in der der Dichter schweigt, durch eine Linie Gedanken¬
striche ausgedrückt. In Petersburg, wo der „Reigen“ nach dem
Kriege zum erstenmal — ohne Erlaubnis des Dichters — gespielt
wurde, hat man diesen immerhin gefährlichen Moment durch Ver¬
dunklung der Szene angedeutet. Man wird ja sehen, wie das
Hubert Reusch, der das Werk in Berlin inszeniert, machen
wird
Neue gute Stücke, von deuen man hohe Aufführungszahlen
erwarten könnte, gibt es wenig. Viel große Literatur expressioni¬
stischer Richtung, dann derb realistisches Theater, doch das gute
witzige Lustspiel gelingt niemandem. Obgleich viele versuchen, es
zu schreiben. Da ist ein Wiener Schriftsieller erster Qualität, von
dem alle Leute seit Jahren behaupten, er wäre der Mann, das
Lustspiel, das Lustspiel par excellence zu schreiben. Begegnete
ihm neulich ein Theaterdirektor und fragte: „Ja, lieber Doktor,
was ist denn eigentlich mit Ihrem Lustspiel? Ist der erste Akt
endlich fertig?“ Worauf der Autor: „Von meinem Lustspiel existiert
ur ein — Vorschuß.“
Im übrigen hat neulich auch der Direktor eines Operetten¬
theaters Grund gehabt, einen Librettisten an die Erfüllung eines
noch nicht abgelieferten Werkes zu mahnen. Direktor Erich Müller
schrieb also an den Librettisten
um ihn handelt es sich
einen Erinnerungsbrief. Der Libreitist erwiderte prompt: „Lieber
Herr Direktor, ich habe bestimmt nicht vergessen, vorläufig nicht
in Arbeitsstimmung und schließlich liegt die Premiere noch in
weiter Ferne. Ich bin wie ein Schlachtroß, das erst steigt, wenn
die Trompete erklingt.
Direktor Müller antwortete mit zwei Zeilen: „Lieber
Freund! Soweit ich mich erinnere, habe ich mit einem Librettisten
#nd nicht mit, einem Schlachtroß einen Vertrag abgeschlossen.“
0.
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Telephone: 17359, 31599, 7546, 16521, 84454.