11. Reigen
box 17/5
Raum durch Getränkezwang entweiht werde
So muß sich
* * *
das zukünftige Volkstheaterkabarett um ein anderes Lokal umsehen.
Operettenjubiläen kosten heutzutage mehr Geld als je. Nach
dem zweiten Akt liegen hunderttausende Kronen in artigen
Blumenspenden auf der Bühne, aber die Komponisten, Verleger,
Autoren müssen sich's gewöhnlich leisten, nobel zu sein Freilich:
ihre Verehrungsbezeigungen sind heute nicht mehr so kostbar, wie
vor dem Kriege. Sie bemühen sich, Wertvolles durch Originelles
zu ersetzen, sind aber dabei unlängst nicht gut angekommen.
Ein Jubiläum der „Blauen Mazur“ brachte den Mit¬
wirkenden nach dem zweiten Akt sehr hübsch adjustierte Weinlörbe
mit Puppen, die den Hauptdarstellern in ihren Rollen getreu
nachgebildet waren. Eine sinnige Ueberraschung — so dachten die
Autoren. Doch Beity Fischer zum Beispiel dachte anders. Und
gab den Korb prompt zurück ...
Darüber große Aufregung
nicht nur hinter den Kutissen, sondern auch Empörung bei den
Autoren, die schon längst auf dem Standpunkt stehen, daß die
Jubiläumsaufmerksamkeiten überhaupt ein Unfug sind und ein
Affront wie der durch Fräulein Fischer Anlaß genug ist, die
Sitte endgültig abzustellen.
Im Burgtheater sah man unlängst mit viel Vergnügen einen
älteren Shaw wieder. „Cäsar und Kleopatra.“ Und viele Be¬
sucher dieser Vorstellung erinnerten sich der ersten Shaw=Kleopatra
die sie in Wien gesehen hatten. Es war eine blutjunge Schülerin
Albert Heines, die Iphigenie Buchmann hieß — im Theater und
Konservatorium Iphi genannt. Sie hatte damals großen Erfolg
und wurde als ein neue vielversprechendes Talent mit Fanfaren¬
stößen begrüßt. Iphi spielte noch diese und jene Rolle und ver¬
schwand dann plötzlich. Sie war in die Ehe geraten und hat der
Bühne Adieu gesagt. Bei der zweiten Premiere von „Cäsar und
Kleopatra“ in der Vorwoche konnte man sie nun in einer Parterre¬
loge sitzen sehen. An der Seite ihres Gatten, der einer der be¬
kanntesten, wenn nicht der bekannteste Großindustriellen Wiens ist.
Sie sah auf ihre Nachfolgerin und dachte vielleicht mit ein wenig
lieber Erinnerung vergangener Theaterzeiten ...
Artur Schnitzler bei den Proben in den Kammerspielen.
Für die Schlußprobe war es ein großes Vergnügen. Nicht jeder
Autor hat als helfender Regisseur diese liebenswürdig=menschliche
Note. Die Arbeit mit Schnitzler macht die mühsamen Proben zur
anregenden Unterhaltung, die Schauspieler fühlen sich wohl, denn
kein Berufenerer als der Dichter selber konnte ihnen sagen, wie er
sich alles gedacht hat und wie er es wiedergegeben haben möchte.
Wie jedem der beschäftigten Künstler, gab Schnitzler auch Herrn
Iwvald, der den Ehegatten spielt, kleine Anweisungen, wie dies
und jenes zu machen wäre. Herr Iwald folgte jedoch seiner
eigenen Intention. Daraujhin meinte Dr. Schulbaur, der Regisseur
der Vorstellung, zu Iwald: „Schnitzler muß es ja wissen, er hat
doch den „Reigen“ geschrieben.“ — „Aber vor fünfundzwanzig
Jahren“ antwortete Herr Iwald.
„Offenbach“ heißt der letzte große Budapester Operetten¬
erfolg, der sich auch in Wien, Berlin und dem übrigen Europa
forisetzen dürfte. Das Leben des Meisters, das bei Offenbach
natürlich ein Liebesleben ist, erscheint als Libretto wieder, von
Offenbachs unsterblicher Musik begleitet. Zwei Wiener Schrift¬
steller werden die deutsche Bearbeitung vornehmen. „Offenbach“
ist eine Operette mit seriösem Einschlag Sogar eine große Sterbe¬
szene kommt vor. „Offenbachs Tod“ bei den Klängen seiner
Barcarole. Als Leopold Jacobson das Buch in die Hand bekam,
seufzte er: „Endlich eine anständige Musik. Schade, daß der Mann
tot i!“
24 Mslin 1327
Neues Wiener Journal
Große Theatererfolge äußern sich in den Kartenbureaus. Daß
an der Kasse der betreffenden Bühne nichts zu haben ist, besagt
weiter nichts Aber auch in Kartenbureaus! In der Renaissance¬
bühne läuft das Geschäft augenblicklich so, daß tatsächlich auch in
den Kartenbureaus nichts zu haben ist. Die amerikanische Mission
wollte nämlich eine Loge neu zum „Geständnis“ haben, aber nichts
aufzutreiben. Kartenbureaus Kasse Nichts. Die arme Kassierin
war verzweifelt. Denn die Amerikaner hatten ihr — sechs Dollav
über den Kassenpreis versprochen. Und das find immerhif
mehr als 3000 Kronen ...
box 17/5
Raum durch Getränkezwang entweiht werde
So muß sich
* * *
das zukünftige Volkstheaterkabarett um ein anderes Lokal umsehen.
Operettenjubiläen kosten heutzutage mehr Geld als je. Nach
dem zweiten Akt liegen hunderttausende Kronen in artigen
Blumenspenden auf der Bühne, aber die Komponisten, Verleger,
Autoren müssen sich's gewöhnlich leisten, nobel zu sein Freilich:
ihre Verehrungsbezeigungen sind heute nicht mehr so kostbar, wie
vor dem Kriege. Sie bemühen sich, Wertvolles durch Originelles
zu ersetzen, sind aber dabei unlängst nicht gut angekommen.
Ein Jubiläum der „Blauen Mazur“ brachte den Mit¬
wirkenden nach dem zweiten Akt sehr hübsch adjustierte Weinlörbe
mit Puppen, die den Hauptdarstellern in ihren Rollen getreu
nachgebildet waren. Eine sinnige Ueberraschung — so dachten die
Autoren. Doch Beity Fischer zum Beispiel dachte anders. Und
gab den Korb prompt zurück ...
Darüber große Aufregung
nicht nur hinter den Kutissen, sondern auch Empörung bei den
Autoren, die schon längst auf dem Standpunkt stehen, daß die
Jubiläumsaufmerksamkeiten überhaupt ein Unfug sind und ein
Affront wie der durch Fräulein Fischer Anlaß genug ist, die
Sitte endgültig abzustellen.
Im Burgtheater sah man unlängst mit viel Vergnügen einen
älteren Shaw wieder. „Cäsar und Kleopatra.“ Und viele Be¬
sucher dieser Vorstellung erinnerten sich der ersten Shaw=Kleopatra
die sie in Wien gesehen hatten. Es war eine blutjunge Schülerin
Albert Heines, die Iphigenie Buchmann hieß — im Theater und
Konservatorium Iphi genannt. Sie hatte damals großen Erfolg
und wurde als ein neue vielversprechendes Talent mit Fanfaren¬
stößen begrüßt. Iphi spielte noch diese und jene Rolle und ver¬
schwand dann plötzlich. Sie war in die Ehe geraten und hat der
Bühne Adieu gesagt. Bei der zweiten Premiere von „Cäsar und
Kleopatra“ in der Vorwoche konnte man sie nun in einer Parterre¬
loge sitzen sehen. An der Seite ihres Gatten, der einer der be¬
kanntesten, wenn nicht der bekannteste Großindustriellen Wiens ist.
Sie sah auf ihre Nachfolgerin und dachte vielleicht mit ein wenig
lieber Erinnerung vergangener Theaterzeiten ...
Artur Schnitzler bei den Proben in den Kammerspielen.
Für die Schlußprobe war es ein großes Vergnügen. Nicht jeder
Autor hat als helfender Regisseur diese liebenswürdig=menschliche
Note. Die Arbeit mit Schnitzler macht die mühsamen Proben zur
anregenden Unterhaltung, die Schauspieler fühlen sich wohl, denn
kein Berufenerer als der Dichter selber konnte ihnen sagen, wie er
sich alles gedacht hat und wie er es wiedergegeben haben möchte.
Wie jedem der beschäftigten Künstler, gab Schnitzler auch Herrn
Iwvald, der den Ehegatten spielt, kleine Anweisungen, wie dies
und jenes zu machen wäre. Herr Iwald folgte jedoch seiner
eigenen Intention. Daraujhin meinte Dr. Schulbaur, der Regisseur
der Vorstellung, zu Iwald: „Schnitzler muß es ja wissen, er hat
doch den „Reigen“ geschrieben.“ — „Aber vor fünfundzwanzig
Jahren“ antwortete Herr Iwald.
„Offenbach“ heißt der letzte große Budapester Operetten¬
erfolg, der sich auch in Wien, Berlin und dem übrigen Europa
forisetzen dürfte. Das Leben des Meisters, das bei Offenbach
natürlich ein Liebesleben ist, erscheint als Libretto wieder, von
Offenbachs unsterblicher Musik begleitet. Zwei Wiener Schrift¬
steller werden die deutsche Bearbeitung vornehmen. „Offenbach“
ist eine Operette mit seriösem Einschlag Sogar eine große Sterbe¬
szene kommt vor. „Offenbachs Tod“ bei den Klängen seiner
Barcarole. Als Leopold Jacobson das Buch in die Hand bekam,
seufzte er: „Endlich eine anständige Musik. Schade, daß der Mann
tot i!“
24 Mslin 1327
Neues Wiener Journal
Große Theatererfolge äußern sich in den Kartenbureaus. Daß
an der Kasse der betreffenden Bühne nichts zu haben ist, besagt
weiter nichts Aber auch in Kartenbureaus! In der Renaissance¬
bühne läuft das Geschäft augenblicklich so, daß tatsächlich auch in
den Kartenbureaus nichts zu haben ist. Die amerikanische Mission
wollte nämlich eine Loge neu zum „Geständnis“ haben, aber nichts
aufzutreiben. Kartenbureaus Kasse Nichts. Die arme Kassierin
war verzweifelt. Denn die Amerikaner hatten ihr — sechs Dollav
über den Kassenpreis versprochen. Und das find immerhif
mehr als 3000 Kronen ...