II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 258

11. Reigen
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Theater und Kunst.
Hinter den Kulissen.

(Der neue Burgtheaterdirektor und die Manuskrivte.
Wie wurde
Wildgans Direktor? — Vom „Reigen
Die Premiere nach der
Liste. — Rößlers Prophezeiung.)
Anton Wildgans hat seine Mödlinger Einsamkeit noch nicht
mit der Burgtheaterkanzlei vertauscht. Trotzdem arbeitet er schon
färs Burgtheater, liest Stücke und soll bereits entschlossen sein,
einige abzulehnen. Es gibt nämlich Stücke, die dem neuen
Direkior eines Theaters förmlich zur Begrüßung dargereicht werden.
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Neues Wiener Journal
Es sind fast immer die gleichen. Einige dürfte sogar noch der
selige Schlenther refüsiert haben, seither Berger, Thiwig,
Millenkovich, Heine. Aber ein neuer Direktor — und die Stücke
sind wieder da! Die Autoren dieser Stücke glauben nämlich
immer, jetzt sei der Moment für sie gekommen, sie glauben
nämlich nie, daß ihre Werie nichts fürs Theater sind, sondern
immer, daß der Direktor sie mit Vorurteil gelesen hat. Und
probieren es beim neuen. Mit negativem Erfolg. Wild¬
gans
findet in den Schreibtischladen des Burgtheaters
noch einige Verlassenschaft, namentlich Willenkovich tat in diesem
Belange viel für seine Nachfolger. Die Autoren und Verleger
dieser Stücke fordern alle ihr Recht auf die Burgtheateraufführung,
drohen mit Klage, ja einige haben sogar schon geklagt.
Diese Verlassenschaft nun macht Wildgans immerhin einige
Sorge. Aber er wird schon darüber hinwegkommen, sitzt er erst
im Fauteuil des Burgtheaterdirektors.
Wie kam Wildgans zu seiner hohen Würde? Darüber zur
brechen sich die Theaterleute noch immer die Köpfe. Zählte er do
niemals zu den Kandidaten, die bei jeder Gelegenheit „u. a.
genannt wurden. Wildgans war ein Outsider. Seine Kandidatu
wurde sozusagen eist im letzten Moment aktuell. Dabei haben woh
verschiedene Momente mitgespielt. Anton Wildgans war eine Zeit¬
lang wirklich der betriebsferne, weltunsichere Dichter, dem mar
eine so reale Stellung, wie die eines Burgtheaterdirektors
nicht zugetraut hätte. Er hätte nämlich
schon ein¬
mal in seinem Leben Theaterdirektor werden können.
In den Zeiten der Volkstheaterkrise, als man nach Wallners Ab¬
gang einen neuer Mann suchte. Aber Wildgans, dem man damals
die Direktion des Volkstheaters nahelegte, wollte nicht und pro¬
tegierte Alfred Bernau, der damals Direktor der ehemaligen
Residenzbühne war. Wie sich zeigte, hat Wildgans schon damals
Blick für Talente bewiesen
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Die Theatersensation der kommenden Woche wird natürlich
„Reigen“ sein. Schon jetzt ist in den Kartenbureaus eine Hausse
n Karten zur Premieie zu verzeichnen. Aber vielleicht sind die
Herrschaften, die diesmal auch dabei sein wollen, den salschen
Weg gegangen. In den Kammerspielen erwägt man nämlich, ob
die Direktion sich diesmal nicht eine Art Auswahlrecht über das
Publikum nehmen und die Karten nach Listen vergeben soll, in
denen der Name des Besuchers eingetragen ist. In Berlin
ist die Premiere nach Listen in manchen Theatern
üblich. Das Publikum meldet sich im Bureau der Bühne
vor und die Leitung trifft aus den vorliegenden Anmeldungen
die engere Wahl. Durch diese Vorgang ist es möglich, auf die
Qualität des Premierenpublikums doch einigen Einfluß zu nehmen.
Auch Schnitzler soll für diese Art der Billettvergebung ein¬
genommen sein.
Die Proben des „Reigen“, an denen Direktor Bernau
gemeinsam mit Artur Schnitzler arbeitet, werden mit ungemeiner
Sorgfalt geführt., daß der „Reigen“ auf der
Bühne Schwierigkeiten bietet wie kein anderes seiner Werke. Es
handelt sich ihm vor allem darum, daß der „Reigen“, der als
frivol verschrien, auf der Bühne von rein künstlerischem Gesichts¬
punkt betrachtet werde. Er spricht auf den Proben die Dialoge
selbst, gibt den Tonfall der einzelnen Worte, ihr Tempo und ist
um die geringste Nuauce bemüht, die der Atmosphäte des Ganzen
dienlich sein könnte. Ein Schüler Professor Strnads, Paul
Friedmann, hat die Gestaltung der Szene entworsen. Da die
Kammerspiele über keine Drehbühne verfügen, müssen die einzelnen
Bilder jeweilig bei offener Szene gestellt werden. Denn der Vorhang